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"Denk immer daran, was damals mit ihr und Gally passiert ist. Mädchen sind eigensinnig."
Dieser letzte Teil einer Unterhaltung weckt mich schließlich aus meinem Schlaf.
Ich mache die Augen auf, doch sie bemerken es nicht. 'Sie' sind Alby und ein großer, blonder Junge, welchen ich jedoch nur von hinten sehe, denn er hat sich zu seinem Gesprächspartner gewandt. Ich erkenne jedoch, dass es der Junge war, welcher mir aufgeholfen hat. Newt muss demnach sein Name sein.
Sie sind keine Entführer, sondern meine Retter. Sonst läge ich nicht in diesem Raum, auf einem doch recht weichem Bett, unter einer weichen Decke. Zudem wenden sie sich von mir ab. Das tun nur Leute, die einem nichts Böses wollen.
"Was ist passiert?" frage ich instinktiv nach.
Alby und Newt schauen zu mir. Ich will gerade weiterreden, da geht Newt ohne ein Wort zu sagen und dreht sich, kurz bevor er den Raum verlässt, noch einmal um. Als sich unsere Blicke kreuzen, fühle ich mich für einen kurzen Moment nicht mehr so hilflos. Aber was soll schon ein Blick bedeuten?
"Guten Morgen, du hast die ganze Nacht geschlafen." Alby sagt das, als wäre es das Normalste der Welt.
"Was ist mit Gally und 'ihr' passiert?" Ich beharre stur auf meiner Frage.
"Zieh dich an, es wird ein anstrengender Tag. Ich werde dir alles zeigen. Die Sachen neben dir lagen mit in der Box." Ohne auch nur ein bisschen auf meine Frage einzugehen, steht er auf und will gehen.
"Achja, wie ist eigentlich dein Name?"
"Jessica."
"Gut. Jessica, ich warte unten auf dich." Dann geht er.
Neben meinem Bett liegen ein frisches Oberteil und eine Hose.
Schnell ziehe ich mich um und gehe nach unten. Bevor ich jedoch den Raum verlasse sehe ich an der Tür einen Spiegel. Ich sehe hinein, ohne zu wissen, was mich erwartet.
Zunächst sehe ich meine langen braunen Haare. Sie sind zerzaust, aber von Natur aus glatt. Meine Augen sind groß und blau. Meine Lippen dunkelrot. Mein Hautton ist sehr hell. Ich bin nicht sonderlich groß, habe eine normale Figur. Ich drehe mich. Einmal, Zweimal. Das bin ich. In diesem Körper stecke ich. "Und doch bin ich mir so fremd." sage ich laut. Meine Stimme, sie ist nicht sehr hoch, fühlt sich sehr sanft an. Es fühlt sich an, als sehe und höre ich mich zum ersten mal. Naja, theoretisch tu ich das ja auch, aber wie konnte das passieren?
Ich öffne die Tür und gehe nach unten.
Dort steht Alby und wartet auf mich.
Er sieht meinen Blick.
"Du hast in den Spiegel geschaut?" Ich nicke.
"Wir alle haben das durchgemacht. Du wirst dich daran gewöhnen. Du bist du. Das wird sich nicht mehr ändern." Ich nicke erneut, denn ich weiß nicht, was ich erwidern könnte.
"Willst du zuerst eine Führung oder Erklärungen?" Erwartend schaut er mich an.
"Erklärungen." Darauf warte ich doch schon die ganze Zeit.
"Okay. Dann musst du mir jetzt zuhören. Ich werde dir alles erzählen, was wir bisher wissen."
"Ich will nur verstehen, wieso ich hier bin Alby."
"Ich weiß, das wollen wir alle. Also alles begann vor 7 Monaten. Ich bin in dieser Box aufgewacht. Genau wie du. Ich wusste nichts mehr, außer meinem Namen. Als ich oben angekommen war, öffnete ich das Tor über mir und stand mitten auf der Lichtung, wie wir es nennen. Ich war alleine. Keiner war hier. Nur die Hütte stand da.
Und ein paar Beete waren angelegt. Ich lief erst einmal ein paar Stunden umher, weil ich nicht wusste, was ich tun soll. Ich bin auch ins Labyrinth gelaufen. Aber als ich gemerkt habe, dass es kein Ende nimmt, bin ich zurück zur Lichtung."
"Labyrinth?" Ich sehe ihn an.
"Ja, das da draußen ist keine Rettung. Es ist ein Irrgarten, aber das erfährst du noch. Also. Zurück auf der Lichtung schlossen sich auf einmal die Wände. Ich ging zur Box, dachte, wenn sie nach oben fährt, fährt sie auch wieder nach unten. Aber es tat sich nichts. In der Box lagen eine Hängematte, ein bisschen Kleidung und ein paar Nahrungsmittel. Ich holte alles heraus und nachdem die Box leer war, fuhr sie auf einmal wieder nach unten. Ohne mich. Ich saß also auf der Lichtung fest, wie in einem Gefängnis. Ich ging zur Hütte und verschanzte mich dort. Für Tage und Wochen. Ich kam nur raus, wenn ich Essen vom Beet brauchte. Jeden Morgen öffneten sich, jeden Abend schlossen sich die Wände. Ich erkannte den Ablauf, jeden Tag gleich.
Nach einer Ewigkeit voll Angst und Unwissen darüber, was passiert ist, woher ich kam und warum ich nichts mehr wusste, hörte ich dieses altbekannte Geräusch. Die Box kam wieder hoch. Voller Freude, ich könnte gerettet werden, öffnete ich die Box und sah einen Jungen. Es war Newt. Auch er wurde mit einer Hängematte, Kleidung und Nahrung hochgebracht. Nachdem die Box leer war, fuhr sie runter. Aber ohne uns. Auch Newt war ohne Erinnerung. Langsam wurde mir bewusst, dass wir Teil von etwas größerem sind. Etwas, was wir nicht bezwingen können. So geht das Monat für Monat. Jedes mal kommt jemand neues hoch. Und diesmal warst du es."
Ich sehe ihn an. "Also sitzen wir hier fest? Es gibt keinen Ausweg?"
"Naja, vielleicht gibt es einen. Durch das Labyrinth. Minho erkundet es jeden Tag, versucht einen Ausgang zu finden. Er läuft stundenlang, daher nennen wir ihn den Läufer. Doch er muss zurück sein, bis sich die Tore schließen, denn keiner weiß, was hinter den Mauern passiert. Nur manchmal hört man Geräusche, wie von Tieren." Er sieht dich an.
"Tiere?"
"Keiner weiß genau, was sich dahinter verbirgt, aber bevor wir das herausfinden, müssen wir mehr über dieses Gefängnis erfahren."
"Okay, ich verstehe."
"Gut. Es gibt nicht viele Regeln, aber halte dich an die Paar, die es gibt.

Niemand außer der Läufer darf das Labyrinth betreten.

Man muss einen Beitrag leisten, also seine Aufgabe finden und mitarbeiten.

Man darf keinem der anderen Lichter Schaden zufügen.

Verstanden?"

Ich nicke.
"Gut, den Rest erfährst du bei deiner Führung!"

The Maze GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt