Kapitel 4

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~Gwen's Sicht~

"Hallöchen Süße", begrüßte mich meine beste Freundin Leslie. Mum hatte ihr erlaubt heute bei mir zu übernachten, was Leslie ganz recht kam. Diese meinte nämlich, dass sie mich morgen keine Sekunde aus den Augen lassen wird. Xemerius ist nochmal zu Charlotte geflogen, aber sie hatte immernoch Freundenstänzchen veranstaltet. Xemerius selber habe ich vor kurzem in einer Kirche kennengelernt. Mum wollte mir zeigen wo Lucy und Paul wohnen, also in der Vergangenheit. Anschließend bestand Leslie darauf, für mich einen Unterschlupf zu finden in dem ich problemlos durch die Zeit reisen könnte. Dieser Unterschlupf zeigte sich dann als eine Kirche in Belgravia, fast um die Ecke des Hauses von Paul und Lucy. In dieser Kirche traf ich auf meinen Wasserspeierfreund, den ich vor der Langeweile rettete. Er war sehr begeistert gewesen, endlich mit jemandem reden zu können und auch dass er wieder lesen könne. Dies war unser Deal, er spioniert in der Loge und ich blätter ihm Buchseiten, irgendeines Alten Schinkens um. Aber neuerdings lauschte er freiwillig. Er meinte es sei amüsant diese Hektik zu beobachten, mit seinem Standardsatz zur Erläuterung: "Ein Wächter muss tun, was ein Wächter tun muss." Und dabei läuft er immer wie ein Oberoffizier durch mein Zimmer, als würde er schauen ob auch alle schön salutieren. Als Vergleich mit der Loge wäre dies nicht ganz abwegig, aber dafür ist Xemerius nicht ganz so schlau. Das 'um die Ecke decken' war ihm schon (ich zitiere) seit Anbeginn unbehaglich.

Kontrolliert werde ich mit dem Chronographen der Loge reisen können, aber als mir Mum den Chronographen zeigte mit dem Lucy und Paul in die Vergangenheit gereist sind und mir hinterlassen haben, beschlossen wir, dass ich heimliche Abstecher ins Jahr 1912 -ihre Basiszeit-  machen würde. Dort könnte ich die beiden besuchen und würde mit einem Haufen Informationen zurück kommen. Außerdem könnte es noch lange dauern bis die Wächter deren Basiszeit gefunden haben, sodass ich die beiden offiziell besuchen könnte, und so lange wollte ich nicht warten.

"Und du weißt noch ganz sicher was du alles zu tun hast?" fragte mich Leslie kaum als sie einen Schritt durch die Tür war. "Hallo erstmal. Und ja, ... wie könnte ich das vergessen", ich zog sie in eine Umarmung und seufzte. Mir behagte meine Mission nicht ganz. Klar, ich wurde ausgebildet und ich fühle mich schon lange bereit, aber ich habe dabei ein unwohles Gefühl in meiner Magengegend. "So oft wie du es mir erzählst", fuhr ich fort und sie sah mich abwartend an sodass ich erläuterte, "Wenn ich springe ob morgen oder erst später, muss ich verängstlich und dumm wirken. Aber in Wirklichkeit besuche ich regelmäßig Lucy und Paul und versuche ihre Absichten hier weiterzuführen." "Glaubst du es wird morgen schon passieren", fragte sie mich. Das war eine gute Frage. Einerseits möchte ich morgen schon meinen Initiationssprung, damit ich alles schneller hinter mir habe und Paul und Lucy kennenlernen. Andererseits will ich noch etwas Freizeit haben, welche ich, falls ich schon morgen springe, nicht mehr viel haben werde. "Ich weiß nicht. Und ich bin auch ziemlich unschlüssig ob ich es schon will." Ich seufzte ein weiteres Mal, "jeden Tag muss ich mindestens weitere vier Stunden für diese Sache opfern um zu elapsieren. Und dazu auch noch mit diesem Lackaffen." Derweil saß ich auf meinem Bett und habe die letzten Worte mehr in mein Kissen, welches ich zwischen meinen angezogenen Beinen und meinem Oberkörper platziert hatte, gemurmelt als sie vernünftig auszusprechen. Denn wenn Leslie dies hört beginnen ihre Schauspielkünste zu glänzen, die sie im Theater gelernt hatte. Wobei ich mir garnicht sicher bin ob sie noch schwindelt wenn sie wieder von Gideon schwärmt.  Zwar nicht so stark wie Charlotte, aber dennoch ist es schwärmen. Und meine Befürchtungen bestätigten sich: Leslie hatte jedes meiner Worte gehört, "Ich weiß überhaupt nicht was du gegen ihn hast" während sie dies sagte ließ sie sich rückwärts auf mein Bett fallen und schaute verträumt an die Vorhänge meines Himmelbettes, die die Decke meines Zimmers verdeckte. "Dieser muskulöser Körper und die schönen grünen Augen die so infensiv strahlen und in denen du drohst zu versinken, wie die Titanic auf den Grund des Meeres wenn..." ich unterbrach sie bevor es noch schlimmer würde. "Er ist ein arroganter Schnösel und meint er sei der perfektste und kann alles besser. Ich habe noch niemanden getroffen, der so eingebildet und selbstverliebt ist wie er", Leslie murrte vor sich ein "Charlotte" hin, wobei sie auch, wie so häufig, Recht behielt. "Genau. Aber eben genau das ist der..." jetzt war es an Leslie mich zu unterbrechen und sie leierte es gelangweit runter als hätte sie es schon tausendmal gehört, "...der Punkt warum du außer mit Charlotte, jeglichen Kontakt brechen wolltest und falls dir dieses Unterfangen mal misslingt, ihm giftige Blicke zuwirfst." Ich hatte ihr wohl schon oft meine Meinung zu den Logen-Schoßhünden eröffnet. "Du hast es erfasst", vermittelte ich ihr wahrheitsgemäß. Leslie mochte es außerdem nicht, wenn man ihr wiedersprach. " Aber egal, du hast mich unterbrochen. Wo war ich stehen geblieben?...Ah ja, stimmt!" sie schnipste mit ihrem Finger in der Luft und begann mich weiter zu nerven, denn sie wusste genau dass ich ihn hasste. "Hach, einfach hinreißend. Und nicht nur sein Abbild ist göttlich, er selber auch. Er kann alles!..." Oh je, jetzt kann es noch eine Weile dauern, denn es stimmt. Gideon kann wirklich viel, schließlich wurde auch er auf die Zeitreisen vorbereitet. Um Leslies Vortrag zu unterbrechen und ihre zahlreichen verliebten Seufzer zu stoppen, musste ich jetzt selber mitspielen. "Ja Mylady, dort ist höchste Achtung geboten. Nun, was haltet Ihr für einen kurzen Einblick in die Titanic, natürlich nur wenn Ihr Euch d..." weiter kam ich nicht, denn Leslie ist schon aufgesprungen und hat sich dabei fast ihren Kopf an einem Balken meines Bettes angeschlagen. Titanic war ihr Lieblingsfilm und da sie dieses Beispiel mit dem versinken in Gideons Augen gesagt hatte, musste ich diese Gelegenheit -die sich mir selten bot- sofort nutzen. "Na los! Worauf wartest du? Willst du mich etwa auf die Folter spannen? Los!" Ja das war wieder meine Leslie. In Rekordgeschwindigkeit raste ich die Treppe runter in die Küche und kam bewaffnet mit einem Schokoeis aus dem Kühlfach und zwei Löffeln, wieder im Nähzimmer an. Unten bin ich Gott sei Dank niemandem begegnet. Dafür warteten sie zu sehnlichst und hoffnungslos auf Charlottes Schwindelgefühle. Zu 'sie' gehörten die Wächter, Glenda, Lady Arista und natürlich Charlotte selbst. Ich glaube insgeheim hofft auch meine Mutter darauf, da sie mir nicht nur die ganze Verantwortung zumuten sondern insbesondere nicht den Gefahren ausliefern will. Außerdem hatte sie immer gewollt, dass ich eine normale und unbeschwerte Kindheit haben kann und ebenso mein folgendes Leben. Aber sie weiß auch, dass falls Charlotte das Gen haben sollte, Lucy und Paul um sonst in die Vergangenheit gereist sind und irgendetwas schlimmes passieren wird. Denn Charlotte und Mr.-Ach-ich-bin-so-toll würden niemals den beiden vertrauen, mit ihnen arbeiten, geschweide denn die Loge hintergehen- eine Gemeinschaft die schon seid Jahrhunderten in ihrer Familie steht und der sie blind vertrauen. Ob dies nun am Ende gut oder schlecht ist werde ich noch herausbekommen.

Auf einmal war es anders (Rubinrot-FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt