Zwei.

226 24 4
                                    

Ich kann meinen Ohren nicht glauben. Werwölfe? Richtige Werwölfe? Und sie werden uns anvertraut. Laut hörbar schlucke ich.

„Ihr habt drei Wochen Zeit, dann will ich euren ersten, und hoffentlich auch einzigen, Bericht erhalten. Darin soll alles, was ihr für wichtig haltet, stehen. Weitere Dinge, die ihr außerdem noch erfahren habt, können, wenn es die Menge rechtfertigt, in einem kurzen Abriss dargestellt, und zu einem späteren Zeitpunkt abgegeben werden." Gehorsam nicken wir beide, und ich trage das Datum in meinen geistigen Terminkalender ein.

„Ich hoffe, euch ist bewusst, wie gefährlich diese Informationen sind. Das heißt zum Einen, dass ihr, wenn ihr vermutet, etwas herausgefunden zu haben, was unsere Sicherheit bedroht oder unglaublich wertvoll scheint, auf direktem Weg zu mir ins Büro kommt. Zum Anderen, dass ihr keinem von eurem Auftrag erzählen dürft. Im besten Fall würde dann die gesamte Schule zu den Gefangenen rennen, im schlimmsten werden wir von einer Bande Köter heimgesucht. Und die Folgen dessen..."

Wieder nicken wir. Das ist die Chance uns zu beweisen, wir werden ganz sicher nicht so dumm sein, und sie ruinieren, weil wir die Gerüchteküche der Schule anheizen wollen.

Ein paar Augenblicke länger als nötig blickt uns die Hexenmeisterin aus stechenden Augen an, dann nickt auch sie, und erhebt sich. „Gut, gehen wir?"

„Jetzt?", frage ich überrascht, und wundere mich kein bisschen, dass meine Stimme etwas schwächer als sonst klingt. Trotzdem ärgert es mich ein wenig. Maggie wirkt im Vergleich zu mir so selbstsicher.

„Ihr müsst schließlich wissen, wo sich die Gefangenen befinden. In Zukunft könnt ihr sie besuchen, wann immer es euch beliebt." In zügigem Tempo läuft die Direktorin den Gang entlang und wir beeilen uns, ihr zu folgen. Die Treppen hinunter bis ins Erdgeschoss, in einen weiteren Gang hinein, mehrmals abbiegen, bis wir uns in einem Gang befinden, der meines Wissens nur in die Bibliothek oder zu den Wohnungen der Angestellten führt. Weiße Wände, an denen alle paar Schritte große Gemälde bekannter Hexen hängen, umgeben uns.

Plötzlich halten wir inne, und die Direktorin öffnet eine einfache Tür, die gleich wie die anderen zu sein scheint. Kurz bin ich überrascht, dass sie unverschlossen war, doch nachdem sie den Lichtschalter betätigt hat, treten wir bloß in einen Raum, der bis auf eine weitere Tür vollkommen leer scheint. Kahle Wände, aber einen Tick zu groß, um als Besenkammer verkauft werden zu können.

Jetzt zückt die Direktorin einen Schlüssel aus der Rocktasche, und schließt damit die Tür auf. Sie drückt ihn mir in die Hand, und holt einen weiteren aus ihrer Tasche, um auch Maggie einen zu geben. „Gebt gut darauf Acht, sie können vermutlich schneller als ihr denkt in die falschen Hände geraten." Schnell schließe ich meine Finger um das kalte Metall.

Dann tritt sie in die dunkle Öffnung. Offensichtlich reichen die Gaslampen nicht bis hier hin, denn sie nimmt eine Petroleumlaterne und lässt sie mit einer unauffälligen Handbewegung an. Wenige Augenblicke später erhellt die Flamme eine, wie ich jetzt sehe, Treppe, die sich eng um sich selbst windet. Sowohl die Treppe, als auch die Wände, bestehen aus blanken Steinen, die Kälte ausstrahlen. Sofort fange ich in meiner kurzärmligen Bluse an zu frieren. Wir beginnen den Abstieg und schon recht schnell bekomme ich etwas Bammel, weil wir uns so weit unter die Erde begeben, und kein Ende in Sicht ist. Mit jedem Schritt wird es scheinbar etwas kühler, und eine Gänsehaut breitet sich auf meinen Armen aus. 

Mir wird ein bisschen flau im Magen, als ich daran denke, wie viele Tonnen Gestein und Erde sich wohl über uns befinden. Die Tatsache, dass ich das Element Erde beherrsche, beruhigt mich überraschend wenig. Allerdings nicht ganz so überraschend wenn man daran denkt, dass ich die Erde noch so gut beherrschen kann, am Schluss sterbe ich trotzdem, wenn plötzlich Tonnen Gestein auf mich fallen, mich zerquetschen und mir die Luft rauben. 

FeuerspurWo Geschichten leben. Entdecke jetzt