Kapitel 1

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Gedankenverloren beobachtete ich, wie ganz leichte Wellen ans Ufer schwappten und sich kurz vor meinen Fußspitzen wieder zurückzogen. Meine Hände fanden einen runden Stein, den ich im schlammigen Wasser untergehen ließ. Die sinkende Sonne spiegelte sich im Weiher und brachte die nächtliche Kälte mit. Ich saß oft hier, um den Untergang des roten Feuerballs zu beobachten, dann fühlte ich mich von einer zufriedenen Ruhe durchströmt, die alle Sorgen des Alltags einfach wegwischte.Für diesen einen kurzen Moment. Ich lächelte sanft. Leichter Wind ließ die Blätter der Bäume reden und ich schloss kurz die Augen,um sie besser verstehen zu können. Die Hände hinter dem Kopf verschränkt ließ ich mich zurücksinken und horchte weiter der Melodie , die die Natur spielte.


Erschrocken fuhr ich hoch. Verdammt, ich war eingeschlafen. Frierend zog ich mir die Kapuze meines Pullis über und schaute auf mein Handy. 23:44? Drei entgangene Anrufe von Mama. Bin in 15 Minuten zuhause,sorry., schrieb ich ihr schnell und schaltete dann die Taschenlampen-App an, um den Weg zurück zur Straße zu finden. Schlecht gelaunt rechnete ich mir aus, wie lange ich noch schlafen konnte, bis morgen die Schule anfing. Meine Füße trafen auf Asphalt und dankend trat ich in den Schein der Straßenlampen. Ich mochte zwar den Abend, doch die Nacht war mir nicht geheuer. Mit gesenktem Kopf und Händen in den Hosentaschen ging ich zügigen Schrittes durch die Wohnsiedlungen. Ab und zu Miaute eine Katze, oder die Scheinwerfer eines Autos blendeten mich, ansonsten war alles ruhig. Natürlich war es das, die Leute schliefen schön in ihren perfekten Betten und träumten entweder von ihrem Whirlpool oder dem neuen Maserati in ihrer Garage.

Ich fühlte mich nicht wohl in meinem Bekanntenkreis, das hatte ich noch nie. Reiche Familien, verwöhnte Kinder und einen Fehltritt durft eman sich sowieso nicht erlauben. Mein Vater war Chef einer Firma für Strom- und Gasverträge und meine Mutter leitete einen kleinen Juwelier in der Innenstadt. Wir hatten ziemlich viel Geld und ich musste wirklich sagen, dass meine Eltern zumindest versuchten bodenständig zu bleiben, doch von anderen in unserer Straße konnte ich das nicht wirklich behaupten. Ich hasste es, mit einem teuren Kleid am reich gedeckten Tisch zu sitzen und mit Dauerlächeln irgendwelche Bekannte meiner Eltern kennenzulernen. Aber natürlich durfte ich mich nicht beschweren, um Gottes Willen, solch ein Privileg hatten wenige, doch ich brauchte so etwas nicht. Das war auch der Grund, warum ich meine Eltern überredet hatte, mich nicht auf eine Privat- sondern eine ganz normale staatliche Schule zu schicken. Und ich war wirklich glücklich damit.

Noch schrecklicher fand ich, dass ich von meinem Fenster aus auf eines der ärmeren Viertel dieser Stadt blicken konnte. Ich fand es unfair, reich und arm Seite an Seite. Meine Eltern verboten mir, mich an diesem Ort aufzuhalten, ihn überhaupt zu durchqueren, doch da unser Haus am Rande unseres Wohnviertels lag, trennte uns nur eine Brücke von den anderen und das machte die ganze Sache etwas schwieriger.Manchmal, da bekam ich mit, wie sie sich anschrien, alkoholisiert und unter Drogen und ab und an hörte man Polizeisirenen, die wegen einer Schlägerei anrückten. Doch nicht alle waren so, auch ganz normale Familien mit finanziellen Problemen wohnten dort und die taten mir leid.

Mit einem Kopfschütteln wollte ich diese Gedanken vertreiben. Es brachte doch nichts, wie oft hatte ich mich schon darüber geärgert, doch es waren wie zwei verschiedene Welten.

Mittlerweile hatte ich mein Haus fast erreicht, dahinter lag die Brücke. Alles war still, fast schon zu still. Meine Hand schon beinah an der Tü rzum Vorgarten, sah ich eine Person am Brückengeländer stehen. Ich wusste nicht, warum ich verharrte und meinen Blick nicht abwenden konnte. Es war die Haltung der Person, die etwas in mir auslöste. Mir wurde ganz kalt. Erst jetzt merkte ich, dass meine Hände zu Fäusten geballt waren, meine Fingernägel schnitten ins Fleisch. Ich versuchte mich zu entspannen und drehte mich kopfschüttelnd weg, was war nur mit mir los?

Manchmal kann man Menschen nicht ändern, sagte erWhere stories live. Discover now