Teil 5

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Tim kommt mit einem großem Rucksack, in welches es alles für das Wochenende gepackt hat, auf mich zu. Ich lächle, an mein altes Auto gelehnt und mache ihm die Tür auf. "Das du mich mal auf etwas einlädst, Vater ... das hab ich mir nie träumen lassen." "Soll schon mal vorkommen.", erwidere ich, nehme ihm sein Gepäck ab und lege es in den Kofferraum. In den letzten 3 Tagen habe ich nach und nach das ganze Zeug zu meiner kleinen Hütte geschafft. Das Zeug aus dem Baumarkt, meine Unterlagen zu dem Fall, technischen Kram und alles was man für meinen Plan so braucht. Ich gehe um das Auto herum, öffne meine Tür, setzte mich auf den Sitzt, schnalle mich an und stecke den Zündschlüssel ins Schloss: "Also gut mein Sohn, ich hoffe wir werden ein erfolgreiches Wochenende zusammen verbringen." Tim lächelt und macht den Kassettenspieler, ja mein Wagen ist wirklich schon etwas älter, an und antwortet: "Ich bin echt überrascht, Vater. Hast du etwas spezielles geplant?" "Ich fahre aus der Einfahrt hinaus und biege nach links ab: "Das wirst du schon sehen, mein Sohn." Tim nickt. 

Während der Fahrt sagen wir beide kein Wort, sonder hören einfach die Musik an. Es ist das Mix-Tape, dass er mir zu meinem 50. geschenkt hat. Wenn ich ehrlich bin, höre ich es heute zum ersten Mal. Ich hatte es zwar schon eingelegt, doch auf den Play-Knopf zu drücken habe ich nicht über mich gebracht, aus Angst die Lieder auf der Kassette, könnten mich an Lora erinnern. Erst jetzt wird mir bewusst, was für ein Aufwand es für Tim gewesen sein muss, alles auf eine Kassette zu spielen, da er wusste, dass ich im Auto kein CD-Fach habe. Ich fühle mich schlecht, dass ich sie noch nie angehört habe. 

Nach guten 2 Stunden fahre ich von der Landstraße ab und nehme die holprige Straße, die zu der kleinen Hütte führt. Nach ca. 20 Minuten sind wir angekommen und parke meinen Wagen auf der Rasenfläche hinter der Hütte. Sie war einst das Jagdhäuschen meines Großvaters. Einstöckig. Mit einem Plumpsklo außerhalb, einer kleinen Küche, die wir vor 30 Jahren mal mit zwei Elektroherdplatten ausgestattet haben und einer kleinen Stube. In dem Schlafzimmer kann man zu fünft in den typischen Holzkästen schlafen, doch wegen den Motten bringen wir das Bettzeug immer selbst mit. Einen Heißwasser-Anschluss gibt es auch nicht, dafür haben Lora und ich mal einen Wasserkocher für die Hütte gekauft. Wir zwei verbrachten zusammen viele schöne Nächte in dieser Hütte, lebten dort wie die Einsiedler ... Lora hat es geliebt am Morgen Beeren von den nahen Sträuchern zu pflücken und uns beiden dann Pfannkuchen damit zu machen. Wir lagen zusammen auf der kleinen Lichtung, haben uns die Sonne auf den Bauch scheinen lassen und haben uns geliebt. Hier kommt man wirklich zur Ruhe ... früher zu mindest. Jetzt ... seit dem das Ding hier in der Nähe sein Unwesen treibt, fahre ich nicht mehr gerne hier hin. Jedem der gefragt hat, habe ich Lügen und Ausreden aufgetischt. Doch für dieses Wochenende mit meinem Sohn, habe ich mich sehr gut vorbeireitet ... uns sollte nichts passieren. 

"Sooo ... da sind wir.", ich öffne die Autotür und mache den Kofferraum auf. "Ich war schon ewig nicht mehr hier, ich kann mich kaum noch daran erinnern", Tim schaut Gedanken verloren die Umgebung an, "Das letzte Mal war vor ... 11 Jahren?" Ich nicke und hole den Korb mit Lebensmitteln heraus und gehe an ihm vorbei zur Hütte. Tim schnappt sich seinen Rucksack und folgt ihm. "Uiii ... hast du den Primitivo extra für uns gekauft?" "Ja", antworte ich knapp und schließe die Tür auf, die Kiste auf meinem Knie abgestützt. Ich gehe hinein, stelle die Kiste auf dem Tisch ab und drehe mich zu Tim: "Lege deinen Rucksack ins Schlafzimmer ... du müsstest mir noch bei etwas helfen." "Klaro ...", mein Sohn wirft den Rucksack auf seine Schlafbucht und kommt zu mir hinter das Haus. Ich halte ihm die Handschuhe hin, die ich gekauft habe und deute auf den Maschendraht und den Stacheldraht. Tim runzelt die Stirn und nimmt die Handschuhe: "Warum zur Hölle, hast du dieses Zeug gekauft? Du willst doch nicht etwa einen 2 Meter Zaun um das Haus ziehen." "Das ist haargenau was ich vor hatte", erwidere ich und streife mir die Handschuhe über. Tim verdreht die Augen und hilft mir den Maschendraht mit einem 4 Meter-Abstand um das Haus zu ziehen: "Schließlich habe ich keine andere Wahl, wir haben ja nur ein Auto und die Autoschlüssel hast du." Ich muss über den frustrierten Ton meines Sohnes lächeln und ich erkläre ihm, wie wir den Zaun aufbauen müssen: "Seh es positiv ... jetzt lernst du von mir, wie man einen Sicherheitszaun aufbaut." "Haha", erwider er sarkastisch, doch er geht mir gut zur Hand und nach 2 Stunden steht der Zaun, stabil um die Hütte.

Als er, mit Hilfe einer Leiter, den Stacheldraht mit Kabelbindern oben anbringt, flucht er plötzlich: "Ahhh ... verdammte Scheiße!" Er wedelt kurz mit einer Hand und steigt die Leiter hinunter. Mittlerweile ist es schon dunkel geworden und ich leuchte ihm mit dem Handscheinwerfer den Weg. "Was ist passiert?", frage ich ihn besorgt. "Fuck ... hast du die richtigen Handschuhe für diesen Mist gekauft?!", er steht nun vor mir und presst sich die Hand auf seine andere. Ich schaue mir seine Verletzung an, er scheint sich am Draht den Handrücken aufgerissen zu haben, "Ich habe im Haus einen Verbandskasten ... einen Moment.", ich eile so schnell ich kann in die Hütte und komme mit Desinfektionsspray und einem Verband zurück. Ich reinige seine Wunde und verbinde sie vorsichtig, ich fühle mich etwas schuldig, dass ich zu faul war, noch mal zum Baumarkt zu gehen, um die richtigen Handschuhe zu kaufen. Tim schaut mich verwundert an und lacht dann: "Weißt du was, Dad ... du könntest Krankenschwester werden, das wär doch was." Ich lache und nehme es ihm nicht mal übel, dass er mich Dad genannt hat. "Nene ... ich bleibe da doch lieber Privatdetektiv.", antworte ich und steige selbst auf die Leiter, "Lass mich das mit dem Stacheldraht noch eben fertig machen." "Ok, Dad ... ich leuchte dir und halte die Leiter fest." 

Ich habe den Draht schnell montiert ... doch gerade als ich den letzten Kabelbinder festziehe ... zuckt mein Sohn zusammen: "Hast du das auch gehört?" Ich spitze dir Ohren. Ein Knacken und Atmen in unserer Nähe ist zu hören. Ich klettere langsam die Leiter hinunter und stelle mich neben Tim. Wieder dieses Knacken und eine Gestalt huscht zwischen den Bäumen umher. Für einen Moment konnte man sehen, wie sich etwas Großes bewegt hat. Tim wird nervös und leuchtet sofort mit seiner Lampe in diese Richtung, doch es ist nichts außer Bäumen, Laub und Matsch zu erkennen: "Papa ... h-hast du das auch gesehen." "Schhhhh ....", mache ich und lege ihm eine Hand auf die Schulter. Ich suche mit meinen alten Augen die schwarze Umgebung ab ... suche nach 3 gelb leuchtenden Augen, oder spitzen Zähnen. Doch der Nachthimmel ist stark bewölkt, der Nebel zieht langsam in den Wald ein. "Dad ... i-ich ... hast du den Zaun etwa ..." Plötzlich springt eine Kreatur an den Zaun und schreit laut. Ich und mein Sohn hüpfen vor Schreck nach hinten und schreien ebenfalls. Tim dreht die Lampe in die Richtung, aus der das metallische Klirren des Drahts und das Keuchen zu hören ist. Als der grelle Lichtkegel auf die Kreatur fällt, schreit es erneut, doch es starrt unbeirrt in das Licht. Das Ding hat einen langen, grauen, spindeldürren Körper, seine hässlichen Hände und Füße krallen sich an den Maschendraht. Es hat seinen Mund weit aufgerissen und entblößt seine schrecklichen, langen Reißzähne, die drei Augen starren mich und meinen Sohn an. Ich rappel mich auf und stelle mich vor Tim. Doch so schnell, wie es gekommen ist, ist es auch wieder verschwunden. 

Tim keucht und zittert: "Fuck .... Fuck .... FUCK! Was zur Hölle war das!" Ich halte ihm eine Hand hin und ziehe ihn hoch: "Alles gut, mein Sohn ... über den Stacheldraht kommt es nicht ohne dort hängen zu bleiben." Er steht mit wackeligen Beinen vor mich und greift sich an die Brust: "Vater ... Was ... zur Hölle ... was das!?" Auch mir schlägt mein Herz bis zum Hals, ich lege eine Hand auf seinen Rücken und bugsiere ihn in die Hütte hinein. "Das mein Sohn ... das ist mein kleines Hirngespinst, wie du es gerne bezeichnet hast." "A-Aber ... a-aber ...", er fällt auf einen Stuhl und kippt gleich das Beruhigungs-Schnäpschen hinunter. Er beruhigt sich etwas und starrt mich an. "Deswegen hast du mich hier her gebracht, deswegen hast du mit mir den Zaun aufgebaut." Ich nicke und setzte mich ihm gegenüber. "Sag mal ... bist du den WAHNSINNIG?!", er schaut mich wütend an, seine Hände zu Fäusten geballt, "Du setzt seinen eigenen Sohn dieser Gefahr aus ... diesem ... diesem DING?!" Ich schaue ihn ernst an: "Die Frage ist doch ... wenn wir es nicht beseitigen, dann setzten wir unsere ganze Stadt diesem .... Ding aus." Tims Miene ist entsetzt: "Du bist völlig übergeschnappt ... völlig übergeschnappt." Ich schiebe meinen Stuhl zurück, erhebe mich, hole zwei Gläser und den guten Wein, den ich gekauft habe und stelle ihn auf den Tisch. "Oh nein, Dad ... mit Wein kannst du mich nicht bestechen." Doch ich achte nicht auf ihn und gehe ins Schlafzimmer, wo ich schon meine Sachen vorbereitet habe. Ich kehre mit einem Stapel voller Bilder, Mappen und Aufzeichnungen zurück und breite alles auf dem großen, rustikalen Tisch aus. Tim starrt mich erst wütend an und blickt dann abschätzig auf meine Sammlung: "Das ganze ist ja noch schlimmer, als ich dachte ... du bist je besessen von dem Vieh." Ich setzte mich im Gegenüber, falte meine Hände und beginne zu erzählen: "Hör mir jetzt zu, Junge ... ich werde dir jetzt ..." "Ich will damit nichts zu tun haben! Ich will ..." Ich knalle meine Hand auf den Tisch: "DU WIRST MIR JETZT ZU HÖREN!" Stille. Etwas verängstigt blickt mein Sohn mich an, ich war in seiner Gegenwart noch nie wirklich wütend geworden. Ich schaue beschämt auf den Tisch, seufze und fahre fort: "Dieses Ding, wie du es nennst, habe ich Letum getauft ... lateinisch für Tod. Ich habe es zuvor schon einmal gesehen, heute war es das zweite mal. Als ich ein kleiner Junge war, hat es mich in der Nacht angegriffen, doch ein Sturm hat es abgeschreckt. Genauer gesagt, hat der starke Wind meine halb geöffneten Fenster aufgerissen und mein Schrank ist direkt vor mir auf den Boden gekracht. Als dann meine Eltern kamen, war es schon verschwunden." Mein Sohn runzelt die Stirn: "Kein wunder, dass du nicht normal tickst ... muss verstörend für dich gewesen sein." Ich überhöre die Beleidigung und hole stattdessen die Fotos des Tatorts, die mir Frau Schmitter zugeschickt hatte, hervor und zeige sie ihm. Sofort verzieht Tim das Gesicht: "Urg ... warum zeigt du mir so was Dad? Kannst du mich nicht wenigstens vorher warnen? "Sie dir mal die Verletzungen an. Etwas spitzes ist ihr durch die Wange geschoben worden, das ließe sich schon erklären, aber die an ihrem Brustkorb ..."Tatsächlich sieht die Wunde zwischen Oberkörper jnd Unterleib merkwürdig aus. Insgesamt sechs Einstiche sind zu erkennen. Drei oberhalb und drei unterhalb der Rippe. Der Knochen selbst ist etwas nach vorne gerückt, sodass er unter der Haut hervor tritt. Doch was besonders ungewöhnlich ist, dass bei den oberen Einstichen das Fleisch nicht nach innen, sondern nach außen gewölbt ist. Wie als hätte sich etwas von innen durch das Fleisch gebohrt. "Was?! Wie sollte so eine Wunde denn zustande kommen ... das MUSS fake sein!", Tim hebt das Foto der Wunde hoch und betrachtet es genauer. "Ich habe da etwas anderes im Sinn ... was wenn, das Letrum sie an der Rippe gepackt hielt? Wie bei einem Kasten Bier, du ver" Er starrt mich entsetzt an: "Du ... du vergleichst die nicht gerade mit ..." Ich winke ab: "So war das nicht gemeint, das weißt du." Der junge Mann rümpft die Nase: "Bei dir weiß man ja nie." Ich zeige ihm das nächste Bild, das ihres aufgerissnen Halses: "Hier sind deutlich Abdrücke eines Kiefers zu erkennen. Die Bissspuren sehen keinem Tier ähnlich ..." Tim schmeißt frustriert die Fotos auf den Tisch: "Weißt du was?! Lass doch die Polizei einfach die Arbeit machen. Die sind ausgebildet, haben die richtigen Waffen ..." "Ahh ... gut, dass du es erwähnst.", ich stehe auf und hole aus dem Wandschrank die zwei Schrotgewehe hervor. Tim, fährt sich mit beiden Händen über sein Gesicht: "Oh Mann ... das ist verrückt, das ist voll ... kommen ... verrückt." "Was verrückt ist, dass hier draußen ein tödliches Wesen herumläuft, und es noch nicht gejagt wird ... aber das wird sich ändern ...", entgegne ich und umklammere grimmig, den Lauf meiner Flinte.

Drei Augen in der DunkelheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt