Von Details und Spionage

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Die Männer hatten sich beide sündhaft teuren Alkohol bestellt, den der Barkeeper persönlich zu ihnen brachte, nachdem er die Geldbörse Jonathans gesehen hatte. Es hatte sich herausgestellt, das dieser der Captain eines Luftschiffes war. Diese bis zu gut 150 Meter langen Kolosse wurden mit Mival angetrieben. Dieses Mineral hatte an einem unbestimmten Punkt nach den Hexenkriegen begonnen, Magie aufzunehmen. Es war der Grund, weshalb Magie nun etwas seltenes war. Mivale hingegen, wurden nun als Energiequelle für verschiedenste Dinge wie Waffen oder eben Luftschiffe verwendet.

"Hast du keine Angst, dass wir hier belauscht werden?", fragte Damon, nachdem er einen Schluck aus seinem Glas genommen hatte. Jonathan winkte ab und begann seinerseits zu trinken, bevor er antwortete. "Natürlich gibt es immer die Möglichkeit, dass das geschieht. Vor allem bei dir. Aber wer soll uns belauschen? Der Barkeeper wird uns wohl kaum verraten, wenn wir Pläne gegen Clairien schmieden. Die Preise für seine Waren sind teuer wie nie und die Kundschaft wird immer weniger und weniger." Nun deutete er auf die ehemaligen Soldaten, die tranken und lachten. "Und die Typen habe ich schon angeheuert. Sie gehören nun zu meiner Crew. Das bringt mich zu meinem nächsten Punkt."

Jonathan war überraschend gut darin, Gespräche in seine Richtung zu lenken. "Ich habe dich nämlich aus einem bestimmten Punkt angeheuert, mein Freund." Aus irgendeiner Tasche nahm der Captain einen dünnen Stapel Papier und legte sie vor Damon. "Guck dir das an." Die Papiere waren Schemata. Waffensysteme waren mit Tinte hastig gezeichnet worden, neben ihnen waren technische Daten. Während der ehemalige Soldat durch die Papiere blätterte, fuhr Jonathan fort. "Durch meine Kontakte weiß ich jede Menge Sachen über dich. Deine politische Überzeugung, deinen Wohnort, aber vor allem..." Damon war auf der letzten Seite angelangt. Die Systeme, die auf den vorigen Blättern abgebildet waren, waren nun zusammengesetzt. "...deine Anstellung im Militär."

Was auf dem letzten Blatt gezeichnet war, war ein Walker. Die humanoiden, aus dem neu erfunden Stahl und Holzverstrebungen gebauten Kampffahrzeuge. Genau die Fahrzeuge, die Damon für fast seine gesamte militärische Laufbahn gesteuert hatte, bis sie in den letzten Wochen vor Kriegsende in zivilien Dienst gegeben wurden, um sie vor eventueller Erbeutung zu schützen. Dieser genaue Walker war scheinbar als "Vollstrecker" bezeichnet, da dies am oberen Rand des Blattes stand.

"Das Ding ist extrem modern. Wie bist du da rangekommen?" Damon war beeindruckt. Der Mann, der ihm gegenüber saß musste noch mehr Verbindungen haben, als er dachte. Allerdings war dies der Moment, wo Jonathan herumdruckste. "Nun, das ist die Sache. Noch habe ich das Ding nicht. Es ist ein neuer Prototyp der Clairianer. Ich weiß nur, wann es auf welchem Weg zu ihrer Hauptstadt kommt."

Auf diese Offenbarung reagierte Damon mit Schweigen. Er versuchte die richtigen Worte zu finden. "Du erwartest", begann er langsam, "dass wir einen militärischen Prototyp stehlen, während er wahrscheinlich stark eskortiert wird. Richtig?" Als Jonathan mit einem schiefen Lächeln nickte, fuhr Damon fort: "Dann, wenn wir das geschafft haben, versuchen wir mit wahrscheinlich der Hälfte des clairianischen Militärs auf den Fersen unbemerkt in die Schatzkammer zu kommen und, noch wichtiger, lebend wieder herauszukommen. Ich sehe absolut gar nichts, was hier falsch laufen kann."

"Es ist weniger schlimm als du denkst. Du wirst sehen, ich habe alles unter Kontrolle", versicherte Jonathan auf die sarkastische Bemerkung Damons. "Glaub mir, ich habe so viele Verbündete und Kontakte, da kann gar nichts schief gehen." Plötzlich schien die Einstellung des Captains gar nicht mehr so versichernd für seinen Gegenüber zu sein. Damon seufzte: "Ich meine, du hast gute Arbeit geleistet, Dinge über mich herauszufinden. Was habe ich denn zu verlieren?" "Gut das du so denkst!", bestätigte Jonathan ihn. "Du kommst dann morgen um zehn zu meinem Schiff. Okay? Okay!" Damon fiel es mittlerweile immer schwerer, sich ein klares Bild von seinem Auftraggeber zu machen.

Als die beiden Männer aufstanden, meinte Damon, etwas aus seinem Augenwinkel zu sehen. Vielleicht war es nur Einbildung, aber aus Instinkt drehte er sofort den Kopf in Richtung Fenster, wo er den Schatten gesehen hatte. "Verdammt!", stieß er aus, als eine Gestalt in schwarz einen letzten Blick in das Fenster warf und weg rannte. Sie waren belauscht worden! Ohne einen zweiten Gedanken zu verschwenden, stürmte Damon aus der hölzernen Tür der Taverne, ohne auf Jonathans Proteste zu hören.

Obwohl die Gestalt einen Vorsprung vor Damon hatte, kam dieser ihr näher. Links! Rechts! Selbst die schnellen Richtungswechsel, verlangsamten ihn nicht in seiner Rage. Bald waren beide tief im Herzen der Stadt. Hier gab es viele Gassen, wo eine Person kaum alleine durchpasste. Hier war es, wo Damon seine Beute schließlich verlor. Nach einer plötzlichen Abbiegen nach links, hatten einige Fässer seinen Lauf zum halten gebracht, als er sein Gleichgewicht verlor und hart auf dem Boden aufkam. "Dreck!", fluchte der nun noch wütendere Kämpfer. Zwar stand er schnell wieder auf, doch der Verfolgte war verschwunden. Damon begann noch lauter zu fluchen, bevor er sich wieder an sein Training erinnerte. Spuren! Es musste Spuren geben!

Die gab es in der Tat. Durch das Rennen hatten sie beide tiefe Abdrücke im Dreck der Gassen hinterlassen. Sofort begann Damon, den Spuren seiner Beute zu folgen. Links, rechts, bis er schließlich auf einen kleinen Platz kam, wo sie plötzlich stoppten. Kurz davor waren mehrere der Spuren auf einer Stelle konzentriert. Was zum Henker hatte das jetzt zu bedeuten? Während Damon versuchte, in seinem durch Wut vernebelten Zustand, eine logische Erklärung zu finden, ließ sich hinter ihm Geräuschlos sein Belauscher vom Dach eines der Häuser fallen, auf das er irgendwie gekommen war.

Es war eher aus antrainiertem Reflex, als klarem Denken, dass Damon es schaffte, dem ersten Schlag auszuweichen. Die Gestalt in schwarz hatte eine lange Klinge gezogen, in der sich das silbrige Licht des vollen Mondes spiegelte. Stumm stach sie ein zweites Mal in die Richtung des Soldaten. Der wich schnell zurück und zog seinen kurzen Dolch. "Stirb!" Mit diesem Ruf stürzte er sich auf seinen Gegner. Dieser parierte, ohne viel Mühe, all seine Schläge. Damons wildes herumschwingen wurde unterbrochen, als sein Feind plötzlich zurücksprang, in die Hocke ging, und ihm in einer flüssigen Bewegung die Beine wegzog. Der Hinterkopf des Soldates schlug auf den Dreck auf, er ließ seinen Dolch los und plötzlich war die Gestalt auf ihm. "Sorry, kleiner Soldat. Ich kann leider nicht zulassen, dass irgendjemand die großen Zauber aktiviert", meinte eine ganz klar weibliche Stimme, die von unter der Maske des Agenten kam. Dann ließ die Frau ihr Schwert auf ihn niedersausen. Wieder aus Reflex hob Damon seinen normalerweise gepanzerten linken Arm, um den Schlag abzublocken.

Der Schmerz ließ Damon aufschreien, aber es gab ihm Zeit, der Agentin mit seiner freien Hand in die Rippen zu boxen. Als sie aufkeuchte, rollte er sich von ihr weg und stand wackelig auf. Sein Arm blutete. Es war ein sauberer Schnitt. "Dreckige Hure!", stieß Damon aus, bevor seine Gegnerin die Initiative ergriff und mit ihrem Schwert auf ihn zuhechtete. Der Soldat versuchte, sich zur Seite zu werfen, aber er war zu langsam. Die Klinge drang tief in seine rechte Schulter und ließ ihn laut aufschreien. Damon sank auf die Knie, überwältigt von Schmerz. Als er aufblickte, blickte er direkt ins bedeckte Gesicht der Agentin. Braunes Haar umgab ihre Maske. "Ich wünschte, es könnte anders laufen", meinte sie zu ihm, bevor sie ihr Schwert hob, um seinen Hals zu attackieren. Doch der nächste Schlag kam nicht.

Ein Zischen ertönte, als ein blauer Strahl knapp den Kopf der Agentin verfehlte und sich in das Mauerwerk neben ihr brannte. Ein leises "Mist" war vom anderen Ende der Gasse zu hören und Damon erkannte Jonathans Stimme. Mit letzter Kraft hob Damon seinen linken Arm um der nun abgelenkten Frau das Schwert aus der Hand zu ringen. Diese schob ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn und riss sich los, nur um einen Schuss in die Seite zu bekommen. "Endlich", kommentierte Jonathan, als er näher kam. Die Frau war aber noch erstaunlich lebendig und erstaunlich wenig verwundet. Sie sprang auf, wobei ein leises Stöhnen zu vernehmen war, bevor sie sich entschied, ihr Heil in der Flucht zu suchen und um eine Ecke verschwand.

"Ha, ich kann doch ein Scheunentor auf zehn Meter Entfernung treffen", lobte Jonathan sich selbst und schulterte sein Energiegewehr, bevor er sich zu Damon drehte. "Ich schätze, dass du nicht okay bist, da ich den Schreien folgen musste, um dich überhaupt zu finden." "Es...ging mir schon besser", bestätigte der Soldat. "Aber das wird heilen. Ich habe schon schlimmeres überlebt" Dann wandte er sich zur Ecke, um die die Agentin verschwunden war. "Es ist schlimmer, dass diese verfluchte Hure weg gekommen ist." Jonathan seufzte. "Wenn sie wirklich alles mitgehört hat, sind das in der Tat schlechte Nachrichten", stellte er fest. "Aber das bedeutet nur, dass wir schneller sein müssen, als die Nachricht. Dieser Auftrag wurde gerade zum Rennen."

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