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"Kätzchen, ich sehe dich zum ersten Mal wirklich." Die Angst in ihren Augen löste sich mit einem Mal auf. Da wo ich vorher ihre Verzweiflung spüren konnte, war jetzt nichts als Ergebenheit und Vertrauen. Und das trotz meiner scharfen Krallen an ihrer Kehle. Ein kleiner Tropfen Blut lief ihr über die Lippen.
"Du warst schon immer so viel mehr als nur Chat Noir. Oder Adrien Agreste. Du warst beides auf einmal. Du bist ein Teil meiner Familie. Ein Teil meines Herzens. Ich war nur zu blind es zu erkennen."
Wieder dieses Klingen in der Magengrube. Dieses Mal war es heftig genug, um mich innehalten zu lassen.
"Schaffung und Zerstörung. Yin und Yang. Du und ich. Marinette und Adrien. Es war schon immer da. Diese Anziehungskraft zwischen uns beiden. Nur hast du sie als Chat gespürt und ich als Marinette. Es waren immer nur wir beide, Chaton."
Verwirrt blinzelte ich, meine Sicht verschwamm. Das Klingen verwandelte sich in ein Surren, das Surren wurde zu so einer herrlichen Hitze, dass mein Oberkörper in Flammen zu stehen schien.

"Ich liebe dich. Habe ich schon immer getan, minou."
Damit legte sie ihre behandschuhte Hand auf den Glücksbringer, den sie mir vor so langer Zeit geschenkt hatte. Ihr Lächeln war von so viel Güte und Liebe erfüllt, so viel Verständnis und Vergebung waren darin zu lesen. Mit einem Mal riss es mich aus diesem großen Nichts, die Leere in mir wurde angefüllt mit einem allumfassenden Gefühl der Liebe. Wie durch ein Wunder sahen wir beide dabei zu, wie mein Kostüm zerfiel und ein kleiner weißer Schmetterling aus den Perlen emporstieg. Verdutzt sahen wir dem kleinen Übeltäter hinterher, bevor uns wieder bewusst wurde, was gerade geschehen war.
"Meinst du das alles ernst, was du gesagt hast, M'Lady?", fragte ich unsicher. Die Angst, sie könnte nur aus Ermangelung einer besseren Idee so mit mir gespielt haben, manifestierte sich.
Ein breites und warmes Lächeln zog ihre Mundwinkel fast unnatürlich weit nach oben, als sie mein Gesicht packte, um mich zu küssen. Es war ein wunderbarer Kuss, so voller Verheißung und Zukunft und Schicksal, dass mein Innerstes zu strahlen begann. Unter mir wurde aus Ladybug wieder Marinette, die ihre Finger in meinem Haar vergrub und mit ihren Tränen unsere beiden Gesichter befeuchtete. Als wir uns endlich voneinander lösten, konnten wir nicht anders, als laut loszulachen.

Und wie wir da so lagen, atemlos von den Lachkrämpfen der Erleichterung, die uns schüttelten, brach zum ersten Mal heute die Wolkendecke auf und ein einzelner Sonnenstrahl erhellte unsere geröteten Gesichter.

Miraculous - Wahrheit tut wehWo Geschichten leben. Entdecke jetzt