1. Kapitel: Ayo

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"Kommen Sie?" Der schon wieder.
"Habe ich Sie nicht ausdrücklich
gebeten, mich in Ruhe zu lassen?" "Ihre Mutter besteht darauf." Manchmal hätte ich gut Lust ihm einfach einmal ins Gesicht zu sagen das mir das egal ist. Aber das kann ich natürlich nicht. Was ich dann von Mutter zu hören bekommen würde wage ich mir nicht einmal auszumalen!
Also stand ich auf, strich mein Kleid glatt, und rief meinem persönlichem Butler und hauseigenem Babysitter zu das ich mich auf den Weg machte. Dann schritt ich die Treppen herunter, trödelte absichtlich ein wenig, um, obwohl ich wusste das ich mich kindisch benahm, die Abreise noch ein bisschen heraus zu zögern.

Mit einem kleinen Seufzer raffte ich mein Kleid und schlüpfte aus meinem bequemen und warmen Hausschuhen und in das Paar von meinen Ausgehschuhen die bereitgestellt wurden, natürlich farblich auf meine restliche Kleidung bestehend aus einem hellgelben Kleid und einer dunkelroten Strickjacke abgestimmt.

Schmuck trug ich bis auf eine Perlenkette, die ich zu meinem 16ten Geburtstag bekommen hatte, keinen, da Mutter mir schon von klein auf immer eingetrichtert hatte, dass Menschen die viel Schmuck tragen, meistens gar nicht so viel Geld besitzen.

Der Schmuck ist dann eine Fälschung der sie, dass denken sie, so aussehen lässt als wären sie reich. Doch echte Damen brauchen nicht viel Schmuck um zum Ausdruck zu bringen das sie reich sind. Da reicht Qualitätsschmuck und schöne Stoffe.

So habe ich seit meinem 13ten Lebensjahr, gezeigt bekommen wie man echten Schmuck wie Edelsteine, Perlen oder Geschmeide von Fälschungen unterscheidet. Auch sagt meine Mutter das unsere Familie sowieso nicht durch viel Schmuck beweisen muss Geld zu besitzen, die Leute wissen auch so wer wir sind.

Mein Butler wartete geduldig während ich angekleidet wurde und bot mir dann seinen Arm an. Bei jedem anderem Bediensteten wäre das unschicklich gewesen doch Josef kannte ich schon mein ganzes Leben und als mein persönlicher Butler hatte er eine hohe Stellung inne.

So hakte ich mich bei ihm ein, und gemeinsam schritten wir zu der schon bereit stehenden Kutsche. Ich genoss den leichten Regen auf meinem Gesicht, die kleinen Tropfen, die wie kleine Eissplitter auf mein Gesicht fielen ließen mich lebendig fühlen, versicherten mir das ich lebendig war. Josef sprang in die Kutsche, die wir enttäuschen erreicht hatten und half mir dann herein.

Wir besaßen natürlich auch ein Automobil, doch ich mochte die Kutsche einfach lieber. Auto's, wie sie seid neustem abkürzend genannt wurden, waren laut und stanken.

Mich amüsierte der Gedanke was Josef gesagt hätte wenn ich diesen Gedanken laut ausgesprochen hätte. Er wäre sicherlich empört gewesen.

Erheitert schob ich die Vorhänge, die das Fenster der Kutsche verdeckten zurück, und genoss den Ausblick auf die vorbeiziehende Umgebung. Unser Anwesen lag am Rande unseres Dorfes, sodass es eine Weile dauerte bis wir am Marktplatz, dem Zentrum der Stadt Einigen, einer der größten im Umkreis von 50 Meilen, angekommen waren. Unter der Woche boten die Händler dort immer Gemüse und Obst an, seltener auch Blumen und Backwerk, hauptsächlich Süßigkeiten.

Doch am Wochenende schlugen die Schneider, Schuster und Stoffhändler ihre Stände auf, und an besonderen Anlässen wie in diesem Fall dem Ball von Fürst Leinard von Tupfingen, erlaubte Mutter mir persönlich ein Kleid aussuchen zu gehen. An weniger wichtigen Anlässen schickte sie einen Bediensteten.

Es ist nicht so das wir keinen eigenen Schneider hatten, doch die neusten Kleider und schönsten Stoffe gab es immer noch auf dem Markt.

Normalerweise freute ich mich immer auf diesen Ausflug in die Stadt, er bot eine willkommene Abwechslung, doch dieses Mal hatte ich keine Lust dazu gehabt, aus dem einfachem Grund, dass ich Leinard nicht besonders mochte. Nicht das ich ihm das je ins Gesicht gesagt hätte, doch ich fand er war ein aufgeblasener Angeber und schamloser Verführer. Seine Eltern waren relativ reich und das nutzte er schamlos aus. Er machte Mädchen Geschenke und umwarb sie, bis sie ihm ihr Herz schenkten, in der Annahme es wäre ihm ernst. Dann ignorierte er sie plötzlich und wandte sich der nächsten zu.

Es verblüffte mich immer wieder das sie ihm aufs neue Glauben schenkten. Mich hatte er auch schon oft versucht zu beeindrucken, doch er konnte es sich nicht leisten es sich mit mir zu verscherzen, da meine Familie einflussreicher war als die seine. So versuchte er nicht mich zu verführen.

Josef riss mich aus meinen Tagträumen, indem er mir seine Hand reichte, um mir aus der Kutsche zu helfen. Ich hatte gar nicht bemerkt das er schon ausgestiegen war. Zuerst hatte ich überhaupt keine Lust auszusteigen doch mein Unmut verflog sofort als ich draußen war und die verschiedenen Eindrücke des Marktes auf mich einstürzten.

Auf dem Markt herrschte wie immer ein gesittetes Durcheinander. Damen in Röcken und Kleidern sowie Herren in Anzügen liefen an den Ständen vorbei und schauten sich interessiert die Auslagen an. Andere versuchten noch ein wenig den Preis herunter zu handeln oder unterhielten sich mit den Händlern über die Qualität eines bestimmten Stoffes. Wieder andere standen einfach in kleinen Gruppen zusammen und unterhielten sich über die neuste Mode, während ihre Dienstboten mit den Einkäufen hinter ihnen standen und darauf warteten ihren Herrn zu helfen.

Das gewöhnliche Volk war natürlich nicht anwesend, es hatte seine Kleidung morgens zu kaufen bevor die seriösen Händler kamen und es Kleidung ihrer Preisklasse entsprechend gab. Jetzt passten Polizisten auf das sie uns nicht belästigten.

Ich lenkte mein Augenmerk wieder auf die Waren. Ich musste erst eine Weile suchen bis ich einen Stand fand dessen Kleider mir gefielen. Im Gegensatz zu den meisten anderen wollte ich nicht immer nur die neuste Mode tragen, sondern auch etwas das mir wirklich gefiel.

Die Verkäuferin, der dieser Stand anscheinend gehörte war schon etwas älter. Ich schätzte sie auf etwa 45. "Kann ich etwas für sie tun?" fragte sie freundlich. "Ich schaue noch, danke" antwortete ich, während ich meinen Blick über die Auswahl schweifen lies. Mir fiel ein Kleid auf, dass aus rotem Samt genäht wurde. Es war relativ früh tailliert, doch eine Spitze führte von dort bis sicherlich dem Bauchnabel. Über die Schulter war eine festgenähte Jacke die bis etwas über dem Ellenbogen endete. Dann war es noch am Dekolletee mit Goldfäden bestickt. Doch mit kritischem Blick bemerkte ich das dasselbe ziemlich weit ausgeschnitten war.

Trotzdem, der Rest war wunderschön. Ich bedeutete Josef der Händlerin das nötige Geld zu geben, der es dann vorsichtig einem Dienstboten mit den Worten gefälligst vorsichtig damit umzugehen übergab.

Passend zum Kleid fand ich noch eine schöne Kette mit kleinen Rosen aus Rubin und Schuhe die ein wenig heller waren als das Kleid, ansonsten recht schlicht.

Erst dann war Josef zufrieden und wir konnten nach Hause fahren. Dort angekommen gab ich unserer Schneiderin das Kleid zum Umnähen und ging dann in in die obere Etage in mein Zimmer, wo ich mich auf mein Sofa setzte und in meinem Buch weiterlas, bis ich zum Abendessen gerufen wurde.

Danach hatte ich noch eine Stunde Unterricht mit Mr. Bertel in gutem Benehmen, nach der ich gleich Vater und Mutter Gute Nacht sagte und dann nach dem Umkleiden ins Bett ging. Selbst im Traum verfolgten mich Mr. Bertels Anweisungen.

SchattenjägerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt