Vögel-Freie-Zone

44 2 0
                                    

Nach dem Gespräch mit Theresa und Frau Strauß, habe ich eine kurze Pause bevor ich meine Chefin schon wieder treffe, weil ich an meiner ersten Gesamtkonferenz teilnehme.

An der ein Mal im Monat stattfindenden Konferenz, nehmen alle Teamleiter der Wohngruppen sowie die pädagogischen Leiter teil, und besprechen „übergeordnete Themen", wie es so schön heißt.

Ich zähle zwar noch nicht zu den pädagogischen Leitern, aber da ich diese Funktion bald übernehmen werde, möchte Frau Strauß, dass ich schon mal dabei bin um mich einzufinden.

Das passt mir ganz gut in den Kram und so habe ich nichts dagegen einzuwenden. Zwar nervt es mich, dass Frau Strauß auch diese Veranstaltung leitet und ihre Kontrollsucht einfach nicht zügeln kann. Doch solange sie mir nicht in die Quere kommt, ist mir das egal.

Ich habe jedoch von den Dächern zwitschern hören, dass sie selbst vor Abmahnungen keinen Halt macht, wenn man nicht nach ihren Regeln spielt.

Das macht mir keine Sorgen. Aber ich behalte immer im Hinterkopf, besonders diplomatisch mit ihr umzugehen weil ich dann eher das bekomme was ich will. Davon haben wir beide was. Zumindest denkt sie das.

Dementsprechend bin ich ganz entspannt als ich den großen Saal, scheinbar als einer der Letzten betrete, und spüre wie Frau Strauß hinter mir angerauscht kommt. Sie zieht mich am Ellenbogen mit sich und sagt: „Sie können sich gleich zu mir nach vorne setzen!"

Ich habe keine Zeit um irgendwelche Einwände zu erheben, dass ich doch lieber in der Masse verschwinden würde als auf dem Präsentierteller zu sitzen, weil jetzt schon alle Anwesenden mitbekommen haben, dass sie mich neben sich wünscht.

Ich platziere mich also neben ihr und versuche unbeeindruckt und entspannt zu wirken. Das bin ich nämlich nicht mehr, nachdem mich alle ansehen, als wäre ich das neueste Lieblingsspielzeug unserer Chefin. Ich kann Herrn Mehrtens in der Gruppe ausmachen, der mich belustigt ansieht und mir zuzwinkert. War ja klar, dass er das alles witzig findet. Ich frage mich, warum er heute Morgen nicht dabei war als Theresa die Stelle angeboten wurde. Vielleicht hatte er etwas Wichtiges zu tun.

„Herr Fassbender nimmt zukünftig auch an den Gesamtkonferenzen teil, da er die pädagogische Leitung im 'Haus Fromm' übernimmt. Frau Richter wird die Teamleitung übernehmen und ich habe ein gutes Gefühl, dass die Beiden hervorragend zusammenarbeiten werden.", spricht sie in die Runde und vergisst dabei geflissentlich völlig ihre Untergebenen erst mal zu begrüßen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sie es gar nicht für nötig erachtet.

Alle nicken mir freundlich zu und begrüßen mich so in der Runde. Ich sehe jedoch auch einige irritierte Blicke zu Herrn Mehrtens huschen, der allerdings keine Zeit hat um sich zu erklären. Unsere Chefin übergeht nämlich einfach seinen bereits geöffneten Mund und würgt ihn ab. Allerdings scheint ihn das nicht zu stören. Er bleibt einfach wie ein Fels in der Brandung sitzen und verzieht keine Miene.

Von der folgenden Blitzlichtrunde, in der jeder Teamleiter erzählt was in der entsprechenden Gruppe derzeit ansteht, bekomme ich nicht allzu viel mit. Ich hänge gedanklich noch ein wenig der Einschätzung nach, dass Theresa und ich hervorragend Zusammenarbeiten werden. Ich hoffe, dass Frau Strauß in dem Punkt richtig liegt. Das würde es für Theresa einfacher machen. Wenn sie sich auf mich einlassen und mir vertrauen kann, wird das unsere Arbeit ungemein erleichtern. Sie muss ja nicht immer davon ausgehen, dass ich böse Hintergedanken habe wenn ich irgendetwas zu ihr sage. Ich bin zu vielem bereit um sie zu unterstützen, weil ich wirklich hinter ihr als Teamleitung stehe. Ich meine, ich habe mich sogar dazu entschieden mein Vorhaben in den Wind zu schießen sie ins Bett zu kriegen. Zwischen uns herrscht sozusagen Vögel-freie-Zone. Und ich werde in dem Punkt Standhaft bleiben! Ok, die falsche Formulierung. Ich werde hart bleiben. Ne, auch nicht besser. Stirnrunzelnd versuche ich mir weitere zweideutige Formulierungen einfallen zu lassen, befinde mich aber in einer Sackgasse.

Point of no returnWhere stories live. Discover now