"Es war Donnerstag, der 28. Mai 1915. Du warst auf dem Nachhauseweg von der Schule und wolltest dir mit deinem selbstverdienten Geld ein Bonbon im Laden kaufen. Als du mit einem Karamellbonbon wieder raus kamst, bist du nach hause gehopst und nicht zu vergessen du warst glücklich und hast gepfeift. Zuhause angekommen bist du zu Anita, hast ihr bei den Hausarbeiten geholfen und bist dann an den Küchentisch, um deine Aufgaben zu machen. Als euch eure Mutter das Essen vor die Nase stellte, wart ihr erst mal geschockt. Es gab: Rindsroladen. Natürlich gibt's das nur an Geburtstagen oder Feiertagen, aber an diesem Tag kam ichzu euch und durfte mit euch essen. Nachdem wir die Rindsroladen runtergewürgt hatten (Waren total verbrannt und schmekten überhaupt nicht gut), gingen wir alle nach draußen, um die Kühe von der Weide zu holen. An diesem wolkenfreien Donnerstag gingen Sie natürlich nicht brav in den Stall und du musstest den Stock holen." Mit schluchzender Stimme befahl ich ihr, die Geschichte zu beenden und am darauffolgendem Tag weiter zu erzählen. "Ich kann dich verstehen mein kleiner Dümmling! Ruh dich aus und morgen erzähl ich weiter." Sie hatte so etwas merkwürdiges in der zarten Stimme. Ich konnte nicht beschreiben was, jedoch war es, als ob ein klitzekleiner Kratzer in der Märchenhaften Stimme währe.
Nach dem ich einen beunruhigenden Traum hatte, in dem ich mir ausmalte, was mit meiner Familie geschehen sein könnte, ging ich am nächsten Morgen mit dieser Dunkelheit vor den Augen eine sehr schmale Treppe hinab. "Was machst du denn Dümmling? Leg dich ins Bett! Ich hol dich schon wenn wir dich brauchen! Jetzt aber wieder unter die Decke!" Fräulein Lachnit kam anscheinend die Treppe herauf gestürmt, sodass sie mich beinahe umrannte. "Es tut mir schrecklich Leid Fräulein Lachnit, aber ich wollte hören, ob meine Großmutter schon wieder hier ist." entschuldigend ließ ich den Kopf leicht nach vorne neigen. "Nein, deine Großmutter ist noch nicht da! Und jetzt ab!"
"Hallo Kleiner. Hab gehört du suchest mich schon in aller Hergotsfrühe? Das ist aber lieb von dir." Meine Großmutter stand anscheinend neben meinem Bett. "Weißt du wann ich hier raus darf?" "Ja kleiner Dümmling! Morgen hol ich dich ab und dann wohnst du bei mir. Freust du dich?" Diese weiche und wunderbare Stimme schaffte es, mir ein lächeln aufzusetzen. Doch tief im Inneren wollte ich einfach nur nach Hause zu Anita und dem Rest der Familie. "Hast du was von Vater gehört?" Erwartungsvoll hörte ich ihr zu. "Ja hab ich." Eine Pause, die sehr schmerzvoll war, wurde eingelegt. "Er schreibt, dass er in einem Monat Urlaub hat und dann kommt, um euch zu besuchen." "Juhuuu. Das ist ja Fantastisch. Mutter wird sich freuen und Anita wird ihm vor Freude im den Hals fallen." In Gedanken malte ich mir das große Wiedersehen schon aus. Vater wird ein bisschen bräunlicher als er eh schon ist zurückkommen, da es dann gerade Sommer ist. Mutter wird einen ihrer fantastischen Kuchen backen und Vater einen rießen Schmatz auf den Mund geben. Wir Kinder tragen dann unser feinstes Sonntagsgewand, das jedoch keinen Fleck abbekommen darf, damit Mutti nicht die Mühe hat, es wieder zu waschen. Wie ich mich schon freue. Meine Gedanken wurden unterbrochen, als Großmutter seufzend aufstand und mir einen feuchten Kuss auf die Backe setzte. "Morgen hol ich dich um zehn. Schlaf dich aus und genese dich. Bis Morgen." Man konnte ihre alten Knochen hören, die sich ächzend aufrafften. "Bis Morgen und Gott beschütze dich Großmutter!"
Mittlerweile war es schon kurz nach Mittag und keiner hatte mich bisher besucht. *Kommt eighentlich noch jemand?? Seit einem Monat hatte ich meine Familie nicht mehr gesehen. Kommen sie überhaupt noch? Oder sind sie ... sind sie etwa Tot? Nein das konnte nicht sein. Die sind bestimmt zu Hause und haben keine Zeit, mich zu besuchen.* Laut schrie ich durch die Gänge des Hospitals "Frau Lachnit? Frau Laaachniit!!" - "Ja? Hast du einen Knall? Du kannst doch nicht durch das ganze Gebäude schreien und erwarten, dass ich gleich komme!? Du hattest Glück dass ich gerade in deiner Nähe war. Was ist denn los?" Ich überlegte, ob ich mich entschuldigen sollte aber es war mir eh egal, denn ab heute sollte ich sie nicht mehr sehen. "Wie lange muss ich denn noch bleiben? Nicht dass es hier nicht schön ist, (kann ja eh nichts sehen) sondern dass ich einfach hier weg möchte!" Anscheinend überlegte sie kurz, bevor sie mir eine Hand auf die Schulter legte und Antwortete: "Es ist nichts schlimmes. Deine Großmutter hat sich nur verspätet und kommt in einer Stunde. Ich pack dir deine Sachen zusammen und du ruhst dich noch kurz aus." Beruhigt lehnte ich mich in mein Kissen zurück und ruhte mich aus. Ich hörte wie Fräulein Lachnit meinen Pyjama aus dem Schrank und meine Schuhe neben dem Bett in eine Tasche packte, die vom Hospital bereit gestellt wurde. Nach langer Zeit, die ich verbracht hatte, mich auszuruhen, klopfte es leise an der Tür an und eine Frau mit knarzendem Gestell kam herein. "Großmutter! Schön, dass du endlich da bist!" - "Hallo mein kleiner! Abgehts nach Hause"
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Tage verändern dich
De TodoAchten die großen auch mal auf die, die sie unter sich haben? Diese Geschichte handelt von einem Jungen, der im ersten Weltkrieg sein Augenlicht verliert und sich Gedanken über seine Familie macht.