❚Schülers Liebling♛

✑Drei

➊Taehyung fragte sich schon seit der Kindheit nicht mehr, ob er sein Spiegelbild veräppeln könnte, indem er sich so schnell es geht umdreht und unerwartet zurückschaut, um sicherzustellen, ob das Spiegelbild wirklich so abhängig ist von ihm wie es scheint. Stattdessen beschäftigte sich Taehyung lieber mit anderen Dingen. Vielleicht war es eine Zeitverschwendung, aber es fühlte sich nicht so an, als Jungkooks neues Bild auf Instagram Taehyung wieder Hoffnung schenkte, dass er nicht noch länger warten müsste, bis er sein Gesicht wieder sehen kann.

➋Es war zwar nicht das Gleiche, ihn im Klassenraum aktiv werden sehen zu können, aber immer hin etwas. Jungkook hatte deutlich mehr Follower als Taehyung erwartet hätte, doch es war schon eine Weile her, seit er auch was von Jungkook von seinem Account gehört habe. Es war ein Bild von der amerikanischen Footballmanschaft in ihrer Schule, auf dem Jungkook zwei seiner Freunde aus dem Team die Arme um deren Schulter gelegt hatte und dabei freudig grinste. Er trug wie fast immer knielange, weiße Shorts, die etwas nach oben gekrempelt waren, seine athletischen, rasierten Beine zeigend. Es war der Moment, wo Taehyung sich die Frage stellte, wie gefährdet er im Leben stand, um das Bild sorglos screenshotten zu können, damit es niemand zufälligerweise in seiner Galerie finden könnte.

➌Doch kopfschüttelnd drückte er die beiden Knöpfe und stand zielstrebig vom Stuhl auf. Er fühlte sich plötzlich sicher. Oder eher inspiriert sich durch Jungkooks Freizügigkeit entfalten zu dürfen, obwohl ihm der blöde Ruf, dem er immerhin seine Ruhe verdankte, Streber galt und ihn ausmachte. Aber zugegebenermaßen war Taehyung tatsächlich gerne mal ein Klugscheißer. Schließlich mochte er das Gefühl den Anderen in etwas überragend zu sein. Er war zwar nicht dumm, aber auch nicht allwissend und manchmal störte ihn das doch irgendwie. Dann gab er vielleicht auf sich entwickeln zu wollen, immer mehr Wissen aufzunehmen, obwohl sein Kopf anfing zu schmerzen und verfiel langsam in einen Redefluss, wo er nur Blödsinn redet und er dann doch er selbst sein kann.

➍Nicht, dass er sich versteckt, nur manchmal macht er sich selber was vor, um motivierter zu sein. Taehyung sagt sich manchmal selbst zu oft, dass er besser als die Anderen sei, um schneller voranzukommen. Nur auf Dauer ist es auch ermüdend oder unnütz, wenn man mal über etwas Unwichtiges und trotzdem Entscheidendes reden möchte.
Taehyung hasste es, wenn ihm etwas befohlen wird oder ihm gesagt wird, dass er es besser machen könnte. Das würde Taehyung doch selbst schon merken. Dachte er. Er war sicher.

➎Seufzend öffnete er seinen Kleiderschrank und lauter Sachen, von deren Existenz er nicht zu wissen mochte, stachen ihm ins Auge. Komischerweise war es für Taehyung einfacher die Sachen ausgezogen wieder in den Schrank zu falten, anstatt diese aufzuhängen. Doch diesmal hatte er die Wahl oder eher das Bedürfnis mal bei seinen hängenden Sachen vorbeizuschauen, die tatsächlich alle wie in einer Fleischerei schon vergessen am Haken hingen.
Die blaue Strickjacke, für die sich Taehyung früher immer geschämt hat, weil sie so knallig war, bekam seine Aufmerksamkeit. Er erinnerte sich, dass Jungkooks Lieblingsfarbe ja blau war, was er sich noch vom letzten Jahr gemerkt hat, als er zufälligerweise mal hinter ihm und seinem besten Freund Jimin, der mit Taehyung auch im Biologieunterricht war, im Bus saß, weil sein Vater ihn wegen der Arbeit nicht fahren konnte.

➏Taehyung seufzte. Er fühlte sich so abhängig von dem Jungen. Als entschied er über sein Leben, was Taehyung überhaupt nicht zu Mute war. Mit dem Gedanken, es sei besser für Taehyungs Selbstbewusstsein, überzeugte er sich selber die Jacke mal vor dem Spiegel anzuprobieren. Sie passte diesmal sogar. Sie würde ihm zu Beginn der Oberschule gekauft, doch da war sie ihm wohl eine Nummer zu groß. Stand ihm aber trotzdem nicht.

➐Es waren nicht wie gewohnt diese braun, grau Töne oder mal hin und wieder dunklere Sachen, weil das Helle ihm immer in den Augen wehtat. Obwohl es bei Jungkook immer das Erste war, was an ihm die Aufmerksamkeit raubte, wenn er in einer Menschenmenge steht. Mal gelbe Jacke mit grell blauen Shorts. Oder orange und rot. Alles, was Taehyung eigentlich Grund genug sein müsste, ihn nicht anzusehen. Aber leider ging es nicht anders. Manchmal würde Taehyung denken paranoid zu werden, wenn er sich ausmalt, wie Jungkook ihm auch Blicke zuwerfen könnte.
Aber das wäre wohl nur ein Wunsch seiner hoffnungslosen Träume.