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Adrien saß vor mir auf dem Sofa, die Lippen zu einem geraden Strich zusammengepresst. Das sonst so ordentliche blonde Haar stand ihm wild vom Kopf ab, seine stechend grünen Augen bohrten sich in die meinen. Nach all der Zeit, in der ich so panisch versucht hatte unsere Identitäten auch vor uns geheim zu halten, war ich nun diejenige die ihn bloßstellte. Schon wieder. Zögerlich griff ich in die Jacke meines Kapuzenpullovers und zog Tikki hervor. Verwirrt blickte sie zuerst von mir und dann zu Adrien, als ein kleiner schwarzer Kwami sich hinter einem der Sofakissen hervordrückte.
Unsicher schwirrte das kleine schwarze Kätzchen auf mich zu und landete auf meiner Handfläche. Niedergeschlagen blickte der Kleine mich an, die spitzen Ohren an den Kopf angelegt und die Augen abgrundtief traurig. Von Adriens Kwami sah ich wieder zu ihm, er hatte resigniert die Hände über das Gesicht geschlagen und den Kopf in den Nacken gelegt.
"Verschwinde" Dumpf schallte seine Stimme zu mir herüber.
"Wie bitte?"
"Du hast mich schon verstanden" Adriens schöne Augen waren gefüllt mit Tränen, sein Gesichtsausdruck war jedoch hart und verschlossen.
"Gestern hast du die Fronten geklärt. Du möchtest mit mir befreundet sein.  Und damit das gewährleistet sein kann, Marinette, brauche ich Zeit für mich. Also geh jetzt einfach. Und nimm Plagg mit. Er ist ohne mich auch besser dran."
Ehe ich nur ein Wort der Beschwichtigung herausbringen konnte, musste ich mit Entsetzen mit ansehen, wie er sich den Ring vom Finger zog und mir seinen Miraculous zuwarf. Plagg, der bereits vorher schon absolut miserabel ausgesehen hatte, konnte nicht anders als zu weinen, drückte sich wie ein Kätzchen in meine Hand, während die Schluchzer ihn schüttelten.
Mit einem letzten Blick auf Adrien, sein eigentlich so schönes Gesicht jetzt vor Verzweiflung und Kummer zu einer Maske verzerrt, drehte ich mich um und verließ dieses kalte, leere Haus. Hinter mir knallte das Tor ins Schloss und genauso wie aus seinem Herzen, hatte mich Adrien jetzt auch aus seinem Heim ausgesperrt.

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Nachdem auch noch der letzte Rest meiner kleinen Familie mich auf meinen Wunsch verlassen hatte, ließ ich den Tränen, die meinen Blick trübten, freien Lauf. Hemmungslos schluchzte ich, akzeptierte den psychischen und physischen Schmerz als Teil meines neuen Selbst, als Teil des Einzelgängers, zu dem ich beschlossen hatte, mich selbst zu machen. Es hatte mich mehr Überwindung gekostet als gedacht, auch noch Plagg zu verlieren. Doch dieses Leben in Gefangenschaft, sowohl in meinem eigenen Heim, als auch durch meine Verschlossenheit - das hatte mein Kwami nicht verdient.
In meiner Verzweiflung fegte ich durch das Zimmer, das zu meinem Gehege geworden war, fegte Bücher aus Regalen, warf alles um, was mir in den Weg kam. Ermüdet saß ich irgendwann in der Mitte des Chaos, kauerte auf der umgestürzten Couch, Marinettes Glücksbringer in der Hand. So viele Akumas, wie ich mit Ladybug besiegt hatte, hätte ich es eigentlich besser wissen müssen. Doch es war beinahe tröstlich, als der schwarze Schmetterling in die Perlen drang und Hawkmoths Stimme in meinem Kopf widerhallte.

Miraculous - Wahrheit tut wehWo Geschichten leben. Entdecke jetzt