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Zum Glück war Sommer, sonst hätte Ella im Dunkeln nach Hause fahren müssen. Sie kam gerade vom Strand, wohin sie Antonia gebracht hatte. Es war ein schöner Abend gewesen. Sie konnten einige Gemeinsamkeiten feststellen. Antonia hatte unter anderem ebenfalls dieses romantische Comic gelesen, dass Ella vor einigen Wochen von ihrem Bruder bekommen hatte. Ella hatte ihr dann von ihren Träumen erzählt, ohne Dana zu thematisieren. Irgendwann kamen sie auf weniger tiefgründige Unterhaltungen. Nachdem sie sich zwei Folgen einer dummen Cartoonserie angeschaut hatten, versuchten sie sich gegenseitig Nachrichten zu schicken und dabei nur die Nase zu benutzen. Beide mussten so lachen, dass Ella mit dem Sessel rückwärts kippte und sich den Kopf anhaute.

Es war auf jeden Fall lustig gewesen und da weder ihr Bruder noch Vater zuhause war, musste Ella nun eben laufen, nachdem sie Antonia zurück geführt hatte. Aber sie hatte ihr Fahrrad wieder mitgenommen.

Es ging vom Strand aus eigentlich ziemlich flach den Weg entlang, aber man musste über einen kleinen Hügel. Obwohl man das nicht mal einen Hügel nennen konnte. Es war viel mehr ein leichter Anstieg. Ella trat stark in die Pedale, als der Weg ein wenig anstieg und raste darüber hinweg um auf der anderen Seite wieder runter zu rasen. Sie fuhr schnell, ihr Fahrradcomputer zeigte 30 km/h an. Der Fahrtwind tat gut und brachte ihre Haare durcheinander. Sie kam um eine leichte Kurve und sah einige Meter vor sich eine Person laufen. Der Weg war an dieser Stelle sehr schmal, sodass sie bremsen musste, um sicher vorbeizufahren. Doch als sie auf die Hebel drückte passierte nichts. Sie wurde nicht langsamer, ihre Bremsen funktionierten nicht. Ella wurde panisch. Wild drückte sie auf ihre Klingel, doch die Person reagierte bloß sehr langsam. So drehte sich diese erst um, als Ella nur noch zehn Meter entfernt war. Und da war es. Das fahle Gesicht, die blonden, verschmutzten Haare und der traurige, müde Blick, das blaue T-Shirt, die schwarze Hose, die Sneakers. Da war sie. Für den Bruchteil einer Sekunde. Dana.

Ella rauschte vorbei, konnte nicht denken, drehte sich um, sah nach Dana. Das Fahrrad rutschte unter ihr hinweg und sie über den Kiesboden. Sie landete halb im Gebüsch, mit Schürfwunden an den Ellenbogen. Sie rieb sich den Kopf und stöhnte. Was war passiert? Dana! Ruckartig hob sie den Kopf. Doch hier war niemand. Neben ihr lag bloß ihr Fahrrad, einer der Reifen drehte sich noch leicht und der Lenker war verdreht.

„Hallo? Dana?“, rief sie, kam sich aber sofort doof vor. Dabei hatte sie schwören können, dass hier jemand gewesen war. Oder wurde sie verrückt? Langsam stand sie auf. Ihre Hose hatte an der rechten Seite ein Loch und darunter eine Schürfwunde. Ihr linkes Knie, an dem der Verband war, war zum Glück unversehrt. Glück im Unglück. Aber trotzdem: In letzter Zeit hatte sie irgenwie ziemlich viel Pech. Das bestätigte sich, als sie bemerkte, dass sie den restlichen Weg laufen musste, weil ihr Fahrrad im Eimer war. Sie nahm den Lenker und zog es nach oben. Als sie lief, lenkte das Rad immer nach links, weil der Reifen nicht mehr gerade zeigte. Sie war froh, als sie die kleine Siedlung erreichte und ihr Fahrrad endlich gegen das Geländer lehnen konnte. Vor dem Haus stand das Auto ihres Vaters, er musste wieder da sein. Ella betrat das Haus und sah Licht in der Küche.

„Dad?“, fragte sie.

„Ich bin hier“, rief er zurück. Ella schmiss ihre Schuhe in die Abstellkammer und ging in die Küche. Ihr Vater saß mit Zeitung in der Hand und dampfendem Kaffee auf dem Tisch, auf einem der Stühle.

„Wo warst du denn?“, fragte er und legte die Zeitung ab.

„Ich hab Antonia zum Strand gebracht“, sagte sie schnell, wand den Blick ab und holte sich einen Energydrink aus dem Kühlschrank.

„Alleine? Was ist mit deiner Hose passiert?“, sagte er überrascht, mit einem leichten Anflug von Ärger.

„Bin auf dem Rückweg vom Fahrrad gefallen. Steht draußen mit verdrehtem Lenker“, murmelte sie halber in die Dose rein.

BöseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt