Kapitel 6

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Meine Kinnlade sackte herab, mit so etwas hatte ich in diesem Moment einfach gar nicht gerechnet. Dementsprechend hilflos fühlte ich mich auch, als er mich für ein paar weitere Sekunden stumm musterte. Dann stützte er sein Kinn auf seiner Handfläche ab, auf seine vollen Lippen war ein zuckersüßes Lächeln getreten und seine Augen lösten sich für keinen noch so kurzen Augenblick von mir.

"Hm, was sagst du dazu, Hoseok?", fragte er weiterhin grinsend. Warum? Warum wollte er mit mir was trinken gehen? Ich räusperte mich und begann mit meinem Löffel in meinem noch gut gefüllten Kaffee rum zu rühren. Am besten wäre es, wenn ich mich nicht aus der Ruhe bringen lassen würde. Nach einem weiteren Moment des Nachdenkens erwiderte ich seinen fragenden Blick und antwortete schließlich. "Ich habe doch schon gesagt, dass ich keinen Alkohol trinke. Ich glaube nicht, dass es da sinnführend wäre, mich mit dir in eine Kneipe zu setzen. Oder eine Strandbar", brachte ich ihm also entgegen und war insgeheim recht zufrieden mit meiner Ausrede, sie entsprach ja tatsächlich der Wahrheit und mit einem Glas Orangensaft würde ich mich sicherlich nicht mit ihm in eine Kneipe setzen, von daher war das Thema ja schnell abgehakt.

"Du darfst da nicht so engstirnig sein, Hoseok. Ich meine, wer hat gesagt, dass ich mit dir Alkohol trinken möchte? Ich habe mir wohl gemerkt, weshalb du gestern Abend den Cocktail abgelehnt hast. Mir geht es nicht um einen Drink, ich dachte da sowieso eher an einen Kaffee."

Scheinbar war doch noch nicht alles geklärt. Ich zog den Löffel aus meinem Kaffee und legte ihn auf meinem leeren Teller ab. Schweigend trank ich einen Schluck und nahm zufrieden zur Kenntnis, dass der Kaffee mittlerweile auf eine relativ angenehme Trinktemperatur abgekühlt war.

Meine Augen fanden wie von selbst den Weg zu ihm zurück, er saß dort unverändert amüsiert und in gleichem Maße erwartungsvoll. Warum wollte er, dass ich mein Geld für seinen Kaffee ausgebe, wenn er doch jetzt direkt einen 20 $ Schein in die Hand gedrückt bekommen könnte?

"Und Kaffee trinkst du ja ganz offensichtlich nicht allzu ungerne", nahm er den Faden wieder auf und ließ ein leises Lachen verlauten.

Ja ok, dagegen konnte ich natürlich nichts sagen, dennoch war es mir ein Rätsel, warum er nicht einfach das Geld nahm. "Sag mal, worin besteht für dich eigentlich der Unterschied, einfach mein Geld zu nehmen oder dir in einem Café von mir den Kaffee bezahlen zu lassen?", fragte ich also und nippte erneut an meinem Heißgetränk.

Seine Gesichtszüge verrieten, dass er das ganze Gespräch irgendwie genoss. Statt genervt von meiner Fragerei zu sein, lehnte er sich ein kleines Stückchen weiter zu mir rüber, sodass zwischen unseren Unterarmen keine allzu große Distanz mehr war, er aber nach wie vor nicht in meine Komfortzone eindrang.

"Den Kaffee würde ich bezahlen, darin besteht zum Beispiel ein Unterschied", antwortete er darauf und zwinkerte mir zu, womit er irgendwie seinen tatsächlich existenten Charme gut zur Geltung brachte.

Ich versuchte meine Gesichtszüge nicht allzu doll entgleisen zu lassen, auch, wenn es mir nicht gerade leicht fiel. Warum er jetzt auch noch den Kaffee bezahlen wollte, verstand ich erst recht nicht, doch es schien fast, als wäre sein Verhalten vollkommen frei von mir verständlicher Logik. Jede weitere Frage meinerseits würde mit einer seltsamen Argumentation seinerseits, die ich nicht verstehen würde, abgetan werden. So wie ich die Situation bisher einschätzte, würde er auch nicht allzu leicht locker lassen und ganz entgegen meiner gewöhnlichen Einstellung, überflüssigen Kontakt mit Fremden zu meiden, wirkte sein Angebot auf mich eher vorteilhaft als von Nachteil. Immerhin würde er mir einen Kaffee bezahlen und auch wenn ich mir bei ihm noch nicht so ganz sicher war ob ich ihn mögen sollte, oder nicht, würde es bestimmt doch irgendwie erträglich sein, sich mit ihm für eine halbe Stunde in ein Café zu setzen und einen Kaffee zu schlürfen. Zumindest hatte er sich bisher als überaus höfliche Person erwiesen, so sehr ich mich auch dagegen sträubte, von seiner Nettigkeit überzeugt zu werden, musste ich mir dieses kleine Detail doch eingestehen.

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