Jimin Pov
Das nächste, was ich wahrnahm, war das ohrenbetäubende Geräusch des Aufpralls, gefolgt von schrillen Schreien, welche mich aus allen Richtungen einzuholen schienen. Ungläubig schlug ich mir die Hände auf die Ohren und kniff meine Augen zu, um das alles nicht mehr ertragen zu müssen. Ich hatte ihn nicht umgebracht. Es war nicht meine Schuld. Ich hatte ihn nicht runtergestoßen. Es war keine Absicht. Ich wollte das nicht.
Verzweifelt versuchte ich, einen klaren Verstand zu bewahren, während mir etwas die Kehle zuschnürte und mich daran hinderte, ebenfalls laut zu schreien. Das war bestimmt nur ein Albtraum. Das alles war nur ein langer, nicht endender Albtraum. Ich konnte unmöglich einen Menschen umgebracht haben. Dazu noch ein Mensch, der mich vor dem Tod bewahrt hatte. Nein, das war nur ein schlechter Scherz. Natürlich war es nur ein schlechter Scherz.
Langsam entfernte ich meine Hände von den Ohren und öffnete meine Augen. Nervös lachend machte ich einen kleinen Schritt auf das Geländer zu, um nach unten sehen zu können. Sobald ich jedoch den schmerzhaft zugerichteten Körper sah, schlug ich sofort erneut meine Hand auf den Mund, um den aufkommenden Würgereiz zu unterdrücken. Die Art, wie er aufgekommen war, hatte dafür gesorgt, dass sein Genick gebrochen und sein Schädel zertrümmert waren. Eine nicht enden wollende Blutlache erstreckte sich bereits unter seinem Körper und färbte den Asphalt tiefrot.
Lange hielt ich es jedoch nicht aus, mich zurückhalten, denn im nächsten Moment drehte ich mich schon hektisch um und übergab mich auf das Dach der Schule. Dieser Anblick hatte sich in meine Augen gebrannt, in meinem Gedächtnis eingeschlossen und mein Herz qualvoll zerrissen. Ich hielt diesen erdrückenden Schmerz nicht aus. Alles wurde mir so schlagartig auf einmal klar, dass ich zu ersticken drohte.
Ich hatte jedoch gar keine Zeit, mich überhaupt erst zu sammeln, denn im nächsten Moment wurde schon das Dach der Schule mit einem lauten Knall aufgerissen. Ich hob meinen Kopf, um nachzusehen wer es war, doch diese Gelegenheit hatte ich ebenfalls nicht mehr, da ich bereits aggressiv gepackt und auf den Boden gedrückt wurde. Überrumpelt von dem plötzlichen zusätzlichen Druck auf meiner Brust, schlug ich panisch in alle Richtungen und erwischte dabei das Gesicht der Person die mich runterdrückte, welche daraufhin meine Handgelenke schmerzvoll verdrehte und mir damit einen schrillen Schrei entlockte.
Ich öffnete langsam meine aus Angst fest zugekniffenen Augen, schluckte jedoch schwer bei dem Anblick, der sich mir bot. Jungkook saß auf mir, das Gesicht schmerzverzerrt, wutverzerrt und voller Tränen, die unaufhaltsam stumm über sein Gesicht liefen. Bis er meine Handgelenke fallen ließ und begann, unter einem lauten Aufschrei auf mein Gesicht einzuprügeln. Ich ließ es über mich ergehen, denn wehren konnte ich mich sowieso nicht mehr mit meinem durch und durch schmerzenden Körper. Außerdem hatte ich es diesmal wohl wirklich verdient. Ich hatte seinen Freund umgebracht. Der mein Leben gerettet hatte.
Ich hörte die Schulglocke, die das Ende der Stunde ankündigte und schloss ergeben meine Augen. Alle Schüler strömten aus dem Gebäude, um sich alles ansehen zu können, was ich dank den entsetzten Aufschreien und den lauten Vorwürfen mitbekam. Sie alle verabscheuten mich nun noch mehr als sowieso schon. Ich konnte es sehr gut nachvollziehen, dennoch zog es mich irgendwie noch ein Stück mehr runter. Ich hatte wirklich so ziemlich alles ruiniert.
Mein Kopf drehte sich, meine Gedanken kreisten sich um sich selbst, mein Herz pochte immer schneller, mein Körper wurde immer tauber und mein Bewusstsein immer schwächer. Die Stimmen um mich herum wurden immer leiser, der Schmerz immer weniger und die Luft immer knapper, was wohl an Jungkooks Händen lag, die mittlerweile an meinem Hals lagen und so fest es ging zudrückten. Bis ich irgendwann den Willen verlor und alles um mich herum komplett schwarz wurde.
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Als ich wieder zu mir kam, nahm ich wirre leise Stimmen wahr, die mich aus allen Richtungen einhüllten. Mit aller Kraft versuchte ich, meine Augen zu öffnen, zumal ich auch nicht wusste, wo ich mich gerade befand und was gerade passiert war. Als ich mein Bewusstsein endlich wieder so gut wie möglich zurück hatte, blickte ich in das Gesicht meines Schuldirektors, welcher neben mir auf dem Boden kniete. Was zur Hölle?
"Was...?" krächzte ich, wurde jedoch direkt von einem starken Hustereiz unterbrochen.
"Halt einfach den Mund. Ich weiß, was du getan hast, trotzdem konnte ich es nicht verantworten, dass mein Enkel dich umbringt. Sei also einfach dankbar und verschwinde sofort von hier." Seine Stimme klang ruhig und bedrohlich, sie jagte mir einen eiskalten Schauer über den Rücken.
Ich hatte im ersten Moment wirklich fast vergessen, was überhaupt passiert war, doch jetzt erschienen die Bilder wieder kristallklar in meinem Kopf. Mein Körper versteifte sich aufs Stichwort und meine Gedanken überschlugen sich aufs Neue. Ich öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, wurde aber stattdessen grob nach oben gezogen und kurz gestützt, um nicht wieder hinzufallen.
Ich verstand die stumme Aufforderung natürlich und ließ es einfach sein. Es war wirklich das Beste, jetzt einfach zu gehen und es nicht weiter zu provozieren. Also riss ich mich zusammen und setzte unter Schmerzen langsam einen Fuß vor den anderen, um auch nicht wieder umzukippen. Verdammt, wie lange hatte mich Jungkook geschlagen, als ich bewusstlos war? Ich keuchte leise auf, als ich beinahe umknickte und mich gerade noch so an der Wand abstützte. Fuck.
Umständlich kämpfte ich eine Weile mit meinem eigenen Körper, um mich irgendwie wieder gerade auf die Beine zu kriegen, ohne dabei meine kaputten Handgelenke benutzen zu müssen. Wieso war dieser Junge nur so stark? Als es mir unter zusammengebissenen Zähnen dann auch endlich gelang, stützte ich mich den Weg zur Treppe runter mit dem Arm an der Wand ab, um nicht erneut das Gleichgewicht zu verlieren. Das war doch alles zum Kotzen und Heulen zugleich.
Da mir aber mehr als klar war, dass beides jetzt auch nichts mehr brachte, verdrängte ich diese Gefühle einfach in die hinterste Ecke meines Kopfes und beeilte mich nur noch, hier so schnell wie möglich herauszukommen. Um mich herum standen überall vereinzelt Schüler, die nach dem Vorfall Schulschluss bekommen hatten und mich mit großen, vorwurfsvollen Augen angewidert anschauten. Sie verfolgten jeden meiner Schritte stumm mit ihrem Blick und ich wusste genau, wäre der Direktor nicht in unmittelbarer Nähe gewesen, hätten mich einige von ihnen nur zu gerne erneut zusammengeschlagen.
Der morgige Tag graute mir bereits jetzt schon. Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte, um mich vor dem Hass meiner Mitschüler zu retten, die mich ab morgen sicher noch viel schlimmer zurichten würden. Ich wollte einfach nicht mehr. Ich konnte nicht mehr. Doch nachdem mir dieser Junge schon das Leben gerettet hatte, konnte ich es ihm wohl kaum verdanken, indem ich mich dann doch noch umbrachte. Vielleicht war ich einfach nur egoistisch oder dumm, doch ich nahm mir vor, für ihn weiterzuleben. Auch wenn mich jeder dafür verabscheuen würde.
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Tut mir leid, dass wieder eine Woche nichts kam. Ich hab in meinem persönlichen Buch erklärt, woran das liegt, falls es euch interessiert.
Ich werde übrigens die feste Upload-Zeit ändern:
Einmal in der Woche, Sonntag.
Ich habe mit der Schule zu viel zu tun und kann somit nur Samstag schreiben, deswegen kommt jetzt nur jeden Sonntag ein neues Kapitel.
Ich hoffe das ist okay.
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School of Tears • Nammin/Minjoon • [Pausiert]
RomanceDie Hölle auf Erden. Für Jimin ist dies die Schule. Es vergeht kein Tag, an dem er nicht brutal schikaniert oder bedroht wird und er ist dabei komplett alleine. Namjoon, der neu an die Schule kommt, ist jedoch der Erste, der dabei nicht einfach mit...