1. Kapitel

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"Eliza wach auf! Dein Vater möchte, dass du in sein Arbeitszimmer kommst." sagt eine weibliche Stimme energisch und rüttelt mich an der Schulter. Ich grummele nur vor mich hin und drehe mich auf die andere Seite, während ich die Decke über den Kopf ziehe. Plötzlich schüttet jemand etwas Eiskaltes über mich, sodass ich verärgert aufspringe. „Hey! Was soll das?" frage ich meine beste Freundin Melanie wütend, die mich gerade auslacht. Warte was hat sie gesagt? Ich soll in Michaels Arbeitszimmer kommen? Fuck! Was hab ich denn diesmal angestellt? Von den Lamas weiß er doch nichts oder etwa doch? Nein, davon kann er doch nichts wissen, obwohl...Oh shit! Er wird mich umbringen! Sofort mache ich mich auf den Weg zu seinem Arbeitszimmer. Dabei stolpere ich fast über meinen Teppich. Eilig renne ich aus meinem Zimmer, den Flur entlang und die Treppe runter. Die dritte Tür von links ist dann auch schon mein Ziel. Hier bleibe ich vollkommen außer Atem stehen und versuche erst einmal richtig Luft zu bekommen. Mann so ein Marathonlauf in der Früh ist eindeutig nicht so mein Ding. Erst als ich mich wieder beruhigt habe klopfe ich an seine Tür. Nach ein paar Minuten kommt dann auch schon die genervte Stimme ein „Herein" knurren.

Puh. Auf in die Höhle des Löwen. Bei diesem Gedanken wische ich mir noch nervös meine schwitzigen Hände an meiner Hose ab, atme noch einmal tief durch und öffne dann entschlossen die Tür. „Setz dich!" wird mir sofort befohlen, als ich durch die Türe und auf ihn zugehe. Also lasse ich mich auf den linken Stuhl vor dem Schreibtisch gegenüber von meinem Vater sinken. Ich schau mich kurz im Zimmer herum. So oft war ich hier noch nicht, da sich mein Vater ja normalerweise nicht für mich interessiert. Naja außer eben, wenn ich mal was verbockt habe. Als ich jünger war, habe ich oft seine Regeln nicht befolgt, weil das die einzige Möglichkeit war ihn zu sehen und sich auch noch mit ihm zu unterhalten. Das habe ich aber schon vor ein paar Jahren aufgegeben. Tja so ist es eben, wenn man nur ein Mensch ist. Meine Mutter war ein Mensch, offensichtlich haben ihre Gene überwogen, sonst hätte ich mich wie jeder andere schon als 6-jährige verwandelt.

Erschrocken sehe ich wieder zu Michael, nachdem er mich mit seinem Räuspern aus meinen Gedanken gerissen hat. „Eliza. Du bist jetzt schon 18 Jahre alt und hast dich noch kein einziges Mal verwandelt. Nicht nur, dass du eine totale Schande für mich bist. Nein, du bringst auch noch das gesamte Rudel mit deiner Schwäche in Gefahr. Sollte mal einer unserer Feine erfahren, dass sich nicht mal die Tochter von einem der mächtigsten Alphas verwandeln kann, werden sie uns nicht mehr respektieren und uns womöglich angreifen."

Verwirrt sehe ich Michael an. Okay. Nochmal Glück gehabt. Er weiß nichts von der Sache mit den Lamas. „Worauf willst du hinaus?" frage ich ihn vorsichtig. „Wir, also das Rudel und ich möchten dich nicht mehr hier haben. Du bist nur eine Last, also habe ich mich entschieden dich zu verstoßen. Bevor du etwas sagst, das Rudel weiß Bescheid. Es war sogar ihr Vorschlag. Du bekommst Zeit noch ein paar Sachen zu packen, aber bis morgen Früh musst du über der Grenze sein, sonst wirst du behandelt wie jeder andere Feind. Ab sofort wird dir jeglicher Kontakt mit dem Rudel oder das Betreten unseres Reviers verboten. So jemand schwaches, wie du es bist ist nicht meine Tochter. Also verschwinde und lasse dich hier nie wieder sehen." sagt er so neutral und gelangweilt, als wäre es ihm vollkommen egal.
"Aber Vater..."
"Nein! Nenn mich nicht Vater. Der bin ich nicht mehr. Eliza ich will dich nicht mehr hier sehen. Du machst mir nur Ärger und mit Sache mit den Lamas wollen wir erst gar nicht noch anfangen."
Ich stehe wortlos auf und gehe.
Es ist so schrecklich, wie kann ein Vater das nur tun? Klar er hat mich noch nie wirklich geliebt und auch noch nie Aufmerksamkeit geschenkt, außer, wenn er einen Grund hatte mich zu schimpfen, aber wieso? Gibt er mir etwa die Schuld für Mutters Tod?
Bedrückt schlurfe ich in mein Zimmer und packe in meinen Rucksack, die wichtigsten Sachen. Bevor ich gehe sehe ich noch auf die Uhr. Hmm also habe ich nur eine halbe Stunde lang gebraucht, um meine Sachen einzupacken. Ich gehe geradewegs aus dem Dorf, ignoriere die hasserfüllten Blicke von meinem ehemaligen Rudel.

"Eliza warte!" Ich stocke bei dem vertrauten Klang, der Stimme meiner besten Freundin. Zweifelnd sehe ich zu ihr zurück. Ob sie wohl auch von dem Entschluss wusste. Hat sie auch dafür gestimmt? Hält sie mich für sie Gefahr?

„Hast du davon gewusst? Hast du gewusst, dass sie mich verstoßen wollen?" frage ich sie. Sie sieht mich erschrocken an „Nein. Doch. Ach Eliza, das ist nicht so leicht. Ich durfte es dir doch nicht sagen. Es tut mir so leid. Ich wollte sie davon abhalten, aber der Alpha hat sie alle gegen dich gehetzt. Er will dich unbedingt loswerden. Bitte geh nicht. Lass ihn nicht gewinnen." Sagt sie vollkommen außer Atem, da sie mir wohl den gesamten Weg vom Dorf hinterhergerannt ist. „Nein, Melanie. Ich gehe. Bitte rede nicht mit mir, sonst wird dich Michael auch noch bestrafen. Ich muss jetzt weg. Hier gibt es kein zu Hause mehr für mich. Siehst du nicht, dass das Rudel mich nicht mehr hier haben möchte?" mit diesem Satz deute ich zurück zum Dorf. „Danke, dass ich deine Freundin sein durfte. Ich werde dich vermissen."
Ich umarme sie für einen Moment. Schnell wende ich mich ab, dass sie meine Tränen nicht sehen kann und renne nach Norden, immer der Nase nach. Auf einen Hügel bleibe ich stehen und blicke traurig auf mein altes zu Hause zurück. Hier lebte ich schon mein ganzes Leben lang und jetzt muss ich von einem auf den anderen Moment weg? Ich erinnere mich an die vielen Momente mit meiner Freundin Melanie. Leider war sie die Einzige, die mich wirklich gemocht hat, die Anderen haben mich immer angsterfüllt oder verachtend angesehen. Sogar meine Stiefmutter und meine kleinere Stiefschwester haben mich schon immer hasserfüllt angesehen. Wahrscheinlich ist es doch besser weg zu gehen. Habe ich nicht öfter darüber nachgedacht und mich nur nie getraut? Tja jetzt muss ich wohl weg.

Ich laufe so schnell ich kann und so weit ich kann. Mehrmals muss ich die aufkommenden Tränen wegblinzeln. Das hier ist alles Vergangenheit. Ich fange jetzt ein neues Leben ganz weit weg an. Ohne Familie, ohne Freunde, ohne Heimat. Die alte Eliza gibt es nicht mehr. Jetzt muss ich nur noch überlegen wo ich bleiben werde.

VerstoßenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt