Kapitel 10

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Aidan's Sicht

Seit eineinhalb Stunden sitze ich schon hier in diesem Meeting und höre dem blonden Kerl längst nicht mehr zu. Wann hört er endlich auf, zu reden?

Meine Gedanken schweifen immer wieder zu der schwarzhaarigen Schönheit. Ich will doch gar nicht an sie denken, aber was soll ich machen? Es passiert automatisch.
Ich sehe ihre Augen vor mir. Ihr wunderschönes grün hat sich in meinem Kopf gebrannt. Wenn man in ihren Augen sieht, denkt man, dass man tief in einem Wald steht, dessen Bäume und Blumen in voller Blüte stehen.
Ihr Haar, so schwarz wie Ebenholz. Diese Locken. Jede einzelne will ich um meinen Finger wickeln. Sie fühlen sich bestimmt herrlich an.
Dann diese Lippen. Ich kann nicht genug an sie denken. Ich hätte meine Lippen auf die ihre legen und mit meiner Zunge in ihrem halbgeöffneten Mund, aus dem ihr abgehackter Atem kam, eindringen sollen.
Ich schüttele kaum merkbar meinen Kopf. Was denke ich denn schon wieder? Schon am Morgen bringt sie mich aus der Fassung.

Cole neben mir fängt plötzlich an zu klatschen und reißt mich so aus meinen Gedanken. Auch die anderen fangen alle an, zu klatschen. Endlich, es ist vorbei!
Alle erheben sich. Ich verabschiede mich schnell und mache mich auf dem Weg zu meinem Büro. Am liebsten würde ich gerade nur für mich alleine sein und keinem unter die Augen treten. Ich bin heute besonders reizbar.
Ich eile schnell zum Aufzug und drücke auf den Knopf zu der Etage, in der mein Büro liegt. Cole's Büro liegt eine Etage unter mir. Als die Aufzugtüren sich öffnen, sitzt meine Sekretärin wie erhofft an ihrem Platz. Ich könnte jetzt wirklich einen Kaffee gebrauchen.
„Morgen, Eve."
            „Guten Morgen, Mr. Turner. Wie lief das Meeting?"
„Gut. Sei bitte so lieb und bring mir einen Kaffee."
           „Sicher."

Ich betrete meinen Büro, lasse die Tür laut zuknallen und setze mich auf meinem Schreibtischstuhl. Verdammt! Wieso muss ich die ganze Zeit an sie denken? Ich lehne mich zurück und fahre mir mit den Händen durch mein Gesicht. Ich fühle mich müde und erschöpft. So unmotiviert. Wäre ich heute früh doch lieber Joggen gegangen. Ich bin viel zu spät aufgewacht, so blieb mir keine Zeit mehr dafür.
Das Klopfen an der Tür bereit mir nur noch mehr Unruhe im Kopf.
„Nein" gebe ich genervt von mir. 
Doch Cole denkt gar nicht daran es zu akzeptieren, sondern kommt stattdessen einfach rein und setzt sich auf dem Stuhl gegenüber mir. Was versteht er an einem ,Nein' nicht? 
„Kannst du mir mal bitte verraten, warum du gerade eben nicht ganz klar bei der Sache warst?!"
           „Ich möchte alleine sein. Ich habe dich nicht hereingebeten, also wärst du bitte so lieb und könntest meinen Büro verlassen?"
„Aidan!"
           „Es ist nichts!"
„Haben wir etwa Geheimnisse voreinander? Wir, beste Freunde seit wie lange schon?"
          „Seit dem Kindergarten."

Er sieht mich abwartend an. Okay, ich weiß, dass er nicht locker lassen wird, bis ich rausrücke. Ich habe wohl keine andere Wahl.
„Also, wenn du es unbedingt wissen willst, ich hätte gestern beinahe ein Mädchen überfahren."
Seine lockere Art verschwindet und sein Gesichtsausdruck wird ernst.
Aber ich beruhige ihn schnell wieder.
"Es ist nichts passiert!"
          „Okay und warum nimmt dich das jetzt so mit?"
„Ich verstehe es selber nicht."
          „Erkläre es mir."
„Sie geht mir nicht aus dem Kopf. Ich weiß nicht wieso, aber ich muss die ganze Zeit an sie denken. Mann, das ist doch lächerlich! Und schlimm ist auch noch, dass ich sie mir so gut eingeprägt habe, ich sehe ihr Gesicht vor mir!"
         „Du kannst sie also nicht vergessen?"
„Nein. Warum grinst du so?!"
         „Schon mal was von ‚Liebe auf den ersten Blick' gehört?" So ein Vollidiot.
       „Spinnst du?! Wie kannst du von Liebe reden, ich kenne sie doch gar nicht! Außerdem, Ich und Liebe? Träum weiter, Mann."
„Vielleicht suchst du sie mal?"
       „Hörst du dir eigentlich selber zu, Cole?"
„Ja. Anscheinend hat sie etwas in dir berührt. Das ich das noch erleben darf."
      „Schlag dir deine Wunschgedanken besser aus dem Kopf. Aidan Turner wird sich niemals verlieben. Ich werde sie sowieso nie wieder sehen. Sie ist ein einfaches Mädchen. Nichts besonderes, wie jedes Mädchen."
„Das kannst du doch nicht wissen. Vergleiche bitte nicht eine mit jeder. Nicht alle sind gleich, mein Freund."

Ehe ich eine Antwort geben kann, ertönt schon wieder ein Klopfen.
„Herein."
Na endlich, das wurde aber Mal Zeit. Eve kommt rein mit einer Tasse Kaffee in der Hand. Mit meinem Kaffee. Sie überreicht ihn mir, bevor sie Cole begrüßt und sich mir wieder zuwendet.
„Eh, Mr. Turner?"
         „Ja?"
„Wäre es eventuell okay, wenn ich heute etwas früher gehe? Mein Sohn hat ein Fußballspiel und ich wäre gerne dabei."
            „Nein."
„Nein?"
            „Tut mir leid Evelin, aber du hast hier Pflichten zu übernehmen."
„Okay, verstehe. Dann lasse ich euch mal wieder alleine." Sie quält sich dazu, ein Lächeln aufzusetzen. Gott, wie ich es hasse, wenn Menschen sich verstellen. Das war vielleicht jetzt etwas fies von mir, aber sie wird sich schon wieder beruhigen.
Als sie wieder verschwindet, muss Cole, wie warmherzig er doch ist, sie verteidigen.
„Musste das jetzt sein?"
          „Gott, Cole. Bleib Mal locker. Sie muss eben arbeiten!"
„Du hättest trotzdem eine Ausnahme machen können."
          „Kümmere dich doch bitte um deine Sekretärin und sorge dich nicht um meine, denn das ist wirklich nicht nötig."
„Okay. Wie auch immer. Das hat kein Sinn mit dir. Ich gehe jetzt Mal lieber." Besser so. Tu dir keinen Zwang an, Kumpel.

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