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Ella war am Boden zerstört. Eine ihrer besten Freundinnen war verschwunden, jetzt wusste sie ungefähr, wie Eric sich gefühlt haben musste, als das mit Tom passiert war. Aber die Tatsache, dass sie Schuld daran hatte, verstärkte das Gefühl von Unbehagen und Verantwortungslosigkeit. Sie schien immer das Falsche zu machen, immer spürte sie den Hass der anderen, wie sie abfällig auf sie hinuntersahen und urteilten, ganz gleich, ob das Realität oder nur ihre Einbildung war. Sie spürte es trotzdem. Auch wenn Dana bisher noch nicht aufgetaucht war, - und das, obwohl man schon seit Tagen die Wälder durchforstete - , Ella hatte große Zweifel daran, dass sie Dana jemals wieder lebend sehen würde. Wenn überhaupt. Und damit war sie bestimmt nicht alleine.

Ella schluchzte und vergrub ihr Gesicht im Kissen, erstickte es, um nie wieder Licht zu sehen. Irgendwann bekam sie nur noch schlecht Luft, hob also ihren Kopf und schaute sich in ihrem abgedunkelten Zimmer um. Ihre Augen brannten dabei von den Tränen, ihr Gesicht fühlte sich wie eine Heizplatte an. Sie stand auf, - ihre Beine begangen einzuschlafen - und lief zu ihrem Spiegel über der Kommode. Sie konnte nicht alles erkennen, doch das fahle Licht gab Blick auf ihre roten, verheulten Augen, ihre struppigen Haare (so war das nun mal mit Locken, wenn man sie nicht pflegte), ihre rote Nase und die Sorgenfalten, die sich bildeten, da sie seit Tagen nichts anderes tat, als zu heulen.

„Ella?“, klopfte es neben ihr an der Türe. Ella öffnete sie einen kleinen Spalt und schaute zu ihrem Vater auf, während sie sich beherrschte gefasst auszusehen, selbst wenn sie das keineswegs tat.

„Willst du einen Tee?“, fragte er und hob die Tasse ein Stück hoch, um sie Ella zu zeigen.

„Dad, es hat 31° Celsius draußen und unser Haus hat keine Klimaanlage“, sagte sie und war dabei die Türe wieder zu schließen.

„Dann lass es doch abkühlen und trink ihn kalt“, schlug ihr Vater vor. Ella schaute ihn kurz an, öffnete die Türe wieder, nahm den Tee entgegen und verschloss sie dann.

Sie stellte den Tee auf ihrer Kommode ab und ließ sich wieder ins Bett fallen.

Und was jetzt? Ihr war langweilig, aber gleichzeitig wollte sie nichts machen, hatte einfach keine Motivation. Sie setzte sich auf und öffnete den Vorhang von dem Fenster neben ihrem Bett. Sie sah raus auf den trockenen Waldboden. Es war gutes Wetter heute, die Sonne schien, keine Wolke in Sicht, naja, soweit das Ella sehen konnte. Sie seufzte und zog den Vorhang zu. Wer will schon Sonnenschein, wenn man sich schlecht fühlt? Ella's Augen füllten sich wieder mit Tränen.

„Oh, Mann!“, flüsterte sie halb und zog die Decke bis über ihren Kopf, schloss die Augen und versuchte zu schlafen, einfach vergessen, was hier passierte.

Ella?“, hallte es in ihrem Kopf. Sie schaute sich um und sah Dana, die vor Ella's Haustüre im Abendlicht auf der Veranda wartete.

Oh, Dana! Da bist du ja, ich dachte schon du bist tot“, sagte sie mit einem Lächeln.

Was soll ich sagen? Ich bin wieder zurück“, lächelte Dana und umarmte Ella. Fröhlich lösten sich die beiden aus ihrer Umarmung.

Ich hab einen Frisörtermin. Willst du mit?“, fragte Dana.

Dana setzte sich auf einen Frisörstuhl und der Frisör kam angelaufen, ein älterer Mann, mit weißen Haaren. Er nahm die Schere und fing an zu schneiden. Hier im Wald und im Dunkeln konnte man fast nichts sehen, doch plötzlich sah Ella, wie er mit der Schere tief ansetzte und in Dana's Haut schnitt. Mit großen Augen starrte sie den Mann an. Er schaute sie an, mit seinem knochigen Gesicht, einem Skelett anmutend.

Was ist?“, fragte er. „Willst du auch einen Haarschnitt?“ Er lächelte, oder grinste, schwer zu sagen bei einem Skellett. Ella war sprachlos, wollte schreien, doch ihre Stimme blieb weg.

BöseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt