Schwarzer Tee, graue Asche

16 2 0
                                    

Die Sonne schien gerade noch fahl.

Rosa versuchte sich zu konzentrieren, es lagen mehrere Bücher, Hefte, Ordner und Zettel vor ihr auf ihrem Schreibtisch. Doch eigentlich blickte sie bloß aus dem Fenster, dachte nach und hatte einen unglaublichen Kater. Draußen regnete es, ganz fein. Die grauen Wolken hatten bereits den ganzen Morgen am Himmel gehangen, schwer verdeckten sie die Sonne. Rosa trank einen weiteren Schluck, fast kalten, schwarzen Tee aus ihrer Tasse. Sie musste wach werden, um wenigstens ein bisschen zu lernen. Irgendwann hatte die Schmerztablette begonnen zu wirken, und Rosa widmete sich eine Weile den Arbeitsblättern und Texten. Bis ihre Tintenpatrone leer wurde, da stand sie auf. Als sie in ihrem Rucksack kramte, fiel ihr die angebrochene Schachtel Zigaretten, die neben ihren alten Turnschuhen lag, auf. Die musste sie Jonas weg genommen haben, gestern Abend, als er es nicht bemerkt hatte. Sie mochte es nicht, dass er auf Partys rauchte. Sie küsste ihn nicht, wenn er auf Partys rauchte. Sie blieb nicht an seiner Seite, wenn er auf Partys rauchte. Sie sah ihn nicht an, wenn er auf Partys rauchte. Sie hasste es, dass Jonas auf Partys rauchte. Die Packung lag schnell in Rosas Mülleimer. Aus den Augen, aus dem Sinn.

Es wurde Mittag, Rosa stand in der Küche und machte sich etwas zu essen. Sie konnte nicht besonders gut kochen, das hatte ihr nie jemand gezeigt, und Geld für Kochbücher ausgeben wollte sie auch nicht. Draußen regnete es nicht mehr, es fanden sogar ein paar Sonnenstrahlen ihren Weg durch die feinen Wolken. Rosa sah ab und zu aus dem Fenster, während die Nudeln kochten. Eigentlich war nie viel in der Straße los, in den meisten Häusern lebten Rentner, die sich nur zum Einkaufen außerhalb ihres Hauses blicken ließen. In den meisten Häusern lebte nur eine Familie, Rosa wohnte in einem der wenigen Mehrfamilienhäuser. Gerade fuhr ein Transporter in die Straße, es war eigentlich viel zu wenig Platz dafür. Niemand hier fuhr so einen Wagen, was wollte er hier? Rosa sah, wie eine Frau mittleren Alters, ein Mann im selben Alter und ein Mädchen ausstiegen. Was wollten sie hier? Der Kofferraum wurde geöffnet, es befanden sich etliche Kartons darin, Umzugskartons. Rosa hätte die Familie bestimmt noch länger beim Einräumen beobachtet, doch sie schreckte auf. Ein zischendes Geräusch. "Mist,", sie drehte sich zum Herd, "die Nudeln..." Auf der Fensterbank stand noch eine Tasse, eine Tasse schwarzer Tee. Bis zum Morgengrauen.

Ich sehe den Tatsachen ins Auge: ihre Augen sind blau.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt