KAPITEL 3

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"Du bist Lara süchtig." meinte meine beste Freundin Liv nur belustigt, weil ich wahrscheinlich zum hundertsten Mal von ihr gesprochen hatte.

"So ein Quatsch." murmelte ich nur und klang dabei nicht Mal für mich Selbst überzeugend. Seufzend ließ ich mich in ihr Bett fallen, welches in einem Traum von Rosa stand. Liv's Zimmer war rosa, rosa und gelb ein bisschen. Bei ihrer Familie und ihrem Haus könnte man sowieso immer meinen, sie hätten eine Inneneinrichtungszeitschrift genommen und alles eins zu eins raus kopiert. Okey, ihr Zimmer sah oft aus wie ein chaotisches Chaos, aber dennoch, wie in einer dieser Zeitschriften.

Sie hatte mich bereits vollkommen durchschaut, also Liv. Sie kannte mich sowieso in und auswendig, so wie ich sie auch, und das war ein Geschenk.

Die Freundschaft zwischen ihr und mir war anders als jede Andere. Klar, mit Sila verbrachte ich unglaublich viel Zeit, und sie war auch meine beste Freundin, aber man konnte die beiden nicht vergleichen. Natürlich bedeutete keine von Beiden mir mehr, es war eben anders. Beide Freundschaften waren so komplett unterschiedlich.

Mit Sila verbrachte ich viel mehr Zeit als mit Liv, aber mit Liv war die Zeit viel intensiver. Sie verstand mich und ich konnte Gespräche mit ihr führen die weit über den Tratsch über irgendwelche Typen hinaus gingen. Manchmal philosophierten wir einfach stundenlang über das Leben und wieso was passiert.

"Und natürlich hast du nicht bereits jede Sozial Media Plattform nach ihr durchkämmt, oder? Und kennst nicht alles was du über sie heraus gefunden hast auswendig?"

"Doch..." murrte ich nur. "Aber hey, ihr Lieblingsverein ist auch BVB!"

"Daraus kristallisiert sich natürlich ihre komplette Persönlichkeit." sagte sie sarkastisch.

"Ja schon. Immerhin sprechen wir BVB'ler nicht umsonst von 'echter Liebe'." korrigierte ich sie gespielt und hob dabei etwas dämlich meinen Finger in die Luft. Lachend verdrehte sie die Augen.

"Und was machst du jetzt?" fragte sie ernst.

"Wie was mach ich jetzt?"

"Naja, schreib sie doch an?"

"Was, warum?" fragte ich entsetzt, und war es auch wirklich. Wieso sollte ich sie auch anschreiben. Ich meinte, was dachte sie dann bloß. 'Hä wer schreibt mich da an? Achso, die komische vom Spiel, was will die von mir?!'

"Naja weil du ja offensichtlich mehr über sie erfahren willst. Egal in welchem Sinne jetzt." meinte sie schulterzuckend. Entsetzt sah ich sie an.

"Egal in welchem Sinne? Also wirklich, wenn dann nur weil sie eine Zwiebel ist."

"Ja wie gesagt, egal in welchem Sinne."

"Mh."

Zwiebel-Menschen war unser Begriff für Menschen die für uns unnahbar, verschlossen oder einfach interessanter als andere waren. Für uns gab es mehrere Kategorien Menschen, Menschen mit mehr Zwiebelschalen, Menschen mit weniger. Ich liebte es Menschen zu schälen, jede Schale einzeln abzuziehen um eine neue Seite der Persönlichkeit kennen zu lernen. Bis ich letztendlich zum Kern kam. Und dann war die Zwiebel nicht uninteressant, nein keineswegs, sie war nur mein, meine Zwiebel ganz allein. Niemand anderes kannte dann den Mensch so wie ich ihn kannte.

"Also?"

"Was also?" fragte ich verdutzt, weil meine Gedanken an Zwibeln mich den roten Faden verlieren lassen haben.

"Schreibst du sie an?"

"Nah-ein." motzte ich und verschränkte meine Arme vor der Brust. "Aber..."

"Ja?" lockte sie mich während ihre großen blauen Augen dann noch größer wurden.

"Ich könnte ihr ja mal auf Instagram folgen und sehen was passiert." murmelte ich und zog mein Handy aus der Tasche.

Auf ihrem Profil waren bloß eine handvoll Bilder. Viele bloß von irgendeiner schönen Landschaft, eins mit einem Fußball und ein Einziges von ihr, wo sie schüchtern in die Kamera lächelte. Ich konnte nicht aufhören es anzustarren.

"Es ist so unfair dass eure Familien befreundet sind." murrte ich Liv an.

Und das war bloß einer der Zufälle die ich im Zusammenhang mit Lara entdeckt hatte. Liv's Mama war nämlich die Patentante von Laras kleinem Bruder und Lara's Mama war die Patentante von Lina, der kleinen Schwester von Liv. Somit sah Liv Lara jedes Weihnachten und an irgendwelchen Familien-Grillabenden.

Lara war außerdem auf unserer Schule gewesen, jedoch ein Jahrgang unter uns, damals als wir noch auf die Realschule gingen. Ich hatte sie kaum bemerkt um ehrlich zu sein. Erst jetzt, als sie sich die Haare abgeschnitten hatte. Und seit über einem Jahr, sah ich sie sowieso nicht mehr, da ich nun auf ein Gymnasium in der nächsten Großstadt ging und Lara auf eins in einem kleineren Ort in der Nähe. Besser gesagt wird sie gehen, denn das Schuljahr ist zwar beinahe um, doch offiziell macht sie jetzt noch ihren Abschluss auf der Realschule.

All das weiß ich von Liv, weil ihre Mama regelmäßig von Lara und ihrem Bruder Tobi erzählt. Was ich sonst noch weiß... Nicht besonders viel, nicht so viel dass ich meinen könnte ich hätte eine Zwiebelschale gelöst, doch genug um meinen Durst nach ihr fürs Erste zu stillen.

Gott ich hörte mich schon an wie in diesen schlechten Vampir Filmen, von denen ich zugegebenermaßen alle gesehen hatte.

Doch als mein Handy aufleuchtete und ich Instagram öffnete, sah ich dass sie mir zurück folgte. Und auch wenn es eine Kleinigkeit war, so gab sie mir Mut zu mehr.


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Komm kurz für immer.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt