"Hast du Schmerzen?" eine quietschige Stimme, deren Gesicht ich nicht erkennen konnte, fragte mich viele Fragen, jedoch blieb nur diese eine in meinem Kopf. *Wieso Schmerzen?* In diesem Moment kam ein stechender Schmerz aus meinem rechten großen Zeh. Eine Antwort konnte ich nicht geben, da mir das sprechen komischerweise schwer fiel. "Lassen sie den armen Jungen doch in Ruhe Frau Lachnit. Er hat eine harte Zeit hinter sich." Die ruhige und leicht verrauchte Stimme hätte von einem Arzt sein können, wollte mich aber nicht fest legen. "Schlaf dich aus und morgen sehen wir weiter!" Diese ruhige Stimme verlegte meine Panik vor unbekanntem in den Hintergrund. Da ich nichts sehen konnte, kam meine Panik jedoch wieder zurück. "W-w-w-w-i-i-e-s-o-o..." weiter kam ich nicht, weil mich diese nervige und quietschige Stimme unterbrach. "Du schläfst dich jetzt erst mal ruhig aus und morgen sehen wir, ob wir deine Familie finden."
Nach einer schlaflosen Nacht, bei der ich immer nur an meine Familie dachte, kam jemand zu mir und brachte mir eine lecker duftende Suppe. "Hühnchensuppe! Ich hoffe du magst sie!" Ich nickte ihr zu konnte sie jedoch immer noch nicht sehen, obwohl ich mich so anstrengte. "Wieso seh ich nichts?" fragte ich mit panischer Stimme. "Tja das ist so,..." sie setzte sich auf mein Bett und strich mir über den Arm, wobei mir ganz warm wurde. "Es ist so, dass du dein Augenlicht verloren hast. Tut mir leid es muss ..." den Rest wollte ich nicht mehr hören. *Diese Frau da auf meinem Bett will mir gerade sagen, dass ich nie mehr wieder meinen Vater oder meine Familie, Bekannte oder Freunde sehen werde? Was fällt der denn ein?* Ich spürte wie mir viele warme Tränen die Backe runterflossen und dann auf meiner Brust endeten. "Ich lass dich jetzt mal in Ruhe. Wenn was ist dann schrei nach Frau Lachnit. Ich werde dir immer zuhören wenn du mal jemanden brauchst, der dir zuhören soll. "Lassen sie mich in Ruhe!!" mit einer wütenden Stimme, wie nicht einmal ich sie gekannt habe, verscheuchte ich diese lestige Fliege namens Lachnit.
Nach zwei Tagen durchweinen war mein Tränenanteil endgültig leer und ich wollte aufhören meinem alten Leben nach zu weinen. Ab jetzt begann ein neues Leben.
"Komm ich helf dir hoch." Als an meinem Arm zwei kalte Hände zogen, musste ich aufstehen und in einem Garten, den ich nicht sehen konnte, spazieren gehen. Die Vögel zwitscherten und nur am Klang konnte ich erkennen, dass ein Rotkehlchen genau über mir saß und ein Spatz auf einem Baum weiter weg sang. *Vielleicht war es ja doch nicht so schlimm nichts mehr zu sehen. Zumindest konnte ich ja ab jetzt den Klängen der Natur lauschen. "Dort oben, genau über uns sitzt ein Rotkehlchen, Frau Lachnit und dort drüben, so um die fünf Meter auf elf Uhr kann man einen Spatz singen hören. "Woher weißt du so viel?" Frau Lachnit war sichtlich erstaunt. "Mein Vater und ich waren oft auf der Jagd und so hörten wir viele Geräusche und Vogelgesänge. Traurig musste ich an meinen Vater denken, bei dem ich nicht mal wusste, ob er überhaupt weiß wo ich bin. "Ich hätte auch gerne so einen Vater gehabt. Kannst stolz auf deinen sein." etwas sehnsüchtig hörte sich Frau Lachnits Stimme an. "Was ist passiert?" fragte ich mit neugieriger Stimme. "Er viel vom Dach als er unser altes kleines Häuschen reparieren wollte. Er war sofort tot." mit mitfühlender Stimme fragte ich nach einer schweigsamen Minute: "Und deshalb sind sie Krankenschwester geworden? Damit sie vielen Menschen helfen können?" "Ja genau. Damit ich jemandem helfen kann, falls er vom Dach fällt." Wir beide lachten. "Komm lass uns wieder hoch gehen, es ist schon kalt. Im Zimmer angelangt kuschelte ich mich sofort in meine warme Decke und träumte von meiner Familie.
"Wo ist meine Familie? Sie haben mir noch nichts gesagt!" Mit erwartungsvoller Stimme forderte Ich Frau Lachnit auf, mir eine Antwort zu geben. "Ich kann dir alles erklären, doch jetzt hab ich keine Zeit. Tut mir leid. Es wurden wieder viele Kinder eingeliefert, die eine Versorgung benötigen. Ich komm am Abend noch mal und dann erzähl ich dir alles bis ins kleinste Detail. Versprochen!" *Was ist nur passiert? Liegen die etwa auch im Krankenhaus? Oder schlimmer? Sind sie tot? Anita ist doch noch so jung...* Bei diesen Gedanken konnte ich meine Tränen nicht zurück halten. Ich ließ sie einfach laufen. Frei, so wie ich nicht bin. Stattdessen bin ich eingeschlossen in einem Gebäude, in dem ich nichts sehen sondern nur hören kann. Wie in einem Gefängnis. Meine Tränen flossen und ich hatte nicht die Absicht, sie zu stoppen. "Wieso weinst du denn? Hast du schmerzen?" Diese Stimme kannte ich. Es war eine Vertraute, die ich jedoch niemandem zuordnen konnte. "Dümmling, mein kleiner friedlicher Friedrich. Beruhige dich. Kennst du mich eigentlich noch?" Diese Stimme, diese ruhige und warme Stimme kenn ich doch irgendwoher. "Entschuldigung aber ich kenn sie, kann sie jedoch nicht einordnen." sagte ich mit zitternder Stimme. "Tut mir leid ich hab mich noch nicht vorgestellt. Du kannst mich auch nicht mehr kennen, da wir uns schon seit über fünf Jahren nicht mehr gesehen haben. Ich bin deine Großmutter aus Stuttgart." "Oma Gertraud? Wirklich? Danke lieber Gott!"
Als ich diese freudige Nachricht ein bisschen aufgenommen hatte, machte ich mit ihr einen Spaziergang in dem Garten des Krankenhauses. "Es tut mir so leid für dich!" *Was meint sie damit?* mit zittriger Stimme fragte ich sie: "Was meinst du?" Ich dachte, dass jetzt so was wie "Es tut mir so leid, dass du dein Augenlicht verloren hast" oder "Tut mir leid dass du jetzt alleine im Hospital bist". Das schlimmste jedoch war, dass sie über meine Familie bescheid wusste und mir jetzt alles ausführlich erklärte.
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Tage verändern dich
RandomAchten die großen auch mal auf die, die sie unter sich haben? Diese Geschichte handelt von einem Jungen, der im ersten Weltkrieg sein Augenlicht verliert und sich Gedanken über seine Familie macht.