9 | Arschloch

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S A R A

Schweratmend schnappe ich mir meine Wasserflasche und lasse mich auf der Bank nieder, ehe ich drei große Schlucke trinke und versuche, meine schnelle Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen. Ich schwitze wie verrückt und mir ist auch einwenig schwindelig, was verständlich ist, wenn man bedenkt, dass ich gerade fünf Durchläufe ohne Pause hinter mir habe.

"Und?", krächze ich, noch immer außer Puste und nehme all meine Kraft zusammen, um meinen Kopf zu heben und ihn in Mrs. Denver's Richtung zu lenken, die nicht gerade überzeugt aussieht.

"So schlecht?" Meine Stimme überrollt sich, während meine Schultern enttäuscht zusammensacken. Ich kann einfach nicht glauben, dass ich immer schlechter werde. Egal wie viel ich übe, es scheint nichts zu nützen.

"Irgendwie wirkst du abwesend. An was denkst du die ganze Zeit?" Mrs. Denver kräuselt die Stirn. Ihr Blick ist aufmerksam und die ganze Zeit über auf mein Gesicht gerichtet, was mich nervös macht.

Ziemlich nervös.

Ich blicke auf meine Hände, auf den Boden, an die Wand, - einfach überall und versuche einen Ausweg aus dieser Situation zu finden. Eine Ausrede, die sie mir abkauft. Denn die Wahrheit ist lächerlich und total absurd. Wenn ich ihr erzählen würde, was der Grund meiner geistigen Abwesenheit ist, würde sie mich für verrückt erklären. Oder einfach für ziemlich dumm und naiv.

Ich schlucke unmerklich. "Die Schule nimmt mich momentan total mit. Ich muss so viel lernen und kann nicht anders, als die ganze Zeit an die Klausuren zu denken, die mir noch bevorstehen. Das ist alles."

Es ist unfassbar schwer, die Worte herauszubekommen. Es scheint, als würden sie in meiner Kehle feststecken und ich bekomme augenblicklich Gewissensbisse. Ich habe meine Tanzlehrerin angelogen. Den Menschen, dem ich so viel zu verdanken habe. Sie ist über die ganzen Jahre hinweg sowas wie eine Freundin für mich geworden, und es macht mich wütend, dass ich erneut einen Menschen belügen muss, der mir nahe steht.

Mrs. Denver hebt ungläubig eine Braue. Sie scheint nicht besonders überzeugt von dem, was ich soeben gesagt habe, dass erkenne ich genau. "Du kannst mir die Wahrheit sagen, dass weißt du, oder?"

Ich halte inne und starre sie mit großen Augen an. Dann aber, nachdem ich mich gesammelt habe, nicke ich kaum merklich. "Ja... ja klar weiß ich das.", stottere ich unbeholfen und versuche nicht noch Schuldiger zu wirken, als ich ohnehin schon bin.

Sie nickt. "Gut. Das wars dann für heute. Du kannst gehen. Und richte deiner Mutter liebe Grüße von mir aus."

"Danke, mach ich." Langsam erhebe ich mich von der Bank und greife nach meiner Tasche, in der ich meine Wasserflasche verschwinden lasse. Meine Jacke folgt. Kurz bevor ich den Raum verlasse, winke ich Mrs. Denver noch zu, die mir ein letztes Lächeln schenkt.

Seufzend konzentriere ich mich wieder auf den Weg vor mir und überlege, wie ich die Sache mit dem Ball klären kann. Ich brauche eine Begleitung, doch wie es aussieht werde ich keine mehr finden. Ich kann ja keinen wildfremden fragen, aber alle die ich kenne und schon gefragt habe, haben bereits eine. Es scheint zwecklos. Klar, ich könnte Romina auch einfach vorgaukeln, dass meine Begleitung mich versetzt oder abserviert hat, aber dann würde sie umso mehr darauf bestehen, zu erfahren, wer es war. Und dann stecke ich erneut in der selben ausweglosen Situation.

Verdammte Scheiße.

Warum habe ich mir das nur nochmal angetan?

One Last ChanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt