Es war heiß und eng im Schulbus.Zu heiß und zu eng. Trotzdem drängte ich mich nach hinten durch.
Es war der erste Schultag nach der Sommerpause und ich hasste es jetzt schon. Letztes Jahr war mir die Schule ganz egal gewesen und die Lehrer hatten es eingesehen. Sie konnten mich nicht dazu bringen mitzumachen, geschweige denn regelmäßig zum Unterricht zu kommen. Ich war das Mädchen gewesen, welches seine Eltern verloren hatte und nichts weiter. Ich war die kleine Schwester des Kiffers der Schule gewesen und kein eigener Mensch, mit eigenen Gedanken, Gefühlen oder einer Meinung.
Und auch ich hatte es geglaubt. Seit dem Autounfall mit meinen Eltern im August letzten Jahres war ich in ein Loch gefallen. Alles war mir egal. Die Schule, meine frühere Besessenheit von John Green Romanen und mein Bruder. Geblieben waren mir nur meine Freunde und mein Tagebuch.
Nur ich hatte den Autounfall überlebt. Meine Eltern waren beide später gestorben, aber ich hatte es mit schweren Verletzungen geschafft. Seitdem hatte ich das Gefühl, ich solle nicht hier sein, sondern einer von ihnen. Und das mein Bruder so abgerutscht war, ließ mich denken, es sei nun meine Aufgabe ihm zu helfen. Ich dachte, ich müsste die Rolle meiner Eltern übernehmen.
Und nun wollte ich wieder einen Neuanfang. Ich wollte meinen Ruf loswerden und wieder leben. ICH WILL LEBEN, NICHT NUR EXISTIEREN.
Eingeklemmt zwischen zwei sich streitenden Tussen genoss ich die Fahrt in mein neues Leben. Alle redeten über ihre Sommerpause. Die einen, haben sich in Miami am Strand gebräunt, die nächsten haben ihre Verwandten in Nevada besucht und der Junge gegenüber von mir erzählte seinem Freund lautstark von seinem Trip nach Europa.
Was würde ich erzählen? Kann man erzählen, dass man den ganzen Sommer lang über zu Hause war, Netflix geschaut hat und Tagebuch geschrieben hat, zwischendurch mal mit der besten Freundin telefoniert hat, die dabei war eine Kreuzfahrt mit ihren Großeltern zu machen? Nein, das kann man nicht erzählen.
Ich freute mich sehr darüber heute meine Freundin Jessica und meinen besten Freund Jonathan wieder zu sehen. Johnathans Eltern kommen aus Mexico und arbeiten beide auf einer Erdbeerplantage, auf der auch Jo im Sommer helfen muss. Und dann kommt er immer braun gebrannt nach Hause und erzälte Jess und mir viele spannende Geschichten, die sich die Tageslohnarbeiter auf dem Feld erzählen. Während der Schulzeit lebt er bei seiner Oma, die Haushälterin einer Familie hier in San Diego ist.
Als wir an der Schule ankamen, strömten alle nur so raus. Und ich war mittendrin im Gewusel. Und es fühlt sich gut an. Ich mochte es, eine unter vielen zu sein. Das gab mir das Gefühl, dass die Welt in Ordnung ist. Ich musste lächeln. Ja, ich war bereit für einen Neuanfang.
Als ich Jess sah musste ich grinsen. Ich hatte diese Schreckschraube vermisst. Sie sah aus wie immer: blonde Wellen, stechende hellblaue Augen, Sommersprossen, sportliche Figur und ein breites Lächeln auf den Lippen. Im Gegensatz zu mir, bekam sie im Sommer immer eine schöne Bräune und noch hellere Haare. Meine Haut blieb so hell wie sie war und meine braunen Haare, sah man auch nie den Sommer an. Außerdem hatte ich immer das Gefühl, dass meine grünen Augen leblos aussahen.
„Ich habe dich vermisst Jess!" sagte ich, als ich sie umarmte. „Ich dich auch Mer. Freust du dich auch schon auf die Schule? Ach, habe ich eine Lust auf lernen, früh aufstehen und besonders auf die Leute hier." sagte sie betont sarkastisch. Jess hasste die meisten Leute auf der Schule, besonders die Typen. Was ich nie richtig verstanden hatte, da sie wenigstens nicht für alle unsichtbar war, so wie ich.
„Ich habe auch total Lust auf Schule." antwortete ich ebenfalls betont fröhlich. „Aber es fühlt sich gut an wieder etwas zu tun zu haben und eine unter vielen zu sein. Sie sah mir aufmerksam in die Augen." „Bist du wirklich bereit für einen Neuanfang?" fragte sie forschend. „Ja, bin ich. Ich habe lange genug darauf gewartet, dass meine Eltern wieder zurück kommen und alles wieder normal wird. Ich schaffe das!" Jess lächelte mich an. „Das ist genau die richtige Einstellung!" sagte sie und hakte sich bei mir unter. „Auf ins neue Leben!" rief sie, als wir zusammen durch die mit Postern und Stickern beklebte Tür gingen.
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Merlinda ~ Ich will leben, nicht nur existieren.
Teen FictionMerlinda hat vor einem Jahr ihre Eltern bei einem Autounfall verloren. Seitdem fühlt sie sich wie in einer Blase. Sie bekommt Panikattacken und verbringt die meisten Nachmittage in ihrem Zimmer. Auch die Beziehung zu ihrem Bruder ist nicht mehr, wi...