4.Kapitel: Schattenjägerin

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Ich hockte, den Oberkörper aufgerichtet und in die Dämmerung schauend, auf der kleinen Mauer die den herrschaftlichen Gutshof umgab, und genoss den Wind der mir ins Gesicht wehte. Er fühlte sich durch den Schweiß viel kälter an als normalerweise, doch trotzdem, oder genau deswegen, kühlte er angenehm. Es brannten keine Lichter mehr in dem Gebäude, dass wäre auch seltsam gewesen, denn es war lang nach der Zeit, in der der Mond am höchsten am Himmel zu sehen war. Ich lächelte grimmig, als ich an den Gutsherrn dachte. Wie erbärmlich er um Gnade gefleht hatte. Nicht besser als all die anderen. Ich nahm noch einmal einen tiefen Zug der klaren Nachtluft. Ich mochte die Nacht. Viel lieber als den Tag, der alle Einzelheiten hervorhob, preisgab jedem der sie sehen wollte. Der Tag war gefüllt von Leben. Lärm. Beim Tag kamen sie alle aus ihren Löchern gekrochen, nicht besser als das Ungeziefer das in den dunklen Tunneln und Schächten der Kanäle hauste. Eine Spur von Dreck, Müll ließen sie hinter sich zurück. Diese reichen, fetten Ratten. Das war das Einzigste das von ihnen zurückbleiben würde. Müll und Dreck. Sie waren durch den langen 'Frieden' träge und fett geworden. Höchste Zeit das man sie wieder aufrüttelte, ihnen zeigte was die Nacht verborgen hielt. Hass und Grauen. Oh ja. Sie würden überrollt werden, daran ersticken, wie sie schon längst an ihrem Reichtum hätten ersticken sollen. Büßen würden sie. Durch mich. Und die Nacht war auf meiner Seite.

Nunja es war weder der richtige Ort, noch der richtige Zeitpunkt um in Fantasien zu schwelgen. Lautlos sprang ich von der Mauer. Die Schattenjägerin hatte ihre Arbeit für diese Nacht getan. Doch es gab noch so viel zu tun. So viel...

Geduckt huschte ich davon. Ein Beobachter würde nur einen Schatten sehen, nur einen weiteren Schatten in dieser sternenklaren Nacht. Kurz erfüllte mich Stolz über meine Künste, Früchte jahrerlanger Arbeit. Doch dieses Gefühl wurde schon bald gefunden und niedergedrückt. Ein wenig unwirsch schüttelte ich den Kopf. Die Nacht hatte mir meine Fähigkeiten gegeben, damit ich ihre Kinder rächen konnte. Eine Leihgabe so flüchtig wie ein rascher Windstoß. Nicht zu fassen, nur ein Leben lang. Und deshalb würde ich immer für sie kämpfen. Mich hatte sie ausgesucht, mich, in mich Vertrauen gesetzt, dass ich nicht vorhatte zu enttäuschen. Kurz schob sich ein Gesicht in meine Gedanken, überwand alle Barrieren die ich in all der Zeit angelegt hatte. Doch bevor ich es fassen konnte war es schon wieder verschwunden. Nur kurz deswegen irritiert fing ich mich gleich wieder und spähte vorsichtig hinter der Ecke der Mauer hervor an der ich nun angelangt war. Keiner zu sehen. Pff, dieser Abschaum verliess sich viel zu sehr auf die paar Wachen die er vor seiner Tür postiert hatte. Nur zwei Wachen patroullierten auf der Mauer, und wenn man sie eine Weile beobachtete konnte man leicht herausfinden wann sie immer ihren Rundgang machten.

Ich rannte los und die Nacht schlug treu ihren Mantel um mich. Ich rannte weil es ein Ziel gab. Ich rannte weil es meine Aufgabe war dieses Ziel zu erreichen. Und je schneller ich mich fortbewegte, desto schneller würde ich das schaffen.

SchattenjägerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt