(Ende) Teil 8

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Tim geht geschäftig in der Hütte hin und her. Er hat seinen Rucksack mit allem möglichem gepackt, was er für die "Monsterjagt" wichtig hält. Ganz oben die zwei Flinten, samt der Munition, dann kommt Verpflegung, und davon nicht zu knapp, die zwei Taschenlampen, die Handschuhe, weiß Gott wofür er die nützlich hält, zwei große Küchenmesser und die Tarn-Jacken aus den 90ern, die mein Vater noch zum Jagen benutzt hat. "Sooo ... ich hab alles, dieses Mistvieh kann sich jetzt vergraben gehen.", knurrt mein Sohn und schultert den schweren Rucksack. Ich folge ihm, doch ich habe ein ungutes Gefühl in meiner Magengegend, irgendetwas wird passieren, ich ahne es. Doch wir beide machen uns am helllichten Tage auf den Weg. Wir waren beide der Meinung, dass wir sie Sonne nützen sollten, solange es geht, da das Letum ja nicht lichtempfindlich sei. Ich schließe das Tor auf, lasse meinen Sohn hindurch und schließe hinter ihm wieder ab. 

"Also was nun, Tim? Was hast du vor?", ich habe mich entschlossen ihm die Führung zu überlassen. Er ist jünger, was jedoch nicht mein Hauptgrund war, und vor allem viel ehrgeiziger als ich. Mein Glauben, an eine erfolgreiche Expedition, wenn man das hier so nennen möchte, ist verschwinden gering geworden, doch der Blick in den Augen meines Sohnes lassen mir keine andere Wahl. Er wäre auch ohne mich losgezogen und dass konnte ich nicht zu lassen. Also mache ich nun bei diesem Wahnsinn hier mit, in der Hoffnung, dass mein Sohn und ich da lebend wieder raus kommen. "Da lang.", antwortet mein Sohn in einem sicheren Ton und marschiert geradewegs in den Wald hinein, in ungefähr die Richtung, in welches es Loras Überreste geschleift hatte. Ich folge ihm und so stapfen wir ungefähr eine halbe Stunde, beide die Gewehre im Anschlag, durch das Dickicht. 

Bei jedem Rascheln, Knarzen oder Krächzen eines Vogels zucken wir zusammen, pressen die Rücken aneinander und zielen mit dem Lauf unserer Waffen auf alles um uns herum. Doch es waren immer nur Tiere, der Wind oder wir selbst, die die Geräusche verursacht haben. Der Wald ist sehr gut einsehbar. Die hohen Kiefern stehen zwar dicht beieinander, doch kein allzu hohes Gebüsch oder Farn versperrt die Sicht, sodass man gut 100 Meter weit sehen kann. Sogar die Sonne scheint und zaubert ein verträumtes Lichtspiel zwischen den Blättern und Ästen. Das Moos ist schön grün, für diese Jahreszeit und tatsächlich lassen sich schon die ersten Buschwindröschen und Gänseblümchen zeigen, obwohl es erst Ende Januar ist.  Eigentlich hätte ich an einem solchen Tag Pilze gesammelt, wenn ich noch mit Lora verheiratet gewesen wäre und der Monat gepasst hätte, im Januar kann man das Pilze Suchen vergessen. Doch trotz des schönen Wetters und der ganz und gar nicht gruseligen Atmosphäre sind wir beide zu tiefst angespannt. Nervös suchen wir immer die Umgebung ab, ich gehe hinter ihm, er geht mir voraus.

Plötzlich spüre ich, wie etwas meine Schulter berührt. Ich schnelle herum, doch da ist nichts. Von meiner hastigen Bewegung alarmiert, dreht sich Tim aufgeschreckt zu mir um: "Was ist los, Vater?!" Ich kneife meine Augen etwas zusammen und suche die Bäume ab, doch ich sehe nichts: "Ich dachte ich hätte etwas gespürt, auf meiner rechten Schulter." Ich drehe mich wieder zu ihm um: "Ich bin bestimmt nur an einem der Äste hängen geblieben." Doch Tim streckt eine Hand nach meiner Schulter auf und wischt mit einem Finger über meine Jacke. Dann hält er ihn vor sich, seine Fingerkuppe ist rot. "Was ist das?", meine Stirn legt sich in Falten. "Ist es ... Blut?", er leckt vorsichtig über seinen Finger und verzieht sein Gesicht, "Ja ... ist es.". Automatisch schauen wir beide hoch, noch ein Blutstropfen landet auf mir, doch diesmal auf meiner Wange. Mein Sohn beginnt schneller zu atmen: "Vater ... verdammt ... scheiße ...", er rauft sich durch sein Haar, streicht sich über sein Kinn. Jetzt kann auch ich es erkennen und betreten starre ich zu Boden und wische mir mit dem Ärmel meiner Jacke das Blut von meinem Gesicht. "Fuck ... FUCK!", Tim dreht sich immer wieder im Kreis, stützt sich dann an einem Baumstamm ab und presst sich die Hand auf den Mund, um einen Schluchzer zu unterdrücken. Ich drehe mich zu ihm, lege eine Hand auf seine Schulter und ziehe ihn mit mir, weg von diesem Baum. 

Nach gut 200 Metern, lasse ich mich auf einem umgefallenem Baumstamm nieder, ziehe meinen Sohn neben mich, hole den Rucksack von seinen Schultern und öffne ihn: "Wir sollten eine kurze Pause ..." 
"Ich will jetzt nichts essen, Dad." 
Ich nicke und schließe den grauen Rucksack wieder und positioniere ihn zwischen meinen Knien. "Tim ..." "Ich will nicht darüber reden!", schnauzt mich mein Sohn an und steht wieder auf, "Los ... Wir müssen weiter." Er nimmt den Rucksack, schwingt sich ihn auf den Rücken und stapft, wesentlich schneller als vorher, durch den Wald. Ich folge ihm so schnell ich kann. Seine Unachtsamkeit macht mir Sorgen, er ist zu dem seht laut. Jedesmal, wenn er auf einen Ast tritt, zucke ich zusammen, doch er marschiert stur weiter. 

Und so geht es weiter bis es dunkel wird. Zwischendurch haben wir dann doch mal etwas gegessen und getrunken. Dank meiner schwachen Blase, musste Tim ein paar mal auf mich warten, wenn ich meine Blase entleerte. "Mir gefällt das nicht, Sohn ... es dämmert und wir haben schon unsere Taschenlampen angeschaltet. Denkst du nicht, wir sollten langsam umkehren?", frage ich ihn, als ich, meinen Hosenstall zu machend, auf ihn zu komme. "Nun gut ... ich seh's ja ein.", antwortet mein Sohn resigniert und geht in die Richtung aus der wir gekommen sind. Zumindest dachten wir, dass wir aus dieser Richtung kamen. Es ist wirklich verdammt einfach sich in einem Wald zu verlaufen, den man einen Tag lang durchforstet hat, vor allem wenn es dunkel wird. Ich denke immer mehr darüber nach, was für eine wahnsinnige Schnapsidee das von uns war. Einfach in den Wald spazieren und hoffen dem Letum auflauern zu können, was für ein Blödsinn. Doch ich halte meinen Rand, ich möchte meinen Sohn nicht unnötig aufregen, der nur mit Mühe sein Gesicht bewahren kann. 

"Papa ... warst du das?", Tim dreht sich zu mir um. Ich schaue in fragend an: "Von was sprichst d---", da höre ich es auch. Ein Keuchen direkt hinter uns. "LAUUUUUF!", schreie ich meinem Sohn entgegen. Dieser fackelt nicht lange und rennt in den Wald hinein. Ich drehe mich um und der Lichtkegel meiner Lampe fällt auf das Letum. Er steht direkt vor mir. Gut zwei Meter groß, seine Arme lässt es lässig an seinen Beinen hinunter baumeln: "Schööönen guten Abend." Es spricht mich an ... das Ding hat es was zu mir gesagt ... ich bringe keinen Ton heraus und hebe nur mit zitternden Händen mein Gewehr und richte es auf seine Brust. "Hihihihihihi ... willst dein Junges wohl schüüützen ... wassss?", es kichert und zischelt leicht, leicht. Während sein Kichern hoch und schrill ist, ist seine Stimme eher ... pfeifend. "B-B-Bleib weg von ihm!", der Griff um meine Flinte wird fester, als meine Hände noch stärker anfangen zu zittern. "Ach du meine Güte ... jetzt bekomm' ich aber Angsssst.", es kichert und packt den Lauf meiner Flinte. Ich drücke ab. Eine Ladung Schrot jagt durch den Brustkorb der Kreatur vor mir. Das wenige Fleisch, dass auf seinen Knochen ist wird völlig zerfetzt. Die Lungenbläschen zerplatzen alle auf einen Schlag, wie Luftposterfolie. Das Ding starrt mich mit einen drei aufgerissenen Augen an, und fällt zu Boden. Durch das Laub wird der Aufprall gedämpft, doch sein dürrer Körper hätte eh keinen großen Laut von sich gegeben, selbst wenn er auf Beton gelandet wäre. Ich atme schnell ein und aus, realisiere erst nach und nach, was passiert ist, lache erleichtert auf und starre nach oben in den Sternenhimmel. "Es ist vorbei ... ich habe es getötet ... ICH HABE ES GETÖTET!", rufe ich in den stillen Wald hinein. 

Ein Kreischen, noch höher als das des Letums, dass ich erlegt hatte, erschallt von einem Baum hinab. Vor Schreck falle ich nach hinten in den Dreck. "NEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIINNNNNNN!", kreischt wieder jemand. Ich sehe mich panisch um und rufe: "HALLO!? IST DA JEM-" Doch ich breche meinen Satz ab, als etwas vor mir, auf allen Vieren landet. Ich starre es an und kann es nicht fassen. Ein Letum, doch mit langen, dünnen, schwarzen Haaren steht vor mir. In ihrer Linken hält sie etwas, was ihr Säugling zu sein scheint und drückt es an ihre Brust. Ihr klebriges Haar reicht ihr hinab bis zur ausgemergelten Hüfte, ihre drei Augen sind gerötet, und so etwas wie Tränen rinnen ihr die hohlen Wangen hinab. Es, oder viel mehr sie, keucht und kommt langsam auf mich zu: "Du hast ihn umgebracht ... UMGEBRACHT!". Ich bin viel zu entsetzt, als dass ich meine Waffe auf sie gerichtet hätte, viel zu geschockt, als dass ich versucht hätte weg zu rennen, mich zu verstecken. "AHHHHHHHHHHHH!", kreischt das Weibchen, holt mit ihrer freien Hand aus und rammt mir ihre Hand direkt durch die Bru .... 


Drei Augen in der DunkelheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt