IV

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Als ich am nächsten Morgen aufwache, bin ich komplett verwirrt. Koda schläft noch tief und fest, ich liege mit dem Kopf auf seiner Brust und lausche seinem beruhigenden Herzschlag. In so einer Situation ist mein erster Gedanke normalerweise, mich leise anzuziehen, unbemerkt zu verschwinden und mich nie wieder bei dem One-Night-Stand zu melden. Aber dieses Mal ist es anders. Der Sex war unglaublich schön und es hat mir ausnahmsweise wirklich gefallen, bottom zu sein. Bei ihm könnte ich mich daran gewöhnen.

Denke ich gerade ernsthaft an eine gemeinsame Zukunft? Nach einem Geschäftsessen mit unseren Eltern und einmal Sex? Ich kenne ihn doch gar nicht, und es besteht immer noch die Möglichkeit, dass es für Koda nur eine einmalige Sache war. So wie es für mich eigentlich auch sein sollte. Eine Beziehung würde doch niemals funktionieren. Ich hatte noch nie eine, also weiß ich auch gar nicht, wie man das macht. Meine Stiefmutter akzeptiert zwar, dass ich schwul bin, aber mein Vater findet es abnormal. Und was würden seine Eltern dazu sagen?

Koda fängt an sich unruhig zu bewegen, vielleicht hat er einen Albtraum, oder er wacht auf. Ich betrachte sein Gesicht, er sieht aus wie ein Model. Seine Haare sind verstrubbelt und ihm fallen ein paar Strähnen in die Stirn, die ich nun wie automatisch sanft weg streiche. Seine Haut ist angenehm warm und fühlt sich weich an. Er riecht noch leicht nach Sex und unserem Schweiß, aber auch nach seiner ganz eigenen Note, irgendwas, das mich ans Meer erinnert. Kann man nach Meer riechen? Vielleicht ist es auch nur ein Deo, mit dem Duft einer Meeresbrise. Ich mag den Geruch.

In Gedanken versunken starre ich auf seine Brust, meine Fingerspitzen streichen über seinen nackten Oberkörper und fahren die deutlich sichtbaren Muskeln nach. Als ich wieder hoch in sein Gesicht schaue, zucke ich zusammen und bekomme fast einen Herzinfarkt, denn ich blicke direkt in zwei braune Augen. Er lacht leise und seine Brust, auf der ich immer noch liege, vibriert dabei.

"Du siehst süß aus, wenn du so verträumt guckst."

Wie lange beobachtet mich schon? Irgendwie gefällt mir das, auch wenn ich gerade definitiv komplett scheiße aussehe.

"An was denkst du?" fragt er mit rauer Morgenstimme. Schon wieder frage ich mich, ob man nur durch eine Stimme hart werden kann. In Gegensatz zu ihm klinge ich morgens eher so, als hätte ich den ganzen Abend durchgesoffen.

"Ich mag deine Stimme", antworte ich, ohne nachzudenken. Schon gestern fand ich sie schön, so wie generell alles an ihm. Aber das sage ich ihm natürlich nicht. Er lacht wieder. Sein Lachen mag ich auch. Gott, was ist denn bitte los mit mir? Ich bin doch sonst nicht so bescheuert.

"Das hat noch nie jemand zu mir gesagt, danke", meint er belustigt. "Deine Stimme ist aber auch schön."

Ich weiß nicht, was ich sagen soll.

"Ähm, ja, ich glaube, ich sollte jetzt gehen."

Sein Blick wird ernst, er zieht sogar die Augenbrauen zusammen. Okay, das hätte ich also nicht sagen sollen.

"Blain, ich bin eigentlich nicht der Typ für One-Night-Stands", erklärt er und setzt sich auf. Ich werde mit hoch gezogen und lehne neben ihm am Kopfende des Bettes.

"Sicher? Das hat gestern aber noch anders gewirkt."

"Da hab ich mich nur mitreißen lassen, ich konnte dir nicht widerstehen."

Naja, genau genommen habe ich ihm auch keine Chance gelassen, mich abzuweisen. Ich wollte ihn von Anfang an so sehr, dass ich ihm keine Zeit zum Nachdenken gegeben habe, weil ich Angst hatte, er würde sich um entscheiden.

"Was Beziehungen angeht bin ich wohl das genaue Gegenteil von dir. Ich will nichts ernstes", sage ich leise und versuche, mir einzureden, dass das auch stimmt.

"Verdammt", murmelt er, "Du bist ein Player, stimmt's? Einer, der ständig hübsche Jungs abschleppt und fallen lässt. Ich hätte es wissen müssen."

Er tut mir leid, aber was soll ich sagen? Entschuldigung, dass ich mit meinen eigenen Gefühlen nicht klar komme? Das würde ihm auch nicht helfen.

"Ich verliebe mich immer in Arschlöcher", seufzt er traurig.

Beinahe verschlucke ich mich an meiner eigenen Spucke, hat er gerade verlieben gesagt?

"Was?" frage ich erschrocken, und ignoriere erstmal, dass er mich gerade beleidigt hat.

Er zuckt nur mit den Schultern, dann nickt er.

"Ich weiß noch nicht, ob es wirklich Liebe ist, immerhin kennen wir uns kaum, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es Liebe werden könnte."

Ich gucke wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Er meint es wirklich ernst. Hilfe?

"Ich...also... Ich war noch nie verliebt."

In meinem Alter noch nie die berühmten Schmetterlinge im Bauch gehabt zu haben ist zwar ungewöhnlich, aber nicht schlimm. Ich war sogar ganz froh darüber, nie in jemanden verliebt gewesen zu sein. Bis jetzt.

Yellow in Scottish Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt