Lupus Anima - Kapitel VII

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Kapitel VII

[Lexy]

Tyee und ich wurden beide von den Füßen gehoben und zurückgeschleudert. Tyee flog weiter als ich, weil er im Zentrum stand. Noch während ich versuchte, mich zu orientieren, wurde ich hart an den Armen gefasst und hochgezogen. Der Dolch war wohl irgendwie, irgendwo verloren gegangen…

“So schnell wendet sich das Blatt wieder.”, sprach Centa hämisch zu mir und hielt mich fest gepackt. Tara und Nienna standen auch nicht weit entfernt und warteten auf Anweisungen von ihrer Anführerin.

Ich suchte derweil nach Tyee und fand ihn einige Meter entfernt auf dem Boden kauernd, Nasreen schritt hochmütig und langsam auf ihn zu.

“Du hättest mein Angebot annehmen sollen, schwarzer Wolf! Jetzt hat es keine Gültigkeit mehr.”, zischte sie und richtete erneut ihre Hand auf ihn.

Trotzdem sah er zu mir und stellte entsetzt fest, dass Centa und ihre Freundinnen mich tatsächlich in ihre Gewalt gebracht haben. War das der Moment, in dem er begriff, dass er alleine doch keine Chance gegen Nasreen hatte? Vielleicht. Jedoch wussten wir beide, dass wir keine Gelegenheit mehr bekommen würden, es lebend zu überstehen. Zumindest dann nicht, wenn wir keine Hilfe bekamen… und wer sollte uns schon helfen?

“Verschone Lexy… bitte.”, flehte Tyee leise und sah Nasreen an, die noch immer mit erhobener Hand vor ihm stand und einen überlegenen Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte. Dann lachte sie schallend los, ein Lachen wie das Kratzen von Fingernägeln auf einer Tafel… es wirkte verstärkt von ihrer unheimlichen dunklen Energie, die noch immer um sie herum waberte wie eklige Spinnen.

“Wie bezaubernd… oh Lexy… gibt es etwa eine neue Begabung, von der ich nichts weiß?”, fragte sie und sah zu mir, ich schaute sie verwirrt an – was wollte sie bitte von mir?

“Oh wenn du wüsstest, du verdorbenes Miststück!”, hörte ich eine vertraute, geliebte und seit Stunden vermisste Stimme und suchte ihren Ursprung. Mein Herz setzte mindestens eine Sekunde lang vor Freude aus, als ich Faith auf einen der Container stehen sah. Es gab also doch noch Hoffnung…

Neben ihr Rujul. Aber nicht der Lehrer… nein, vielmehr der Krieger. In ganzer Kampfmontur stand er voller Selbstbewusstsein neben ihr und sah mit großer Verachtung im Blick zu Nasreen hinunter. In der Hand hielt er einen Bogen, der Pfeil bereits auf der Sehne, die Pfeilspitze direkt auf Nasreen gerichtet. Er schien schon zu wissen, dass Nasreen nicht so nett war, wie sie immer tat. Woher nur?

“Du wurdest entlarvt Nasreen. Ich nehme dich im Namen des Hohen Rates fest, wo du Zeuge über deine Taten ablegen musst und dich dann deinem Urteil entgegenstellst.”

“Du wagst es!”, fauchte Nasreen und verlor jegliche Beherrschung. Sie ließ Tyee völlig außer Acht und widmete sich mit voller Aufmerksamkeit Rujul zu. Dann brach erneut die Hölle los. Rujul schoss im selben Moment, als Nasreen ihm und Faith ihre Druckwelle schickte. Er schaffte es irgendwie, Faith aus der Schussbahn zu werfen und wurde selbst frontal erwischt. Rujul schleuderte mehrere Meter hoch in die Luft und verschwand dann, irgendwo zwischen dem Durcheinander an Containern und Kisten, aus dem Sichtfeld.

Nasreen war auch getroffen, der Pfeil hatte sie wortwörtlich durchbohrt und steckte in ihrer rechten Schulter. Faith‘s Kampfschrei holte mich in die Gegenwart zurück, doch bevor ich ihr auch nur etwas rufen konnte, während sie auf Nasreen zustürmte, wurde ich zur Seite gerissen und landete unsanft auf dem Betonboden. Verdammt! Ich blickte mich verwirrt um und entdeckte Tyee, der mit Centa, Tara und Nienna kämpfte.

Noch während diese drei Hexen ihn in einer Geschwindigkeit angriffen, die mit normal menschlichen Augen kaum wahrgenommen werden konnte, sah ich wie vier Körper ihre Form veränderten – im nächsten Moment tobte ein Kampf, der animalischer nicht sein konnte. Ich hörte reißen, sah Blut und dann heulte Nienna auf, weil Tyee ihr seine Zähne in die Flanken gestoßen hatte.

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