Drei.

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Beim Öffnen der Tür erklingt ein lautes Quietschen. Augenblicklich lässt die kreischende Dissonanz eine Gänsehaut auf meinen Armen erscheinen. Als ich einen Schritt in die Öffnung hinein wage, stockt mir unwillkürlich der Atem. Zu beängstigend ist das, was jetzt passiert.

Doch ich darf keine Angst haben! Der erste Eindruck wird der wichtigste sein, ich muss jetzt also stark wirken. Er darf nicht sehen, dass das hier mein erstes Mal wird. Nicht nur meine erste Befragung, sondern auch meine erste Begegnung mit einem Wolf. Das könnte Widerstand seinerseits auslösen. Oder vielleicht glaubt er auch, mich hinters Licht führen zu können. Das ist schließlich ziemlich gut möglich, da ich tatsächlich keine Ahnung habe, was ich hier mache. Ich bezweifle es überhaupt sehen zu können, wenn er mich anlügt. Und was soll ich dann machen? Oder wenn er erst gar nicht mit mir redet?

‚Oh Gott, ich darf nicht versagen. ' Aber ich werde es, wenn ich mich nicht anstrenge. Wenn ich mich jetzt nicht zusammenreiße, und so selbstsicher wie nur möglich in diese Zelle hineinspaziere und dem Köter gegenüber trete.

Mit erhobenem Kinn und undurchdringlicher Miene, wie ich es jedenfalls hoffe, mache ich feste Schritte nach vorne. Hinein in die Zelle. Mit einem lauten Knall schließt sich die Tür hinter mir. Zu Beginn sehe ich nur die massiven Steinwände, die silbern schimmern. In der Ecke gegenüber der Tür liegt eine fleckige Strohmatte auf dem Boden. In der anderen Ecke steht ein metallener Eimer. Als ich schließlich eine viertel Drehung absolviere, sehe ich ihn.

Überrascht stocke ich. So habe ich ihn mir nicht vorgestellt, das habe ich nicht erwartet. Erstens ist er jung. Viel jünger, als gedacht, vermutlich sogar in meinem Alter. Und zweitens: Er ist hübsch.

Tiefschwarze Haare, die einen beinahe bläulichen Schimmer haben, hängen ihm in die Stirn. Vermutlich sind sie normalerweise wie bei so vielen Männern ordentlich zurück gegelt. Der jetzige Anblick erscheint mir privat, nicht für fremde Augen bestimmt.

Dunkle, dicke Augenbrauen ziehen sich über den haselnussbraunen Augen zusammen, die umrahmt sind von starken Augenringen, die seine Blässe nur noch hervorheben. Ausgeprägte Wangenknochen verleihen ihm dieses klassisch elegante Aussehen, das nur die wenigsten Männer besitzen. Und gepaart mit der dunklen Stoffhose und einem halb zerrissenen Hemd, erinnert er mich entfernt an einen Mafioso.

Seine Augen weiten sich unwillkürlich bei meinem Anblick. Gut, er hat Angst. Doch tatsächlich wirkt es nicht wirklich wie Angst, eher scheint es ein Spiegel meiner eigenen Emotionen zu sein. Vielleicht überrascht ihn mein Erscheinungsbild und Alter genauso sehr, wie mich seins? Vermutlich hat er nicht erwartet, von einer Schülerin verhört zu werden. Plötzlich wird mir bewusst, dass ich noch meine Schuluniform trage. Ich schaffe es gerade noch zu verhindern, dass ich nervös am Rock herum zupfe.

Er versucht einen Schritt nach vorne zu machen, und nur mühsam schaffe ich es, nicht zurückzuweichen. Doch zwei Handschellen halten ihn an Ort und Stelle, direkt an der steinernen Wand.

Laut zischt er auf, als ihm das Silber in die Handgelenke schneidet, und sein seltsamer Gesichtsausdruck ist verschwunden und einem schmerzverzerrtem gewichen. Doch der verschwindet genauso schnell, und schließlich starrt er hasserfüllt den Boden an.

Diesen Moment seiner Unaufmerksamkeit nutze ich kurz, um die Augen zu schließen und mich zu sammeln. Meine Nervosität ist wieder ins Unermessliche gestiegen und die Tatsache, dass er so aussieht, hilft nicht gerade. Schließlich sind meine Begegnungen mit dem anderen Geschlecht sehr rar, und mit so einem Mann hatte ich sicher noch nie das Vergnügen.

‚Er ist ein Wolf!', rufe ich mir ins Gedächtnis. ‚Alles in ihm ist darauf aus, dich zu töten.' Schnell öffne ich die Augen, und würde sie am liebsten direkt wieder schließen, als ich sehe, dass sein Blick auf mir liegt. Intensiv starrt er mich an.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 04, 2018 ⏰

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