5. Kapitel: Toem

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Meine Hand hielt den Griff des Messers fest umklammert und ließ seine Scheide mit gleichmäßigen Bewegungen über das Holz fahren. Der Rhythmus war beständig und ruhig. Diese Bewegung hatte ich schon lange verinnerlicht, ich brauchte fast nicht über mein Handeln nachzudenken. Was aus Langeweile begonnen wurde, war nun längst schon zu einen beständigem Teil meines Lebens geworden. Das Schnitzen beruhigte mich, hatte es schon immer getan. Ich spürte wie sich meine Muskeln langsam entspannten und meine Wut verschwand. Konzentrier dich nur auf die Arbeit. Denk an nichts. Bis die Melodie des Holzes erklingt. Bis sich langsam die Noten ineinander verweben, die rohen Klänge langsam in ein vollendetes Stück übergehen. Bis es ein Lied singt, für die empfänglich die zuhören. Jedes Holz war einzigartig. In seiner Maserung und Beschaffenheit anders, und jedes Holz sagte mir was es werden wollte.

Ich brauchte es nur anzusehen und ich erkannte seinen wahren Kern. Das was es wirklich war. Das war meine Begabung, das- "Toemon! Wo steckt dieses verflixte-" "Beruhige dich Paol! Komm setz dich erst einmal hin und atme tief durch. Wir können doch noch einmal darüber sprechen!" Die Stimme meiner Mutter hing ein Hauch Verzweiflung an, und ihre Stimme wurde gegen Ende ihrer kleinen Rede immer höher und piepsiger. Wie immer wenn sie sich über etwas aufregte. Was in letzter Zeit leider immer häufiger passierte. Wegen mir. Es musste auch wirklich nicht einfach sein, einen Sohn wie mich zu haben, doch sie ging erheblich besser damit um als mein Vater. Der gerade einmal wieder total wütend auf mich zu gestapft kam. Meine Bewegungen wurden schneller, hektischer und ich spürte wie sich mein Atem verkürzte bis ich in schnellen harten Stößen die Luft durch meinen Mund in meine Atemhöhlen zog. Nein! Lass nicht zu das er solche Macht über dich hat! Ich zwang meinen Atem gleichmäßiger zu werden und meine Aufmerksamkeit wieder auf das Holz. Verdammt. Ich stieß einen tiefen Seufzer aus als ich sah was meine Wut angerichtet hatte. Ein tiefer Schnitzer zog sich wie eine Wunde über das ansonsten Makellose Holz. Nichts mehr zu retten. Oder warte... Konzentriert starrte ich auf das Holz, versank noch einmal darin und langsam bildete sich ein neues Bild in meinem Kopf. Ja, so musste es gehen. Erleichtert ließ ich das Messer wieder über das Holz gleiten. Es wäre Verschwendung gewesen es wegzuwerfen. Die Sonne die die ganze Zeit auf mein Gesicht geschienen hatte, war plötzlich verschwunden. Ein Schatten hatte sich vor sie geschoben. Unwillig, da ich genau wusste wer da so dicht vor mir stand das ich den Schweiß und das teure Parfum riechen konnte, hob ich den Kopf. Und sah genau in die hellen Augen von meinem Vater. Sie boten einen starken Kontrast zu der dunklen Gesichtsfarbe die das Gesicht meines Vaters vor Wut angenommen hatte. Ich würde es vielleicht sogar ziemlich interessant finden, wenn ich nicht genau wüsste Grund dafür zu sein. Es war nicht das erste Mal das ich in einer Situation war, nein, weiß Gott, hatte ich diese in letzter Zeit schon zu Genüge kennen gelernt. Wir stritten uns, weil ich nicht den Betrieb meines Vaters übernahmen wollte. Naja streiten ist eigentlich zu viel gesagt. Zuerst redeten wir, er steigerte sich dann immer mehr rein, bis er mich schließlich anbrüllte. Dann beklagte er sich, immer noch schreiend, warum ich nicht so sein könne wie all die anderen Jungs und überhaupt über alles, was dann die Zeit für mich war abzuhauen. Wenn er sich schon richtig reingesteigert hatte, dauerte es, wenn ich Glück hatte, noch ein wenig bis er bemerkte das ich weg war. Ich ging immer zu dem einzigen Ort wo ich mich gut fühlte, das Gefühl hatte, dahin zu gehören: den eigentlichen Grund unserer Streite, in den Wald, mit meinem Messer und Holz. Das Leder des Griffes fühlte sich schon abgegriffen an, von den langen Tagen in den ich es schon in der Hand gehalten hatte, als einen Anker auf einem wackeligen Floß im großen Meer. Auf dem sich gerade ein Sturm zusammenbraute. Ich seufzte leise, dann legte ich das Messer und das halbbearbeitete Holz auf die Seite legte meine Hände zusammen und zählte langsam bis acht. Als ich die letzte Zahl gedacht hatte fing er an loszubrüllen. Meine Hände verkrampften sich, doch ansonsten zwang ich mich zu äußerlicher Ruhe. Er sollte nicht bemerken wie viel es mir ausmachte. Wie viel es mir ausmachte wenn er mich anbrüllte, wenn er mir sagte das er enttäuscht von mir sei, dass ich es nicht Wert sei sein Sohn genannt zu werden. Ich ließ ihn schreien, nach Außen hin völlig gelassen, doch in mir zitterte es. So sehr das ich mich nur noch zu einer Kugel zusammenrollen wollte, wie ein kleines Kind die Hände auf die Ohren gepresst und so tun als würde es das besser machen. Gegenargumente brachte ich nicht, sie waren vom vielen Sagen längst schon abgenutzt. Au. Die nächste salve aus einem nie Enden wollenden Schussfeuer, dem ich schutzlos ausgeliefert war. Wieder zuckte ich innerlich zusammen. Mein Vater verstand sich auf das Zielen. Bevor das hier alles anfing hatte ich nicht geglaubt das Worte so weg tuen konnten. Und trotzdem zwang ich mich zuzuhören, zwang mich zu hören was meine Entscheidung mit sich brachte. Und die stand fest. Ich wusste das ich nie aufhören könnte zu schnitzen. Es war zu sehr ein Teil von mir geworden und es aufzugeben wäre gewesen als würde ich mir die Linke Hand abhacken wollen. Einfach unvorstellbar. "Hast du mich verstanden?!" Die Stimme meines Vaters holte mich wieder aus meinen Gedanken, die ich so unvorsichtig hatte abschweifen lassen. "Dann sage ich das jetzt noch einmal." Die Stimme meines Vaters war jetzt auf eine verdächtig beherrschte Lautstärke gesunken. Das war kein gutes Zeichen. "Entweder du benimmst dich jetzt endlich wie mein Sohn, oder du packst deine Sachen und gehst!" Tief in mir zerbrach etwas und die Scherben bohrten sich wie Eiskalte Nadeln von innen in meinen Körper. Ich wusste was ich würde tun müssen. Der Betrieb meines Vaters stellte für mich den Inbegriff der Hölle dar.

Langsam stand ich auf, vorsichtig, überrascht das meine sich taub anfühlen Beine mein Gewicht immer noch Ausbalancieren könnten. Balance. Davon war ich schon so lange weit entfernt. Lustig das mein Körper davon so gar nicht betroffen war. Ich war größer als mein Vater und zu ersten Mal wurde mir bewusst um wie viel ich ihn inzwischen überragte. Ich sah hinunter auf den kleinen Mann mit den vielen Zornes- und Sorgesfalten im Gesicht. Zu viele. Ich würde von einer so heftigen Welle des Bedauern erfasst, dass ich fast von ihr überrollt worden wäre. Ich schaute meinem Vater in die Augen. Dann ging ich an ihm vorbei.

Jeder Schritt fühlte sich nach einem Abschied an. Ich würde nie wieder nach hier zurück kommen können. Ich hätte schon lange einen Reisepass bereitstehen gehabt. Ich hätte diesen Moment schon lange erwartet. Mit Furcht, doch in einer gewissen Weise hatte ich ihn auch herbeigesehnt. Es war endlich so weit. Das quälende Warten hatte ein Ende. Mit dem Sack über der Schulter trat ich zur Tür hinaus. Dem Sonnenlicht entgegen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 29, 2016 ⏰

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