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Ich stopfe meine zur Faust geballten Hände noch tiefer in die Taschen meiner dunkelgrünen Sweatshirt Jacke. Ganz unten sammeln sich Krümel, die auch vom Waschen nicht weggehen. Außerdem ist der Stoff schon ganz dünn - kurz davor, sich zu einem Loch zu teilen - weil ich diese Haltung so oft einnehme.
Entschlossen weiche ich meinen Mitschülern aus, die alle, durch das Klingeln zum Ende der Pause aufgehetzt, zu ihren Klassenräumen hasten. Auch ich beeile mich. Aber nicht, weil ich zum Unterricht will.
Ich ziehe mir die Kapuze weiter in die Stirn, nicht gesehen werden, nicht auffallen. Einfach mit den Leuten verschwimmen, so wirken, als würde ich hier hingehören. Hier, in den engen, an den Seiten von blaugrünen Spinden gesäumten Schulflur, zwischen all diese lachenden, ekelig frohen Leute, zu denen ich versuche Abstand zu halten.
Eine große Last fällt von mir ab, als ich durch die Eingangstür trete, hinaus auf den Schulhof und an der Gebäudewand entlang, bis zu der kleinen, mit Graffiti beschmierten Ecke neben den Müllcontainern.
Ich bin alleine. Selbst die üblichen Verdächtigen sitzen heute wohl offenbar einmal brav im Unterricht. Es stört mich nicht. Ganz und gar nicht. Hastig fingere ich nach einer Kippe, klemme sie zwischen die Lippen und schütze sie mit der einen Hand vor eventuell aufkommenden Luftzügen, während ich in der anderen mit einem Feuerzeug hantiere. Schließlich ist sie an, ich nehme einen tiefen Zug und behalte den Rauch möglichst lange in der Lunge, bevor ich ihn wieder gehen lasse. Dann noch einen. Nochmal und nochmal, wie ein Ritual. Zitterende Finger, hektische Atemzüge und ein unregelmäßiger Herzschlag.
Ich weiß nicht, wieso ich so austicke. Das ist eigentlich nicht meine Art.
Alles spult sich noch mal in meinem Kopf ab, immer und immer wieder, während ich mich an die Wand lehne und verzweifelt den Rauch in meine Lungen strömen lasse.
Johanna Mason, ein Mädchen aus dem Senior Year, will mir ein paar Fragen über - „Nein", falle ich ihr ins Wort, wobei ich es nicht einmal für nötig halte, sie anzugucken. Doch Johanna gibt keine Ruhe.
„Willst du denn gar nicht wissen, worum es geht?", fragt sie, worauf ich erneut verneine. Leider gehört Johanna Mason zu den Menschen, die es nicht kennen, eine Abfuhr zu bekommen. Also redet sie unbekümmert weiter auf mich ein. „Naja, ich, also wir alle, wir dachten uns, da Rose ja nun nicht mehr zur Abschlussfeier kommen kann, wäre es doch ganz schön, wenn du uns vielleicht ein paar Sachen von ihr geben könntest. So Kinderfotos oder so. Wir wollen nämlich so eine Art Rückblick machen, also von uns allen, und das wäre doch schade, wenn Rose fehlt."
„Ja, wirklich schade", antworte ich tonlos, „Aber nein. Schaut doch mal in alten Schülerzeitungen nach, gibt ja genug."
Ich drehe mich um und und will zu meiner nächsten Stunde, einfach wieder nicht beachtet werden - so wie sonst auch. Aber Johanna hat nicht vor, sich so einfach abspeisen zu lassen und bringt das eine Argument, das ich mehr als alles andere hasse.
„Rose hätte es so gewollt. Sie hatte sogar die Idee."
Ich seufze.
„Okay", sage ich, „Ich bring' dir Montag was mit. Aber dann ist es auch gut, ja?"
Ich hoffe, dass ich genug Autorität ausstrahle, damit sie mich endlich in Ruhe lässt - aber seien wir doch mal ehrlich, wann habe ich das je getan?
Johanna Mason murmelt noch etwas und vermutlich lächelt sie dabei, aber ich bekomme nichts von alldem mit, denn Blut rauscht in meinen Ohren und mein Herz beginnt wild gegen meine Rippen zu hämmern.

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Minus
Fiksyen Remaja"Tief in meinem Herzen halte ich es für viel wahrscheinlicher, dass Rose sich einfach irgendwo abgesetzt hat. Jetzt gerade in diesem Moment in ihrem gelben Bikini am Strand liegt und aus einer, von ihren frisch manikürten Fingernägeln gehaltenen, Ko...