Teil 1

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Der lange Winter in Leipzig neigte sich allmählich dem Ende zu, der Frühling stand in den Startlöchern und die Menschen strömten in Massen in die Natur und in die Straßencafés. Nur einer schaute sehnsüchtig aus dem Fenster und langweilte sich. Jonas Heilmann saß in seinem Krankenbett in der Sachsenklinik und versuchte angestrengt mit seinen kleinen Fingern unter den Gips zu kommen, denn es juckte fürchterlich am Bein.
Doch seine Rettung nahte und klopfte auch gleich an der Tür. Jonas setzte sich hoffnungsvoll auf – endlich ein wenig Ablenkung. Hoffentlich ist es Aleksa, sie ist echt cool für eine Krankenschwester, vielleicht bringt Charlotte ihm aber auch einen leckeren Kuchen. Na ein Kuchen gab es nicht, aber Jakob, der ins Zimmer eintrat hatte etwas viel Besseres mitgebracht. „Hey, wie geht's Dir?" „Was hast du da in der Tüte? Hast du mir was mitgebracht?" Wer brauchte auch schon eine große Begrüßung? Jonas auf jeden Fall nicht. Jakob schmunzelte, griff in die Tüte und zum Vorschein kam ein neuer Nintendo DS mit zwei Spielen. Die Augen von Jonas wurden immer größer und strahlten. „Oh Cool!" Jakob freute sich seinen Neffen im Auftrag seiner Mutter etwas aufzumuntern. „Ich hab noch was für dich!", er griff wieder in die Tüte und gab Jonas einen extra langen Kochlöffel aus Holz. „Der hilft gegen das Jucken!" Doch Jonas nickte nur geistesabwesend und spielte gleich fleißig mit seiner neuen Konsole, das gerade noch eben unerträgliche Gefühl unter dem Gips war passé. Jakob legte den Löffel in den Nachtschrank, „Pass bloß auf, dass keine der Schwestern den sieht." Jakob war sich sicher, dass Jonas nicht zuhörte – aber okay, sein Auftrag war erfüllt.

Pia hatte überraschenderweise etwas eher Schluss bekommen und wollte gleich ihren Enkel im Krankenhaus besuchen. Doch zuvor gönnte sie sich noch einen Kaffee und einen kleinen Plausch mit Charlotte in der Cafeteria. Gerade als sie sich ans Fenster setzte, sah sie ihren Sohn auf den Ausgang zulaufen. Jakob hatte seine Hände tief in den Hosentaschen, hatte seinen Rucksack geschultert und den Blick fest auf den Boden gerichtet, so trottete er voran. Pia seufzte, sie machte sich große Sorgen. Charlotte hatte nun auch endlich zehn Minuten Zeit für ihre Stieftochter und folgte ihrem Blick. „Ja, Liebeskummer ist schon etwas Schreckliches. Aber es gehört zum Leben dazu. Er wird schon wieder drüber wegkommen.", sagte sie in einem schon fast strengen Ton und nippte an ihrem Kaffee. „Ich hoffe es sehr. Er erzählt mir ja auch nichts. Er ist so verschlossen." „Ach Pia – hast du deiner Mutter denn alles gleich erzählt? Er ist ein junger Mann und keine 12 mehr.", Charlotte war den ganzen Tag schon etwas gereizt und wollte das eigentlich nicht an jemand anders auslassen, vor allem nicht an Pia.
Einen Moment lang schwiegen sie beide. „Du hast ja Recht.", pflichtete Pia bei.

In aller Freundschaft. HerzklopfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt