01 | Kalte Nächte

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Orientierungslos setzte Hermine Granger sich im Bett auf. Es dauerte einen Moment, bis sie begriff, dass sie sich im Zimmer ihrer besten Freundin Ginny Weasley befand. Müde blinzelte sie und sah Ginny in der Tür stehen. Dann hatte also das Quietschen der alten Türenschanieren sie geweckt. Merlin sei Dank, dachte Hermine. Heute hatten sie ausnahmsweise mal keine Albträume geweckt.

„Was ist los, Gin?", fragte Hermine und beobachtete, wie ihre beste Freundin sich zitternd gegen die Tür lehnte und das Blut langsam aus ihren Wangen wich, bis sie ganz blass wirkte.

„Harry ist los. Wie immer", erklärte Ginny. „Kann ich neben dir schlafen, 'Mine? Bitte!"

Überrascht hob Hermine eine Augenbraue. Die Sommerferien hatte sie bisher im Fuchsbau verbracht und durfte die Zeit über in Ginny's Zimmer übernachten, die zusammen mit Harry in Bill's altem Zimmer schlief. Anscheinend nicht besonders gut. Einladend zog sie die Decke für Ginny zur Seite und rutschte ein Stück, sodass sich ihre Freundin neben sie legen konnte.

Eine Weile lagen sie still unter der dünnen Bettdecke, bis Ginny schließlich anfing zu erzählen: „Harry schläft seit Wochen nicht mehr richtig durch. Mitten in der Nacht wacht er schweißgebadet auf und manchmal hat er sogar Tränen in den Augen. Aber wenn ich ihn frage wovon er geträumt hat, dann tut er es mit einem Schulterzucken ab und dreht sich um. Egal was ich versuche, antworten tut er mir nie."

Ginny's Augen füllten sich mit Tränen, aber sie wischte sie weg, bevor Hermine sich sicher sein konnte, dass sie auch wirklich dagewesen waren.

„Wir alle haben Albträume, Gin", erklärte Hermine mit sanfter Stimme und legte einen Arm um ihre beste Freundin. „Bei mir ist es schließlich nicht anders. Jede Nacht kommen sie, manchmal weniger schlimm, als den Tag davor, manchmal dann aber doch noch heftiger als ich sie je hatte. Harry hat viel durchgemacht in den letzten Jahren, da ist es nur verständlich, dass er jetzt nicht mehr richtig schlafen kann."

Mit großen Augen sah Ginny Hermine an. „Wieso hast du mir nie davon erzählt?"

Hermine zog verwundert die Stirn zusammen: „Du meinst, von den Albträumen?"

Ginny nickte heftig, denn die Gleichgültigkeit, die Hermine ihren Albträumen entgegenzubringen schien, besorgte sie zu tiefst. Mit so etwas war nicht zu spaßen, diese Meinung teilte sie mit ihrer Mutter. Sie machten einen Menschen kaputt, fraßen seine Seele auf.

„Ich komm mit den Albträumen klar, Ginny. Sie sind nicht so heftig wie die von Harry, das waren sie nie und werden sie auch niemals sein. Wir alle haben viel durchgemacht, geliebte Menschen verloren, aber niemanden hat es so schlimm getroffen wie Harry. Nicht weil er seine Eltern verloren hat - auch wenn das schon schlimm genug ist - aber er fühlt sich für den Krieg und den Terror, den Voldemort verbreitet hat, verantwortlich."

Ginny nickte ohne dem was Hermine gesagt hatte, etwas entgegenzusetzen. Denn ihre beste Freundin hatte Recht. Alles was sie gesagt hatte, traf Harry's Situation auf den Punkt, dennoch schwor Ginny sich, ihm klarzumachen, dass es nicht seine Schuld war, dass etliche Menschen ihr Leben verloren hatten.

„Ich mach uns erst mal einen Tee, okay? Der wird deine Nerven beruhigen und dann schlafen wir erstmal und warten bis morgen ab. Morgen - oder besser gesagt heute - ist schließlich Ron's großer Tag", sagte Hermine schließlich und stieg über Ginny hinweg aus dem Bett. Sie wusste, jetzt konnte sie wahrscheinlich sowieso nicht mehr schlafen, aber ihrer besten Freundin würde der Tee gut tun.

Ginny blieb nachdenklich im Bett liegen, während Hermine leise die Treppe hinunter tapste, immer darauf bedacht, mit dem Quietschen der Treppenstufen nicht auch noch den Rest des Hauses aufzuwecken. In der Küche holte sie schließlich zwei Tassen aus dem Schrank und lehnte sich dann gegen die Spüle, während das Wasser kochte.

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