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Zügig lief ich durch die die Sicherheitskontrollen zu den Gepäckbändern und wartete geduldig bis meine Sachen kam. Ich musste meine ganze Kraft aufwenden, um den riesigen Koffer neben mich zu zerren. Mein Gepäck vor mir herschiebend, machte ich mich auf den Weg in Richtung der Ankunftshalle. Viele Leute standen mit Schildern in der Hand da und warteten auf die Reisenden, einige andere umarmten sich und ein paar Leute hetzten einfach nur durch die Gegend und versuchten den Ausgang zu finden. Ich blieb stehen und sah mich um. Irgendwo sollte hier der Vater der beiden Kinder warten und mich abholen. Familie Heikkinen. So hieß meine Gastfamilie. Joona hatte am Telefon gesagt, er würde in der Ankunftshalle auf mich warten, also nahm ich mein Handy und suchte nach dem Mann, der auf dem Bild, was er mir geschickt hatte, zu sehen war. Vergeblich. Ich sah jede Menge Leute aber der Mann, der Joona Heikkinen sein sollte, war nicht zu sehen. Resigniert seufzte ich und wählte seine Handynummer. Es tutete drei mal und eine elektronische Stimme erklärte mir, dass mein Gesprächspartner leider gerade nicht zu erreichen sei, ich aber doch eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen könnte. Leicht genervt drückte ich die Elektrostimme weg und setzte mich auf meinen Koffer. Vielleicht stand er ja einfach nur im Stau oder ich sah ihn in dem ganzen Trubel nicht, daher beschloss ich erstmal hier zu warten.
Nach und nach leerte sich die Halle, bis ich irgendwann alleine auf meinem Koffer saß. Entnervt sah ich auf mein Handy.

Ich war bereits vor einer Stunde angekommen und bekam langsam Durst und schlechte Laune. Eigentlich hatte ich mich sehr gefreut, die Familie endlich kennen zu lernen, aber diese Warterei ruinierte meine gute Laune gründlich.
Ich wartete noch eine weitere Viertelstunde, als plötzlich ein gehetzt wirkender, blonder Mann die Halle betrat. Er sah sich um und lief dann breit lächelnd auf mich zu.
"Hallo, du musst Kira sein. Schön, dass du da bist und es tut mir wirklich schrecklich leid, dass ich zu spät bin. Ich hatte noch ein ziemlich wichtiges Meeting und die Dame wollte einfach nicht aufhören zu reden", entschuldigte er sich hastig in akzentfreiem Englisch. Er sah aus, als würde es ihm wirklich leid tun und wirkte sehr sympatisch. "Kein Problem", log ich, "Ich musste gar nicht so lange warten"
Er sah mich noch einmal entschuldigend an und wandte sich dann zum gehen.
Plötzlich drehte er sich nochmal um und nahm mir den Koffer aus der Hand. "Lass uns zum Auto gehen", meinte er und lief voraus.

Leichter Nieselregen begrüßte uns, als wir aus dem Flughafen traten. Fröstelnd zog ich meine Jacke enger um mich, denn hier in Helsinki war es deutlich kälter als in Berlin.
Ich stieg auf der Beifahrerseite des Autos von Joona ein, der gerade mein Gepäck in den Kofferraum hievte. Er schloss die Klappe und setzte sich auf der anderen Seite hinter das Steuer. "Und? Wie war der Flug?" "Gut", antwortete ich beiläufig und blickte fasziniert aus dem Fenster. Draußen zog die Landschaft vorbei und ich versuchte, alles zu behalten, was ich sah.
Ich bemerkte wie Joona mich ansah. "Ist es sehr anders als in Deutschland?", wollte er wissen. "Von der Landschaft her nicht", gab ich zu, "Aber ich habe ja auch noch nicht viel gesehen und Flughäfen sehen meistens ziemlich ähnlich aus"
Er lachte leise und schaltete das Radio an. Es lief gerade sogar ein Lied, was mir bekannt vorkam.
"Bye bye
Hollywood hills, I'm gonna
miss you...", schallte es aus den Lautsprechern. Schweigend fuhren wir weiter, bis wir in die Stadt kamen.

Langsam tauchten neben meinem Fenster mehr und mehr Häuser auf. Wunderschöne alte Villen säumten die Allee, unter der wir entlang fuhren. Plötzlich bog Joona in die Auffahrt einer riesigen, alten Villa ein. Wir fuhren über einen Zufartsweg aus Kies, gesäumt von sehr gepflegt aussehenden Blumenbeeten, in denen wunderschöne Fliederbüsche wuchsen.
Den Duft der lilafarbenen Blumen, glaubte ich sogar im Auto zu riechen. Ich fühlte mich augenblicklich Zuhause.

Direkt unter meinem Fenster zu Hause stand ebenfalls ein Fliederbusch, welcher im Sommer immer wunderbar duftete und hunderte von Schmetterlingen anlockte. Meine Mutter hatte Schmetterlinge geliebt und deshalb Unmengen an Flieder in unseren Garten gepflanzt. Nachdem sie jedoch gestorben war, erinnerten sie meinen Vater zu sehr an sie und er ließ sie alle wieder ausreißen. Nur den einen hatte er verschont, weil ich so sehr gebettelt hatte.

Wir erreichten eine große Garage, die sich öffnete, als Joona auf seinen Autoschlüssel drückte. Im Schatten sah man noch einige andere Autos stehen, doch ich konnte nicht genau sagen, was für welche.
Ich stieg aus und lief zum Kofferraum um mein Gepäck zu holen. Joona, der ebenfalls ausgestiegen war, half mir und trug meinen großen Koffer, während ich meinen etwas kleineren packte und mir gleichzeitig meinen Rucksack über die Schulter warf.
Gemeinsam liefen wir zurück über die Kieseinfahrt zu der Haustür. Naja, Haustür konnte man schlecht sagen. Eingangsportal passte viel besser zu der riesigen, weißen Flügeltür, vor der wir standen. Ich kaute nervös auf meiner Unterlippe, während Joona seinen Schlüssel aus der Jacke zog. Er schloss die Tür auf und wir betraten gemeinsam die Eingangshalle.

Annaats-Helsinki, ein Verrückter und IchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt