„Morgen, Schatz. Hast du gut geschlafen?“ Jocelyne, ähm, Verzeihung, Josy ließ sich auf ihrem Platz am frisch gedeckten Esstisch nieder, nachdem ihr ihre Mutter einen Kuss auf die Stirn gedrückt hatte.
„Hm“, murmelte sie und deutete wage ein Lächeln an. Ihre Haare glichen einem zerrupften Vogelnest, ihre Augen wurden von tiefen Ringen untermalt und ihre Haut schien heute ungewöhnlich blass. Oh, wie reizend von dir. Das nennt man Realität.
Josys Vater blickte besorgt über den Rand seiner Zeitung zu Susan, die leicht mit den Schultern zuckte. Josy tat so, als hätte sie die bedeutenden Blicke ihrer Eltern gar nicht bemerkt und rieb sich mit den Händen über die Augen.
Martin räusperte sich (das Räuspern von Josys Vater glich immer einem tiefen Knurren), das Zeitungspapier raschelte laut in Josys Ohren.
„Wie war’s denn gestern?“
Hach, nein, bitte nicht, dachte sich Josy. Sie versuchte Zeit zu schinden, indem sie schnell einen Klecks Himbeermarmelade auf ihr Toast tropfen ließ und möglichst langsam hineinbiss.
Sabine öffnete das Fenster, Vogelgesang und kühle Luft kamen herein, eine braune Haarsträhne wehte auf den beachtlichen Haufen Marmelade.
Mit halb vollem Mund und leicht angewidertem Gesichtsausdruck befreite sie die Strähne von der klebrigen Marmelade. Zeit schinden, Zeit schinden.
Leider vergaß sie über diesen zusätzlichen Triumph sich eine passable Antwort zu Recht zu legen.
„Der Film war gar nicht schlecht, ja...und sonst war es auch...gut“. Josy war noch nie eine begabte Lügnerin gewesen. Gut...ts, genau. Tom und sie waren im Streit auseinandergegangen, Tom hatte sie am Fahrbahnrand einfach stehen lassen, Josy hätte sich beinahe übergeben, wäre beinahe erfrören, da war „gut“ mehr als nur maßlos übertrieben.
Wenigstens kam die Sonne gerade hinter den Wolken hervor, sodass die Küche hell erleuchtet wurde, da konnte Josy die aufkommenden Tränen auf ihre Lichtempfindlichkeit schieben.
Doch, Rahel, wenn man Jocelyne gut genug kannte, durchschaute man diese Verkleidung. Tränten ihre Augen bloß, spitzte sie ihren Mund ganz arg. Weinte sie richtig zog sie ihre Oberlippe ganz leicht hoch, in Richtung Nase. Ihre Eltern erkannten das sofort.
„Ich hab‘ keinen richtigen Hunger“, presste Josy (hö, hab‘ ich eben Jocelyne gesagt?) noch hervor, bevor sie mit lautem Knatschen den Stuhl zurückschob und sich beeilte aus der Küche zu kommen.
„Weißt du, was mit ihr los ist, Martin?“, fragte Susan, während sie sich und Josys Vater frischen Kaffee einschenkte. Dieser nahm erst vorsichtig einen Schluck, bevor er antwortete.
„Danke, Schatz. Nein...vielleicht ist gestern irgendwas vorgefallen...“ Er strich sich nachdenklich über seinen Bart.
„Ja, das schätze ich auch. Hoffentlich redet sie mit uns darüber. Sie weiß ja, dass sie immer zu uns kommen kann.“ Susan schluckte und rührte in ihrem dampfenden Kaffee herum.
„Natürlich weiß sie das. Aber sie ist immerhin erwachsen, ich hab‘ irgendwann auch nicht mehr mit meinen Eltern über alles gesprochen.“ Er nahm schlürfend einen weiteren Schluck.
„Martin!“, Susan sah ihren Mann für einen Moment mit ihren stechend blauen Augen an, „sie ist erst achtzehn. Außerdem wohnt sie ja hier. Wenn mir etwas Schlimmes passieren würde, dann würde ich auch mit meinen Eltern darüber sprechen.“
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Back to You - Erster Teil: Es war einmal...
Teen FictionDiese Geschichte ist für Rahel. Eigentlich nur für Rahel, deshalb ist es möglich, dass andere Leser, die sich an dieses liebevolle Kuddelmuddel heranwagen, nicht direkt alles verstehen. Seht es als Herausforderung. Veränderungen. Warum verändert sic...