Ich hob meinen Blick und lies ihn über die mehr oder weniger ausgelassene Menschenmenge schweifen. Alle waren noch etwas geschockt und die Männer, die über die Galerie krochen, machten das auch nicht besser.
Alex gegenüber von mir lachte ausgelassen über einen Witz, als ich im Augenwinkel ein Leuchten wahrnahm.
Ich drehte meinen Kopf und sah sie.Der Lichtstrahl zwischen den beiden Platten war stechend rot und an manchen Stellen dicker als an anderen.
Ich wollte schreien, allen Menschen sagen, ich hätte sie gefunden, aber ich brachte keinen Ton mehr heraus.
Niemand bemerkte sie, obwohl alle wussten, dass sie irgendwo auf der Galerie sein sollte und bis vor kurzem immer noch nicht gefunden worden war. Drohend schwebte sie nun in der Mitte des Raumes und dann war es zu spät.Die Bombe explodierte schon fast unrealistisch langsam, der Lichtstrahl blähte sich auf und nahm immer mehr Platz ein.
Plötzlich herrschte im ganzen Raum Chaos. Alle kreischten durcheinander und stolperten über die große Tanzfläche. Die Musik hatte aufgehört zu spielen und die Rückkopplung tat in meinen Ohren weh.
Ich drehte mich um und kletterte über die Bank zum Fenster und riss es auf. Kurz warf ich noch einen Blick auf das immer greller werdende Licht. Alex saß immer noch an seinem Fleck. Wie gebannt starrte er die surrealistische Szene vor sich an.
Dann stürzte ich hinaus.
Das ist zu einfach.
Meine Füße trafen auf den Boden auf und da sah ich den schwarzen Schatten schon, der auf mich gewartet hatte.
Ich hörte den ersten Schuss und warf mich auf den Boden. Weitere Schüsse ertönten aber der laute Knall der Explosion ließ sie in den Hintergrund gleiten. Schnell drehte ich mich um, um zu sehen, ob teile der Halle auf mich fallen könnten, aber die Fassade war komischerweise unverletzt.
Ich ließ meinen Blick über die Wand vor mir gleiten. Keine Einschusslöcher.Er schießt mit Platzpatronen.
Leichtfüßig sprang ich auf und rannte um die Häuserecke, an der Mauer entlang zur Straße. Auf der anderen Seite blickte ich noch einmal zurück.
Wieso haben sie den Ball stattfinden lassen?
Die Brücke knarzte bei jedem meiner Schritte und mein Atem hinterließ kleine Wolken in der kühlen Nachtluft. Die Wellen unter mir rauscht ruhig vor sich hin.
Sie wussten, dass sie eine Bombe gelegt hatten.
Ich wusste, dass ich nicht weit kommen würde. Das hier war die große Aktion. Sie werden alle Geschütze aufgefahren haben, um mich zu töten. Es wird nicht lange dauern, bis ich dem nächsten in die Arme laufe.
Ich blieb stehen und sah mich um. Die Insel bot mir am Tag viel Schutz, aber in der Nacht konnte hinter jedem Rascheln ein Gegner versteckt sein.
Wieso laufe ich eigentlich noch davon?
Mit gehetzten Schritten machte ich mich wieder auf den Weg. Im Schutz der Bäume lief ich so nah ich konnte an Ufer entlang, um ja den kleinen, morschen Steg nicht zu verpassen.
Der erste Schritt auf das Holz ließ die ganze Konstruktion ächzen. Beim zweiten Schritt schwankte alles verdächtig.
Sie gewinnen sowieso.
Als ich wieder auf festem Boden stand, atmete ich tief durch. Meine Oberschenkel zitterten vor Erschöpfung und das linke Hosenbein meiner Jeans war komplett durchnässt. Wenigstens hatte ich kein Ballkleid an.
Das Flackern der Straßenlaterne ließ mich erschrocken auffahren. Und tatsächlich. Lässig an die Laterne gelehnt und mit verschränkten Armen stand ein weiterer Schatten vor mir.
Seufzend ließ er die Arme sinken und richtete sich auf. Jetzt konnte ich auch die Pistole in seiner linken Hand erkennen. Während er langsam, fast gelangweilt, über die Straße schlenderte, zielte er mit dem Lauf der Pistole auf mich.
Mitten auf der Straße blieb er stehen, den Finger am Abzug.Ohne zu überlegen, stürmte ich los.
5 Schritte dann stand ich vor ihm, hatte die Hand um die Pistole gelegt und sie nach oben gerichtet. Die Wucht des Aufpralls riss uns zu Boden.Er hatte die Waffe losgelassen. Ich schleuderte sie so weit weg wie möglich und rappelte mich wieder auf. Doch weglaufen konnte ich nicht, denn seine Hand umklammert meinen Oberarm.
Ich holte aus und schlug ihm mit der Faust auf den Kehlkopf. Nach einem leisen Röcheln ließ er mich los und ich rannte wieder ins Dickicht der Uferpflanzen.
Wie hatte ich eigentlich die letzten Monate überstanden?
Lange hielt ich es nicht aus. Mit einem schmerzenden Knöchel und sämtlichen Kratzern stolperte ich schließlich auf die Straße.
Während ich noch Luft holte, hielt scho ein weißes, verbeultes Auto neben mir.Die Scheibe wurde herunter gelassen und ein blondes Mädchen lächelte mich bemitleidend an.
Von den Rücksitzen hört ich Alex' Stimme: “Gib auf, Zoe. Es bringt nichts mehr.“
Ich war in ihre Falle gelaufen.
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Sammlung von Kurzgeschichten
NouvellesDas ist eine Ansammlung von Kurzgeschichten, Dialogen und Monologen. Sie haben nichts miteinander zu tun und die Personen, die darin vorkommen sind frei erfunden. Dieses Buch ist nur dazu da, um in meinem Kopf für Platz zu sorgen. Manchmal tauchen...