14: "Scheiße."

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Am nächsten Tag sitze ich im Taxi. Mein Kiefer ist angespannt. Langsam lehne ich mich zurück. „Wir sind da.", nickt der Taxifahrer mir zu. Ich drücke ihm das Geld in die Hand und steige aus. Dann gähne ich ausgiebig. Ich habe kaum geschlafen. Ich trotte zum Eingang des Filmsets. „Hi, Dave.", begrüße ich den Sicherheitsmann. Er nickt mir zu. „Morgen, Miss Stanford." Ich gehe an ihm vorbei und zu den Hallen, wo anscheinend gerade gedreht wird. Langsam spüre ich die Wut in mir hochsteigen. Ich öffne leise die Tür. Alle Blicke gehen zu mir. Alle winken oder nicken mir freundlich zu. „Cut!", brüllt der Regisseur und ich erblicke Finn, wie er mit Leo spricht. Ich atme tief durch und gehe hin. „Hey.", sage ich. „Hey, Süße. Was für eine Überraschung.", lächelt Finn glücklich und will mir einen Kuss geben, den ich jedoch abwehre. „Doch nicht vor deinen Kollegen.", kichere ich gekünstelt und schüttele Leo die Hand. „Wie geht's?", fragt er. „Ganz gut soweit, aber ich müsste mal mit meinem Freund reden. Alleine.", füge ich hinzu und ziehe Finn etwas abseits vom Geschehen.

„Was ist denn los?", fragt er und legt seine Hände auf meine Taille. „Hast du gestern gut geschlafen?", frage ich scheinheilig. „Ja, das früher ins Bett gehen hat echt gut getan.", nickt er. Ich ziehe meine Augenbrauen hoch. „Interessant.", sage ich und hole mein Handy hervor. „Hast du bei Ayla gepennt oder so?", frage ich und entsperre mein Telefon. Finn beißt sich nervös auf die Lippe. „Was..." Ich halte ihm das Video vor die Nase. „Was machst du also in ihrer Snapchatstory? In ihrem Bett?", frage ich wutentbrannt. „Hör mal, es ist nicht, wonach es aussieht.", beginnt er. „Weißt du, ich bin nicht wie du. Ich gebe dir gleich Zeit, dich zu erklären. Und nicht erst nach einer Ewigkeit des Ignorierens. Du hast zwei Minuten.", sage ich und verschränke meine Arme vor der Brust. „Ich... Oh man, Mira... Ich kann es dir nicht sagen, aber du musst mir vertrauen... Und...." „Wenn du es mir nicht sagen kannst, dann vertraust du mir nicht genug. Und dann kann ich dir auch nicht vertrauen. Tut mir leid.", sage ich, stecke mein Handy in meine Hosentasche und drehe mich um, um zu gehen.

„Mira, bitte." Er legt seine Hand auf meine Schulter, um mich zurück zu halten. Ich reiße mich los. „Bis du mir nicht sagst, was der Grund ist, kannst du mich mal.", zische ich in seine Richtung und gehe schnellen Schrittes davon. Finn bleibt wie paralysiert stehen. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass er mir hinterher läuft, mir alles erklärt, es eigentlich gar nichts schlimmes war, mich in seine Arme schließt und mir sagt, dass er mich liebt. Doch all das passiert nicht. Ich ziehe das Ganze eiskalt durch und verlasse das Gelände, ohne mich noch einmal umzusehen.

Kaum bin ich im Hotelzimmer, breche ich zusammen. Tränen laufen über meine Wangen und ich fange laut an, zu schluchzen. Ich schließe die Tür hinter mir und lehne mich dagegen. Langsam rutsche ich daran hinunter, mein Gesicht in meinen Händen vergraben. Mein Oberteil ist nach oben gerutscht und ich lehne mit meinem nackten Rücken gegen dem kalten Holz. Ich bekomme kaum noch Luft. Mit zitternden Händen nehme ich mein Handy heraus. 29 verpasste Anrufe von Finn. 2 Nachrichten auf der Mailbox. 187 WhatsApp Nachrichten. Ich schmeiße mein Handy wutentbrannt in die Ecke. Mir ist egal, ob es jetzt kaputt ist. Ich ziehe meine Beine nah an meinen Körper und weine vor mich hin. Wieso lügt er mich an? Wieso will er mir nicht die Wahrheit nicht sagen? Wieso ich? Es lief doch gerade so gut bei uns... Ich schniefe. Wo ist Jack eigentlich?, schießt es mir durch den Kopf. Genau in dem Moment klopft es.

„Wer ist da?", schluchze ich laut. Seit dem Vorfall mit... Ich bin vorsichtiger geworden, sagen wir es so. „Jack.", ertönt die besorgte, verwirrte Stimme meines besten Freundes durch die Tür. Wie in Zeitlupe stehe ich auf und öffne die Tür. „Eigentlich wollte ich nicht... Mira?" Er stockt und sieht mich etwas verwirrt an. Ich wische über meine Augen, um die Tränen zu vertuschen. Dennoch sind meine Augen gerötet. „Was ist los?", fragt Jack besorgt und schiebt mich ins Zimmer, bevor er die Tür hinter sich schließt. „Hast du ihn zur Rede gestellt?" Ich nicke einfach und lasse mich in seine Arme fallen. Er erwidert die Umarmung. „Und?", fragt er vorsichtig nach. „Er wollte es mir nicht sagen.", schniefe ich. „Bitte was?", fragt Jack entgeistert. Ich zucke mit den Schultern. „Ich will zurück.", sage ich bestimmt. „Wohin?" Jack scheint etwas verwirrt. „Nach Hause. Vancouver." „Aber du hast doch hier Arbeit..." Ich unterbreche ihn. „Ich werde kündigen. Das Ganze ist doch sowieso schon den Bach runtergelaufen, seit Kyle..." Nun breche ich ab. Jack drückt mich etwas fester an sich.

„Er vertraut mir einfach nicht.", rege ich mich auf. Jack sitzt neben mir auf einem Barhocker und hört mir zu. Ich nippe an meinem Cocktail, den ich -durch etwas mehr Geld- bekommen habe, obwohl ich unter 21 bin. „Doch, aber klar. Er wird schon einen Grund haben, wieso er es dir nicht sagt. Vielleicht plant er eine Überraschung für dich oder so." Jack hat auch schon zwei Gläser Long Island Iced Tea weg. Ich schiebe mein nun leeres Glas zum Barkeeper. „Ich nehme noch einen dritten.", sage ich und schiebe ihm noch einen 50er hin. Er nickt und mixt mir noch einen Cocktail. „Ist das nicht etwas viel Alkohol? Ich meine, im Long Island Iced Tea sind mehrer Sorten Alk..." „Ich schaffe das schon.", sage ich bestimmt, aber dennoch mit etwas wackeliger Stimme. Der Alkohol beginnt langsam zu wirken. „Aber als ob er mir sowas nicht sagen würde.", überlege ich. „Kommt drauf an, ob es ihm sehr wichtig ist oder nicht!", sagt Jack nachdenklich. Er lallt bereits etwas. „Er ist so ein Arsch!", rufe ich und schlage mit der Faust auf den Tisch. „So, Kinder. Ihr hattet bereits sehr viel. Mehr kriegt ihr nicht. Geht euch ausnüchtern.", bittet uns der Barkeeper. Ohne viel zu meckern gehen wir also, mit mehr oder weniger geraden Schritten, zum Hotelzimmer.

„Boah, nächstes Mal nehme ich sicherlich nicht den Cocktail mit den meisten Prozenten...", seufzt Jack und setzt sich aufs Bett. Ich setze mich neben ihn, sodass ich ihn ansehen kann und nicke einfach nur. „Finn muss einen Grund haben!", ruft Jack vollkommen überzeugt. „Und Sadie auch.", füge ich hinzu. „Pf, Sadie." „Du willst doch immer noch zu ihr fliegen, oder?", rufe ich. „Ich weiß nicht, ob sie es wert ist...", seufzt Jack und dreht seinen Kopf zu mir. „Bestimmt!", rufe ich überzeugt. „Oh meine Güte, wir haben Probleme!", rufe ich und lache laut los. Jack stimmt mit ein. Nach einer gefühlten Ewigkeit des Lachens stocke ich und sehe genau in Jacks Augen. Sein Blick erwidert meinen und er hört ebenfalls auf zu lachen. Langsam kommen sich unsere Gesichter näher und näher. Ich weiß tief in mir, dass es ein Fehler ist. Doch der Alkohol befiehlt mir, es zu tun. Und da der Alkohol mein Hirn übertönt, begehe ich einen großen Fehler. Ich überbrücke die letzten Zentimeter zwischen unseren Lippen. Ich höre fast schon mein Hirn schreien „Nein!" und ein wenig hoffe ich, dass er es abbricht. Doch er erwidert den Kuss und legt seine Hände an meine Wangen. Nach einer kurzen Zeit löse ich mich und schaue meinen besten, gerade etwas betrunkenen Freund, erschrocken an. „Scheiße.", entfährt es mir. Auf einmal scheine ich wie ausgenüchtert zu sein. Was habe ich getan? Was haben wir getan??

Lovers. // f.w.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt