Fourth

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Ich sitze im Bus. Die Freude über die Zahl auf der Waage wird von dem Frust getrübt, dass ein Freund mich ignoriert. „Natürlich ignoriert er dich, wer will schon mit so einer fetten Kuh befreundet sein." Immer mehr beginne ich am mir zu zweifeln. Meine Laune sinkt immer mehr. Die Zahl auf der Waage muss niedriger sein. Wog ich mich anfangs nur einmal die Woche oder auch nur einmal täglich, so überprüfe ich mittlerweile mein Gewicht mehrmals täglich - vor der Schule, danach, vor dem Abendessen, danach, vor dem zu Bett gehen.
In den zwei Freistunden kann ich nur an Essen denken, daran was ich heute essen werde, essen muss und wie und wann ich es am besten wieder auskotzen kann.
Gestern habe ich ein Video auf YouTube über Bulimie gesehen. Anscheinend schlagen die Fressanfälle einiger mit mehreren tausend kcal zu Buche. Das erinnert mich an meine Binge-Eating Phase als ich mich an „Cheatdays" mit mehreren tausend Kalorien vollgestopft habe, nur um am nächsten Tag mit Sodbrennen und Bauchschmerzen bestraft zu werden. Solche Cheatdays schreien doch geradezu nach einem gestörten Essverhalten. An den meisten Tagen hungert man, nur um sich kurz darauf mit allem möglichen voll zu stopfen. Mittlerweile übergebe ich mich nicht nur nach „Fressattacken", sondern nach fast jeder Mahlzeit. Dazwischen schaue ich mir Koch- und Backvideos an und tröste mich mit dem Gedanken, dass sobald ich dünn bin, ich wieder normal essen kann. Normal essen, wann habe ich das letzte Mal nicht über Kalorien nachgedacht und mich trotzdem gesund und ausgewogen ernährt. Für mich gibt es nur zwei Extremen - alles zu fressen oder zu hungern bzw. das Gegessene wieder auszukotzen. Normal ist daran nichts mehr.

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