16. Kapitel

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Ich schrie laut auf, doch eine Hand legte sich zusätzlich auf meinen Mund. Ich wollte sie wegreißen, doch ich war wie gelähmt. Mein Körper war erstarrt und wagte sich nicht zu rühren.
"Psst! Sonst weckst du noch die Toten!", wisperte mir eine Stimme von hinten ins Ohr.
Eine Gänsehaut kroch über meinen Körper. Das war doch nicht etwa der Horrorclown? Oder der Zombie? Nein, Zombies konnten doch nicht sprechen, oder? Ich schluckte und meine Schreie verstummten. Ich atmete tief durch und drehte mich blitzschnell um. Ha! Damit hatte derjenige nicht gerechnet. Er ließ locker. Ich sah ihm in die Augen und atmete auf. Es war der Junge aus dem Bruce.
"Mann! Du hast mich total erschreckt!", rief ich erleichtert.
Er würde ja jetzt schließlich wohl kaum wie in diesen Horrorfilmen seine Maske vom Gesicht ziehen und sein wahres Gesicht zeigen. Oder doch? Einen Moment lang zögerte ich, doch verwarf diesen Gedanken dann wieder. Das hier war Briscole und nicht Chadland!
"Ich dachte erst, du kommst nicht mehr." Er grinste mich an.
Ich verdrehte die Augen. Zugegeben, er hatte aber recht. Ich hatte mich ja selbst überwinden müssen herzukommen. "Also, du wolltest reden?"
Er nickte. "Ja. Lass uns nach dort drüben gehen."
Er deutete auf eine Bank unter einer Eiche und lief los. Ich folgte ihm schweigend. Der Nebel hatte sich nicht verzogen, was das Ganze noch gruseliger machte. Ob er es auch gruselig fand? Oder fühlte er sich hier bestens aufgehoben? Ich wusste es nicht. Ich musterte ihn von hinten. Er trug wieder die graue Mütze. Dazu einen schwarzen Parker und blaue Jeans. Ich schätzte mal, dass er ein Einzelgänger war. Er hatte vielleicht einen Freund, aber ansonsten war er sicher oft allein und zockte am Computer. Ich überlegte, ob ich ihn schon mal in der Schule gesehen hatte, aber es war schwer zu sagen. Er war nicht gerade der Auffälligste... Bei der hölzernen Bank angekommen, die ziemlich morsch aussah, setzten wir uns nebeneinander - Mit ungefähr vierzig Zentimetern Abstand.
Ich räusperte mich. "Okay. Also, na ja, du denkst noch an Chadland..." Wieso klang meine Stimme so leise und unsicher?! Ich ärgerte mich dafür.
"Ja, das tue ich. Scheint mich wohl geprägt zu haben. Oder so was in der Art..." Er lachte kurz auf.
Ich starrte auf meine Hände und ließ meinen Blick unsicher über den Friedhof wandern. "Ich hatte auch das Gefühl, dass mich die Zeit dort irgendwie verändert hat."
Der Junge ließ seinen Fuß über eine Eichel rollen, die auf dem Boden lag. Sein Blick war abwesend, als ob er in Gedanken ganz woanders wäre.
Er murmelte leise: "Bei den anderen, die auch schon dort gewesen sein mussten, merkt man aber nichts. Geht es nur mir und dir so?"
"Mom meinte, dass man sich ablenken sollte und denken sollte, es wäre alles ein Albtraum gewesen." Ich schluckte.
"Ja, sowas in der Art hat meine Mom auch gesagt. Meinem Dad habe ich gesagt, dass ich hier wegziehen könnte. Das alle hier wegziehen könnten. Wozu noch hier wohnen, wenn Chadland uns das Alles antut. Doch er sagte, niemand kommt hier weg." Er kratzte sich am Kopf. "Verstehst du was das heißt? Warum kann man hier nicht weg?"
"Ich schätze, weil Chadland es auf uns abgesehen hat. Die Zombies und so dort brauchen Opfer. Und wenn nicht wir das sind, ist es eben der Ort zwanzig Kilometer weiter.", antwortete ich.
Er nickte langsam. "Das ist einleuchtend..."
Ich wand mich innerlich vor meiner nächsten Frage, aber ich musste sie stellen! "Wie heißt du eigentlich?"
Er sah mich überrascht an. Dass das jetzt kommt, hätte er wohl nicht gedacht. "Mein Name ist Fynn Thompson."
Da ich es nur höflich fand, jetzt auch meinen ganzen Namen zu sagen, antwortete ich: "Jolene Clark."
Er lächelte kurz. "Cool. Tauschen wir Nummern? Vielleicht hat ja einer von uns bald einen Panikanfall und der andere muss helfen."
Ich starrte ihn an. Panikanfall?! Nicht ganz unwahrscheinlich...
Er lachte. "War ein Witz!"
Ich grinste krampfhaft. "Lustig!"
Nein, das war es nicht wirklich. Vielleicht war ich wirklich etwas empfindlich, aber ich hatte echt Angst vor so was! Wenn einer aus Chadland auf einmal vor unserem Haus stehen würde, hätte ich ganz sicher einen Panikanfall. Und ich wusste nicht, ob das gut ausgehen würde... Wir tauschten Nummern und als ich in den Himmel blickte, sah man bereits die Sterne und den Vollmond. Hatte da nicht eben auch ein Wolf geheut?!
"Also, dann schreiben wir?", fragte ich schüchtern.
"Ja. Du findest allein raus?", fragte Fynn wieder herum.
Ich sah ihn fragend an. Gingen wir nicht zusammen weg? "Was meinst du?"
"Ich bleibe noch eine Weile hier." Er sah sich leicht lächelnd um.
Ich sah ihn ein bisschen verstört an. Er war irgendwie schon komisch. Fynn...
"Okay. Dann bis bald!"
Ich winkte ihm zu und verließ schnellen Schrittes den Friedhof. Noch mal würde ich hier ganz sicher nicht herkommen. Das Laub der Bäume raschelte im Wind und der Himmel lag über mir wie eine riesige schwarze Decke. Kaum hatte ich das Tor durchquert, war es, als könnte ich endlich wieder richtig atmen. Ich sah auf mein Handy. 18:00 Uhr. Ich hätte mir Zeit lassen können, schließlich dachte Mom ja ich sei bei Bella. Doch irgendwie trieb mich meine Angst vorwärts. Und zwar so lange, bis ich vor meinem Haus stand. Das Auto stand noch nicht da, also war keiner Zuhause. Ich schloss die Tür auf und hing den Schlüssel an das Schlüsselbrett neben der Tür. Im Haus war es dunkel und kalt. Wahrscheinlich hatte Mom die Heizung ausgestellt. Als ich meine Schuhe und die Jacke auszog, hörte ich ein Schlurfen und erstarrte in der Bewegung. Was war das?! Instinktiv griff ich nach meinem Handy. Sollte ich gleich Fynn anrufen? Wir hatten es doch vereinbart, uns im Falle eines Panikanfalls zu kontaktieren und diese Situation war auf dem besten Weg ein Panikanfall zu werden. Da war es wieder! Schwere, dumpfe Schritte, die sich näherten. Doch aus welcher Richtung kamen sie? Und vor allen Dingen von wem?

Halloween - Das Fest des GrauensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt