Silent

№ 46

Okay. Ich zähle jetzt bis 3, und wenn er mir bis dahin mein Handy nicht wiedergegeben hat, dann… dann… Dann zähle ich nochmals bis 3!

Das war jetzt so ziemlich das Bescheuertste, das ich jemals gedacht habe. Was mache ich jetzt nur? Jetzt weiß ich’s!

Ganz lieb tippe ich Niall's Schulter an und er dreht seinen Kopf zu mir.

Mit meinem Finger zeige ich an Niall vorbei und er folgt – dummerweise – meinem Finger und scheint einen Moment lang echt abgelenkt zu sein, da er die Gegend absucht, nach etwas, wo ich hinzeigen könnte. Tatsächlich fällt dieser Intelligenzbrocken darauf rein. Okay Blair, nicht lange zögern – handeln.

Nochmals vergewissere ich mich, dass er wirklich noch darauf konzentriert ist, einen interessanten Fleck zu finden, woraufhin ich mir sofort mein Handy schnappe und er dreht seinen Kopf in weniger als einer Sekunde in meine Richtung, was mich zum grinsen bringt. Seine Hand huscht nach vorne und er versucht erneut nach meinem Handy zu greifen, doch bin ich dieses Mal flinker und stopfe es so schnell wie’s geht in meine Hosentasche, wo er es nicht so einfach rausholen kann, ohne dass es nach einer Belästigung aussieht.

❝Ey!❞, ruft er aus und meint einem Schulmädchen Konkurrenz zu machen, indem er beleidigt die Arme vor der Brust verschränkt und dazu noch schmollt.

Was kann ich denn dafür, wenn er auf diesen lächerlichen Trick reinfällt? Richtig, nichts. Er muss mal schlau denken und dann passiert ihm so etwas Dämliches nicht mehr.

❝Das war unfair!❞, schmollt Niall und sieht mich aus blauen Hundeaugen an. Gar nicht wahr.

Ich schüttle nur den Kopf und grinse, dann zeige ich auf mich und er legt den Kopf schräg. Dann bewege ich meinen Zeige- und Mittelfinger so, als würde ein Mensch laufen und zeige in Richtung Ausgang des Parks.

❝Ach so, du willst nach Hause?❞, vergewissert er sich, ehe ich nicke. Seufzend steht er auf und sieht dann auf mich herab. Schnell stehe ich ebenfalls auf und knalle mit meinen Kopf kurz gegen seine Brust, was ihm etwas zum Lachen bringt.

❝Gut, dann… bringe ich dich mal nach Hause❞, meint er und setzt sich eine Sonnenbrille auf. Wo zur Hölle hat er die jetzt her?!

Wir schlendern gemeinsam nebeneinander her und sagen kein Wort, was mich herzlich wenig stört.

Schließlich kommen wir bei meinem Zuhause an… Okay, noch nicht ganz, wir sind gerade in die Straße gebogen, wo ich gerade einen Lastwagen sehe. Leute marschieren im Haus gegenüber von Mister und Mistress Teasdale ein und aus, als wäre Tag der offenen Tür. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Ich scanne die Gegend ab und entdecke ein braunhaariges Mädchen, welches etwas bockig mit verschränkten Armen vor einem Mann steht, der glatt ein Kühlschrank sein könnte.

❝Jetzt hören Sie mir mal zu, ich bin nicht so ein Schrank wie Sie, weswegen ich es nicht einsehe, zwei Kisten auf einmal zu tragen, wollen Sie, dass ich zusammenbreche?❞, höre ich das Mädchen meckern. Okay, er könnte auch als Schrank durchgehen.

Anscheinend sagt der Mann irgendetwas, allerdings leiser als das Mädchen, weshalb ich es nicht verstehen kann.

❝Ach, Sie wollen es mit meinem Vater diskutieren? Ja, das will ich mal sehen! Vergessen Sie nicht, dass Sie für meinen Vater gerade arbeiten!❞, meint das Mädchen wieder und dreht sich um. ❝Daddy?!❞

Ein Mann Anfang 40 kommt auf das Mädchen zu und stellt sich hinter seine Tochter. Seine Hände ruhen auf ihren Schultern und das Mädchen scheint gerade die Situation zu schildern.

Dann sagt der Mann wieder etwas und der Kühlschrank dreht sich um, um zum Lastwagen zu gehen. Die Tochter dreht sich grinsend um und drückt ihren Vater ganz dolle, ehe sie sich löst und sich umdreht.

Sie schaut durch die Gegend und scannt alles und jeden ab, inklusive mir.

Ein Lächeln legt sich auf ihren Lippen ab und sie geht zielstrebig auf mich zu. Oh Gott, nein. Lass sie bitte an mir vorbeilaufen. Ich werde bestimmt gleich unsympathisch auf sie wirken, wenn ich mein verdammtes Maul nicht öffne, was ich schon 7 Jahre lang nicht getan habe! Okay, das ist gelogen, schließlich rede ich mit mir alleine und mir ist bedauerlicherweise ein 'Ja' bei Nash herausgerutscht. Ich glaube, dass ich später ein bisschen weiter stichle… Wegen der Sache mit Riley, wir verstehen uns sicherlich.

Leider bleibt das Mädchen direkt vor mir und meinem blonden Kumpel stehen, was uns beide auch zum Stehenbleiben bringt.

❝Hi! Mein Name ist Sofie und wie heißt ihr beide?❞

Niall lächelt sie schräg an. ❝Das ist Blair.❞

❝Und du?❞, fragt sie Niall und beäugt ihn lächelnd.

❝Mein Name ist Niall.❞, stellt er sich schließlich vor und ihr fällt das Grinsen aus dem Gesicht.

❝Aus One Direction?❞, fragt sie leise und Niall nickt.

❝Bitte nicht schreien!❞, bittet er schnell. Doch statt zu schreien, lacht Sofie los. Jetzt erkenne ich, dass sie braune Augen hat.

❝Oh Gott, nein. Denkst du, dass ich wahnsinnig bin? Klar, ihr seid mir bekannt, aber ein Fan von euch? Niemals!❞, lacht Sofie, was mich zum grinsen bringt. Sie gefällt mir.

❝Oh, okay…❞, lacht Niall. ❝Leichter Korb.❞

❝Haha, sorry. Ist aber so, du supertoller Superstar!❞, meint Sofie scherzend.

Niall lacht wieder. ❝Supertoller Superstar, genau.❞

Sofie lächelt ihn an, wendet allerdings dann den Blick zu mir und mustert mich.

❝Hey Blair, warum redest du nicht?❞, fragt sie und mein Lächeln verrutscht ein bisschen. Ja toll, was soll ich 'antworten'? Hilfesuchend sehe ich zu Niall. Nur dummerweise schaut er zu Sofie's Haus und beobachtet die Menschen, die rein- und rausgehen.

Kurzerhand später ramme ich ihm meinen Ellenbogen in die Seite und er zieht scharf die Luft ein.

❝Aua, bist du blöd?❞, schnauzt er und ich habe nichts Besseres zu tun, als ihn fies anzugrinsen. Mit einer simplen Handbewegung zeige ich auf Sofie und er schaut sie an. ❝Hast du was gesagt, gefragt, gemacht?❞

❝Ich habe Blair gefragt, warum sie nicht redet…?❞, erläutert Sofie verwirrt. Wäre ich an ihrer Stelle auch.

❝Oh… ja, dann muss ich wohl reden.❞, fällt Niall ein, während Sofie ein sehr verwirrtes 'Hä?!' herausrutscht. ❝Blair ist stumm, heißt also, dass sie nicht redet. Aber sie kann immer noch witzig sein!❞

Was hat das denn zu bedeuten? Sein Ernst? So’n Vollpfosten. Ein Vollpfosten, den ich mag.

❝Oh… ich…❞, sie stockt. Jetzt bist du baff, was Schätzchen?

Vorsichtig senke ich meinen Blick und starre auf meine Hände, die nervös miteinander spielen.

❝Hey Sofie, ich hoffe, dir macht es nichts aus, dass Blair stumm ist. Blair ist ein nettes Mädchen, sie kann einem sehr tolle Gesellschaft leisten und man kann mit ihr Späße machen. Nur… Blair hat Schwierigkeiten Freunde zu finden, soweit ich weiß, wollen die meisten nichts mit ihr zu tun haben. Das Dämliche ist, dass es nur so ist, weil sie stumm ist.❞, erzählt Niall und ich bin positiv überrascht. Versucht er eine neue Freundin für mich zu gewinnen? Das ist süß von ihm.

Mein Blick wandert wieder hinauf und ich sehe Sofie in die Augen.

Ein leichtes Lächeln liegt auf ihren Lippen. ❝Blair? Ich glaube, dass wir uns super verstehen werden.❞