Blutige Wunden

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Jonathan hatte entschieden, dass Damon nicht in diesem Zustand zu seiner Wohnung gehen konnte. Stattdessen brachte er ihn zu seinem Luftschiff im Hafen der Stadt. Auf dem ganzen Weg schien der Captain mächtig stolz auf seinen Schuss zu sein, obwohl selbst ein Rekrut der galscopischen Armee den hätte landen können. Als wäre diese Irritation nicht genug, lies der Blutverlust, obwohl er schnell mit einem Teil seiner eigenen Uniform gestoppt wurde, Damon schwindelig werden. Alle paar Schritte stolperte er über irgendeine Unebenheit im Boden und musste sich selbst fangen.

Als die beiden schließlich am Schiff ankamen, fröstelte Damon. Obwohl es ein milder Herbsttag war, war ihm kalt. Doch trotz seiner wenig erstrebenswerten Situation war der Anblick des kolossalen Himmelsschiffes beeindruckend. Obwohl der ehemalige Soldat in seinem Leben schon einige dieser Behemoths gesehen hatte, waren sie jedes Mal ein ehrfurchtsgebietender Anblick. Der etwa 120 Meter lange hölzerne Rumpf, der im Wasser des Hafens lag, stellte selbst die größten konventionellen Schiffe in den Schatten. Zusätzlich waren die Luftschiffe geschlossen, sodass sie eine gewisse Aerodynamik besaßen. Im Heck ging das verstärkte Holz dann in das kalte Metall der Triebwerke um, die mit Staub gewonnen aus Mival den Riesen bewegten.

"Beeindruckend, was?", lachte Jonathan, als er den Blick seines neuen Kumpanen bemerkte. "Solche Dinger sind immer wieder ein Anblick", gab der zu. Für einen Moment lenkte die Sicht ihn sogar von seinen Schmerzen ab. Doch das hielt nur, bis eine neue Welle plötzlichen Frostes durch seinen Körper schoss. Er verzog das Gesicht nur für einen Moment, seine Beine zitterten. "Schaffst du das?", fragte der Captain neben ihm. Er schien ernsthaft besorgt. "Schnauze! Es ist nichts!" Damon durfte keine Schwäche zeigen. Vor allem vor jemandem, den er kaum kannte.

Als sie über den Eingang des Schiffes getreten waren, zitterte Damon stark. Ihm war so...kalt. Eine seiner provisorischen Bandagen hatte sich gelöst und scheuerte nun die beinahe frische Wunde wieder auf. "Du brauchst Hilfe, egal was du sagst", bemerkte Jonathan, als er das bleiche Gesicht des Verwundeten sah. Als der Luft holte um zu protestieren, schnitt der Captain ihm das Wort ab. "Ich lasse nicht den Walkerpiloten, den ich heute erst angeheuert habe, auf meiner Türschwelle verbluten. Keine Widerworte!" Damon war nur noch in der Lage, ein "Aber ich habe meinen Stolz..." herauszukrächzen, bevor er schnell zur Krankenstation gebracht wurde.

Auf ebenjener Station lies Damon sich auf ein hartes Krankenbett fallen, um seinen zitternden Beinen eine Pause zu geben. Er versuchte allerdings noch immer, sich aufrecht zu halten. "Ernsthaft, Freund. Du hast hier nichts zu beweisen", murmelte Jonathan, während er ein Crewmitglied damit beauftragte, den Sanitäter zu holen. Der hatte sich zu dieser späten Stunde, es näherte sich mittlerweile zwölf Uhr, schon zur Ruhe gelegt. Die nächsten Minuten waren still. Das Kerzenlicht warf flackernde Schatten an die Wände. Jonathan fiel kein Gesprächsthema ein, um die Stimmung aufzulockern und Damon unternahm dazu nicht mal einen Versuch.

Als der Sanitäter endlich kam, hatte Jonathan begonnen, sich im Raum, den er schon so oft gesehen hatte, umzuschauen, um die Illusion zu geben, dass er etwas zu tun hatte. Für einen Moment schaute sich der verschlafene Mann das Gehabe seines Captains an, bevor er sich seinem Patienten zuwandte. "N' Abend, der Name ist Argus. Wo tuts weh, junger Mann?" Obwohl der Sanitäter recht formlos sprach, schwang in seiner Stimme eine gewisse Autorität mit. "Mein linker Unterarm wurde aufgeschlitzt und mir wurde in die Schulter gestochen."

Mit routinierter Ruhe wies Argus seinen jüngeren Assistenten an. "Karl. 'Ne Schüssel heißes Wasser und 'nen Lappen!" Dann wandte er sich wieder den Verwundungen zu. "Wer hat denn das hier angebracht?", fragte er genervt, als er die notdürftigen Verbände besah. "Die bedecken ja nich' mal ganz die Wunde." Während der Sanitäter seiner Arbeit nachging, die Damon kommentarlos über sich ergehen lies, wurde Jonathan unruhig. "Wie steht es, Doc? Wird er bald wieder kämpfen können?"

Eine kurze Pause entstand, in der Argus in einem der Regale nach Druckverbänden durchsuchte. "Immer mit der Ruhe, Jungchen. Es sieht nur nach Blutverlust aus. Sterben wird er nich' dran." Karl war mittlerweile mit den verlangten Materialien zurück und während beide die Umgebung der Wunde säuberten und den Druckverband für den Schnitt am Unterarm anbrachten, fragte Argus schließlich: "Wer bist du überhaupt? Hab dich hier noch nie gesehen." Nach kurzem Zögern versuchte Damon sich im sitzen so groß zu machen, wie möglich. "Ich bin Damon Stal. Ehemaliger Leutnant der Galscopianischen Armee und einer der wenigen loyalen Bürger, die dem Land verbleiben."

Argus wandte sich der verwundeten Schulter zu, während er leise lachte. "Ein Soldatentyp also. Das hätt' man erraten können. Kein normaler Mann sitzt verwundet so gerade." Der Sanitäter und Karl begannen leise zu diskutieren, wie man den Verband am besten anbringen sollte, was es Damon ermöglichte, einen guten Blick auf beide zu werfen.

Karl war ein braunhaariger Junger Recke, mit mehr Muskeln, als man von einem medizinischen Assistenten erwarten würde. Trotzdem hatte er eine gewisse Güte in seinen Zügen, die man auch in seinen grünlichen Augen sehen konnte. Argus war eine andere Geschichte. Der schon ergraute Mann war gezeichnet. In seinem vernarbten Gesicht konnte der Soldat Sorge und Reue erkennen.

Die beiden medizinisch Begabten bemerkten Damons abschätzenden Blick, der etwas seltsam aussah, da er sich kaum in sitzender Position halten konnte. "Du solltest jetzt still halten", riet Argus, während Karl vorsichtig mit seiner Arbeit begann. Jonathan, der die letzten paar Minuten still gewesen war, begann nun wieder zu sprechen. "Ich sehe, dass ihr hier alles unter Kontrolle habt." Er schien kaum stillstehen zu können, nun da er wusste, dass es seinem neuen Kameraden gut gehen würde. "Ich habe viel zu tun, vor allem, da wir morgen früh aufbrechen müssen." Er war schon halb aus der Tür heraus. "In dem Sinne wünsche ich allen hier eine gute Nachtruhe", mit dem Wort verschwand er. Damon konnte seine eiligen Schritte noch den Gang entlanghallen hören. 

"Ja genau", murmelte Argus. "Die Ruhe, die du mir weggenommen hast." Nachdem er abgesichert hatte, das alles an den Verbänden in Ordnung war, wandte er sich noch einmal Damon zu. "Ich schätze, dass du hierbleiben solltest. Ruh dich aus, Soldat, du wirst's brauchen." Damit ging er zurück, seinen verlorenen Schlaf nachholen. Karl hatte immerhin noch den Anstand, Damon wortlos eine Decke zu reichen, bevor er die paar Kerzen auspustete, die als Beleuchtung gedient hatten. Der Soldat war wieder alleine.

~~~I~~~

Auch in einem anderen Teil der Stadt war eine Person endlich alleine. Nach einem Tag voller Stress gönnte Luna sich schließlich eine wohlverdiente Pause. Noch immer hatte sie ihre steife Uniform an, die sie auf ihrem hohen Rang den ganzen Tag zu tragen hatte. Doch gleich würde sie endlich Ruhe haben. Luna entzündete eine Kerze und stellte ihren Halter auf den reich verzierten Tisch in der Mitte des Zimmers. Sie beleuchtete einige Bücher, die sie gerade las und eine Flasche Alkohol, die wohl teurer war als die Häuser einiger Bürger dieser Stadt. Das oberste Kommando hatte sie ihr zu irgendeinem Jubiläum für die gute Zusammenarbeit geschenkt. Gerade als sie sich Gedanken machte, die Flasche endlich mal zu öffnen, klopfte es an ihre Tür.

Zu dieser Stunde? Was gab es da, was ihre Aufmerksamkeit benötigte? Konnte es nicht bis zum Morgen warten? Nicht ihres Ranges angemessen, schlurfte Luna lustlos zur Tür. Sie streckte sich und versuchte ihre hellblonden Haare zu glätten, bevor sie die Tür öffnete. "Wer wagt es, die Admiralin der 3. Clairianischen Flotte bei ihrer Nachtruhe zu stören?", fragte sie laut und so einschüchternd wie möglich. Der Dienstbote duckte sich, und bat vielmals um Entschuldigung, bevor er seinen Dienst tat. "Es scheint, als hätte einer der Galscopianischen Gefechtsvorsteher eine Nachricht für sie." "Und wo ist diese Nachricht?", fragte die Admiralin schroff. "Herr Fors hatte darauf bestanden, dass sie von einer Person überbracht wird, der er vertraut", erwiderte der Diener und trat aus dem Weg. Hinter ihm erkannte Luna eine in schwarz gekleidete, maskierte Person, mit einem Brief. Sie humpelte leicht, als sie ihren Weg zur Admiralin machte, bevor sie dieser den Umschlag überreichte und meinte: "Ich glaube, diese Informationen werden sie interessieren."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 28, 2020 ⏰

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