Amsterdam

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Kapitel 7
Heartbeats
[Florence Tremblay]

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Erschöpft lehne ich mich gegen die hölzerne Tür, als mir ein kurzes Klicken verrät, dass das Hotelzimmer durch die elektronische Karte aufgeschlossen wurde. Zwar wäre es in Kanada gerade mal zehn Uhr dreißig am Morgen, doch die Tatsache, dass die Sonne hier in Amsterdam bereits langsam am Untergehen ist, trägt nicht gerade zu einem neuen Energieschub bei.

Nachdem ich meinen riesigen Koffer mitten auf dem grauen Teppich fallen lassen habe, setze ich mich auf das erstbeste Bett. Der Flug war kräftezehrender, als ich erwartet habe. "Wenn du so ein Mädchen bist, das ihre Sachen einfach in jeder Ecke liegen lässt, dann haben wir ganz schnell ein Problem miteinander", ertönt eine raue Stimme direkt neben meinem Ohr.

Mit einem Schlag bin ich wieder bei meinem vollen Bewusstsein. Als ich aufsehe, schwebt das Gesicht des Mädchens aus dem Flugzeug in unmittelbarer Nähe vor mir. "Ich bin übrigens Felisha", grinst sie mich breit an. Irritiert ziehe ich meine Augenbrauen in die Höhe. Um das Gähnen, welches im Moment meinem Mund entfliehen will, zu unterdrücken, murmle ich ebenfalls meinen Namen.

"Cool, cool", flötet Felisha, bevor sie sich aufrichtet und sich ihrem Koffer widmet. Währenddessen beobachte ich sie interessiert. Ihre ursprünglich schwarzen Haare sind zu zahlreichen hüftlangen Rastazöpfen geflochten. An unterschiedlichen Stellen setzt das Türkis, in dem ihre Haare gefärbt sind, an und wird zu den Spitzen hin immer heller. Als wären sie allein dafür geschaffen, umrahmen die lockeren Zöpfe ihr makelloses Gesicht, das in einem karamellfarbenen Hautton glänzt, und heben ihre vollen Lippen unheimlich hervor.

"Du besitzt einen außergewöhnlichen Namen", überlege ich laut. Überrascht hält die Dunkelhäutige dabei inne, ihre T-Shirts sorgfältig in den Schrank einzuräumen. "Oh nein, ganz und gar nicht", wendet sie sich kopfschüttelnd zu mir um. "Felishas gibt es bei uns wie Sand am Meer", lacht das Mädchen ausgelassen.

"Wo kommst du denn her?", erkundige ich mich, während ich von dem recht gemütlichen Bett aufstehe. "Na, aus Toronto. Genauso wie du, wie ich annehme", wirft sie ihre türkisen Doc Martens einfach in das unterste Fach des Schrankes. "Meine Mom kommt aus Brasilien", fügt Felisha hinzu, als ich sie verwirrt anblicke. Jedoch eher wegen ihrer unsystematischen Ordnung.

Gerade will ich erneut zum Sprechen ansetzen, als sich die Tür - von einem lauten Gepolter begleitet - öffnet. Eine Frau, die ich kurzentschlossen auf sechsunddreißig schätzen würde, betritt das Zimmer. "Entschuldigung", nickt sie schüchtern in die Runde. Mit gesenktem Kopf läuft sie auf das Bett, das direkt am Fenster steht, zu und hievt ihren Koffer auf die Matratze. Dann passiert erst einmal überhaupt nichts.

Auf eine Antwort hoffend sehe ich zu Felisha. Doch das Mädchen zuckt nur ratlos mit ihren Schultern. "Und Sie sind?", fragen wir Beide beinahe gleichzeitig. "Kassandra", gibt die Frau wirklich knapp von sich. Danach kramt sie ihr Handy aus ihrer Handtasche, öffnet das Fenster und fängt an mit irgendjemanden zu telefonieren. "Na, das kann noch etwas werden", flüstere ich augenrollend.

Als es an der Tür klopft, bin ich für einen Augenblick verwirrt. Schließlich sind die drei Betten in diesem Zimmer bereits besetzt. Da sich die anderen Zwei nicht bewegen, schleiche ich regelrecht auf die Tür zu. "Ja?", ziehe ich das 'a' in die Länge, während ich durch den immer größer werdenden Spalt hindurch spähe.

"Hi, Flo", hebt Ruben seine Hand in die Höhe. "Florence", wiederholt der Junge sofort darauf, weil er sich scheinbar nicht sicher ist, ob er mir bereits einen Spitznamen geben darf. "Was gibt es?", lächle ich ihn etwas müde an. "Ich dachte, ich frage dich, ob du mit mir gemeinsam zum Ziggo Dome gehen möchtest. Ist das überhaupt richtig ausgesprochen?", hält er für einen kurzen Moment inne.

Heartbeats - Shawn MendesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt