Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als ich eine himmlische Stimme hörte: „ Bitte bleib bei mir. Du darfst nicht gehen. Bitte, ich liebe dich doch“ Da erkannte ich, dass es die Stimme von Günter war. Er liebte mich. Mein Herz machte einen Satz. Als ich hörte, wie er schluchzte, öffnete ich vorsichtig die Augen. Ich lag in einem Raum, den ich kannte, aber ich wusste nicht woher. Beim Blick auf das Fenster ging mir ein Licht auf. Ich war bei Günter zu Hause und lag in seinem Bett. Er saß in seinem Schreibtisch-Stuhl mit dem Gesicht zu mir und hatte den Kopf gesenkt. „ Günter?“ Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Er hob den Kopf und ich sah in seine geröteten Augen. Er stand auf und trat ans Bett. „ W-Was mache ich hier?“ ich blickte ihm noch immer tief in die Augen. Er antwortete nicht, sondern setzte sich auf die Bettkante und schob seine Hand unter meinen Kopf. Ich konnte den Blick nicht von seinen Augen nehmen. Sie waren, trotz roter Ränder, wunderschön. Er hob meinen Kopf langsam an und näherte sich gleichzeitig. Ich hielt die Luft an, so wunderbar war dieser Moment. Als sich unsere Lippen trafen, wusste ich, dass ich nie aufhören würde, ihn zu lieben. Während wir uns küssten, ging die Tür auf und Herr Baum, Anna und unsere Mütter standen dort. Als wir sie sahen, lösten wir uns voneinander und Günter stand auf. Da lag ich also, bei meinem Schwarm im Bett, hatte ihn gerade geküsst und das vor den Augen meiner Mutter, seiner Mutter, meiner besten Freundin und meinem Lehrer. Ich sank zurück in das weiche Kissen. „Wie bin ich hier her gekommen?“ fragte ich in die bedrückende Stille. Da schienen alle aus ihrer Lethargie zu erwachen; Günter setzte sich wieder auf die Bettkante, Herr Baum nahm den Schreibtischstuhl, während die Mütter und Anna stehen blieben. „ Also, nachdem wir dich in den Sanitäter-Raum gebracht haben, habe ich Robert angerufen, damit er mit seinem Team kommt.“ Günter war der erste der sprach. Robert war sein Onkel und Notarzt. „ Nur eine Minute nachdem du das Bewusstsein verloren hast, war er da.“ Setzte Herr Baum fort. „ Er nähte die Schnitte in deinem Gesicht und brachte uns ins Krankenhaus.“ Erzählte Anna mir. „ Dort haben sie dein Bein operiert, es hat fast 5 Stunden gedauert.“ Setzte Günter fort. „ Aber, wenn es so lange gedauert hat, wie viel Uhr haben wir denn?“ fragte ich. Beim Blick aus dem Fenster hatte ich Sonnenschein gesehen. „ Es ist halb 10 morgens, das war alles gestern.“ Sagte Herr Baum mir, und grinste, er fand es schon immer lustig, dass ich überhaupt kein Zeitgefühl hatte. Da wurde mir klar, dass ich bei meinem Schwarm im Bett lag, nicht wusste ob ich etwas anhatte und dem Hungertod nahe war. „ Äh, Leute?“ ich merkte, wie fremd meine Stimme klang. Alle blickten mich an und Iwonna, Günter Mutter, die mich immer wie ihr eigenes Kind behandelt hatte, wusste sofort, was ich brauchte. „ Ich geh mal nach unten und mache dir Pfannkuchen mit Marzipan.“ „ Danke.“ „Ich helfe dir…“ stimmte meine Mutter zu. Damit verschwanden sie aus dem Zimmer und ich war mit Günter, Anna und Herr Baum allein. „ Was- was ist eigentlich mit Regina passiert?“ meine Stimme wurde schwach und mir kamen die Tränen. Ich senkte den Kopf und wollte mein Gesicht in der Decke vergraben. Doch Günter verhinderte dies, indem er mich in die Arme schloss und mir sanft über den Kopf streichelte. „ Also, nachdem sie von den anderen an den Stuhl gefesselt worden war, haben sie die Polizei gerufen und die haben sie mitgenommen.“ Die Worte kamen von Anna, welche sich jetzt erhob und aus der Tür ging. Da lag ich nun, sah mich um und sah ein Schachbrett. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, als mich die Erinnerung einholte, wie Günter mir damals das Schach spielen beigebracht hatte. Als ich in das fragende Gesicht von Herr Baum sah, erklärte ich:“ Bei dem Schachbrett musste ich daran denken, wie Günter es mir beigebracht hat. Das war vor 4 Jahren.“ „ Kannst du es noch?“ fragte mein Lehrer mich. „ Ich weiß nicht, ich habe seitdem nur einmal gespielt…“