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Die Fahrt war schnell zu Ende gegangen, obwohl wir eigentlich weit voneinander weg wohnten, also mein Vater und meine restliche Familie natürlich. Ich war lediglich ein bisschen an meinem Handy und schrieb mit ein paar Freunden. Als das Auto in eine mir gut bekannte Strasse gefahren war, hatte ich mein Handy beiseite gelegt und hatte mich zum Aussteigen bereit gemacht. Nicht wissend, wie ich mich gleich verabschieden sollte. Sonst war das immer so einfach gewesen. 'Bis in zwei Wochen!'. Aber diesmal gab es kein 'Bis in zwei Wochen'. Ich öffnete die Tür bedächtig und stieg langsam aus dem Auto, ich wollte meinen Vater nicht noch durch irgendwelche Kratzer an seinem Auto verärgern, obwohl ihn das nicht zum Ausrasten gebracht hätte. Bewusst hatte ich mein Armband mit einem kleinen gravierten Anhänger, das ich von ihm inklusive Anhänger  geschenkt bekam, im Auto liegen gelassen. Zwar befand sich keine Botschaft dadrin, aber er sollte etwas haben, was ihn an mich erinnerte, etwas was er bei sich tragen und festhalten konnte. Natürlich hatte ich Briefe vorgefertigt. Briefe an meine Familie generell, an meine Mutter, meine Schwester, meinen Vater, meine Grosseltern und so weiter. Ich wollte, dass alle nachträglich Bescheid wussten, warum ich es getan habe. Die Briefe waren sicher in meinem Kleiderschrank unter einem zusammengefalteten Kleid versteckt, das ich seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr getragen hatte. Erstens, weil wir noch lange nicht Sommer haben und zweitens, weil ich einfach keinen Gefallen mehr daran fand Kleider zu tragen. Naja, das erste Argument... das war nicht gerade bedeutsam, aber dafür das zweite umso mehr.

Ist das überhaupt richtig was ich vorhabe? 

Ab und zu wurde ich von solchen Gedanken geplagt. Unterbewusst war ich schon lange bereit für den nächsten, beziehungsweise den letzten Schritt. Aber mein Bewusstsein musste sich auch erstmal mit dem Gedanken abfinden und mittlerweile war es soweit. Soweit es zu tun. Erstaunlicherweise fühlte ich seit langem nichts mehr. Vermehrt bekam ich Suizidgedanken und ich bemerkte wie attraktiv die Vorstellung war hier weg zu sein. Es gab Ausnahmesituationen in denen ich mich gut fühlte, in denen sich das Leben sinnvoll anfühlte, aber meine Probleme waren wie ein Eisberg. Augenscheinlich schienen meine Probleme sinnlos, klein und leicht zu lösen, doch die für andere nicht Sichtbaren waren riesig, düster und eine Lösung war zwecklos.

Ich ging um das Auto herum und umarmte meinen Vater, wie immer eigentlich. Ich genoss seine Nähe und die Wärme. Die Umarmung dauerte um Einiges länger als sonst. 

"Wir sehen und dann.", sagte er und lächelte mich an, nachdem wir uns aus der Umarmung gelöst hatten. 

"Ich hab dich lieb.", gab ich daraufhin von mir.

Ein leises 'Ich dich auch', erleichterte mich und ich war innerlich beruhigt. Wahrscheinlich machte sich keine andere Depressive solche Gedanken, wie ich. Ich war fast krank vor Angst mich von den Menschen nicht genügend verabschiedet zu haben. 

Mein Vater holte meine Tasche aus dem Kofferraum und ich stellte mich an die Tür unseres Neubaus meine Tasche mittlerweile in der Hand haltend und winkte ihm zu wie er kurz darauf um die Kurve unsere Einfahrt verließ. Ich war erleichtert, doch mir kamen erneut Zweifel.

Willst du das wirklich, Debbie?

"Ja, das will ich", sprach ich auf einmal laut zu mir. Ich erschrak ein bisschen, als ich bemerkte, dass ich das gerade laut gesagt hatte, also ein Selbstgespräch geführt hatte. Ich drehte mich zur Eingangstür und steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte nach rechts. Falsche Richtung. Ich drehte nach links und nach zwei Umdrehungen liess sich die Tür leise öffnen und ich stand im Eingangsbereich unseres Einfamilienhauses. 

"Hallo Deborah", hallte es um die Ecke. Eine blonde Frau versteckte sich hinter dieser zarten Stimme. Sie war wirklich schön. Anders konnte ich mir auch nicht erklären, warum die Männer so auf sie abfuhren. Sie war eigentlich, sofern man das von seiner Mutter behaupten konnte, nicht die hellste Kerze auf der Torte und auch ihr Charakter liess in einigen Punkten zu Wünschen übrig.

"Ach, hallo Mama", sagte ich mit einem vorgespieltem erschöpftem Unterton in meiner Stimme, während ich um die Ecke ins Wohnzimmer ging. Ich wollte nicht, dass sie mich wieder über meinen Vater ausquetschte. In so einer Situation war es am besten Müdigkeit vorzutäuschen. So wirklich müde war ich nämlich eigentlich nicht. Ich hatte gerade im Auto ein bisschen geschlafen.

"Ich gehe mich ausruhen, ich bin echt müde", sagte ich und gähnte. Daraufhin wurde ich allerdings tatsächlich etwas müde und ich ging in den Flur, zog meine Schuhe aus und huschte nach oben in mein Zimmer. Ich legte mich in mein Bett und nachdem ich mindestens eine Stunde lang wach gelegen hatte, schlief ich, ohne mich zugedeckt zu haben, ein.


... und alles war okayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt