Ich schlief relativ ruhig diese Nacht, erstaunlich ruhig. So gut hatte ich die letzten zwei Monate nicht mehr geschlafen. Mein Schlafrhythmus war einfach dermaßen durcheinander und ich war eigentlich immer müde. Heute allerdings nicht. Mein Handy hatte mich diesmal geweckt. Es war gerade mal 7 Uhr und die Schule begann erst um halb neun. Heute musste ich mich nicht aus dem Bett quälen, sondern unangenehm gute Laune machte, dass ich aufstand.
Woher kommt das? Warum bin ich so glücklich und so erholt? Die Verabschiedung von meinem Vater? Ist die schuld daran?
Ich ging ins Bad und duschte schnell. Normalerweise dusche ich immer abends, weil ich morgens immer viel zu müde dafür war, aber gestern hatte ich es ohnehin vergessen und eine erfrischende Dusche würde wohl bestimmt auch meine Gedanken abkühlen, die mich zwischendurch immer wieder einholten.
Nein! Tu das nicht!
Mittlerweile drehte sich alles in mir nur noch um dieses eine Thema. Ob das gut oder schlecht war, wusste ich nicht.
Ich wickelte mir ein Handtuch um und verschwand wieder in mein Zimmer. Heute morgen wollte ich mal ausnahmsweise keinen Streit mit Amélia verursachen, weshalb ich mich zum Schminken in mein Zimmer verzog. Ich legte ein dezentes Make-Up auf und zog mir etwas an. Einen weissen Spitzen-BH, den meine Brüste nichtmal ansatzweise ausfüllten, mit dem dazu passenden Höschen.
Wieso ich zueinander passende Unterwäsche trug? Ich wusste es selber nicht, aber mir gefiel das 'Set' und ich fühlte mich so gut heute, dass ich mich auch was Unterwäsche angehend gut fühlen wollte.
Und warum ich das überhaupt besaß? Ich bin ehrlich, als aussenstehende Person hätte ich auch nicht gedacht, dass ich schonmal einen Freund gehabt hatte, aber ich war immerhin schon 16. Mein Freund trennte sich von mir, das ist noch nicht mal lange her. Zwei Monate höchstens. Und wie Kerle heutzutage nunmal sind... naja er hatte sich unmittelbar nach unserem Ersten Mal getrennt. Warum weiss ich nicht, aber ich hatte mit meiner besten Freundin schon einige Vermutungen aufgestellt. Ich warf mir einen grauen Pullover und eine blaue Jeans über und setzte mich wieder an meinen Schminktisch.
Wieso denken alle eigentlich immer, dass man sich dunkel anzieht, wenn man depressiv ist? Man kann doch auch depressiv sein, wenn man sich eben nicht gleich ritzt oder auch mal was buntes trägt?
Klar, heute trug ich auch nichts besonders buntes, aber für die Gesellschaft war es ja auch ziemlich untypisch, dass sich Depressive nicht total dunkel im Gesicht anmalten. Vor allem um die Augen herum. Schon oft war mir aufgefallen, wie tief unsere Gesellschaft schon gesunken war und daran war nicht allein meine Generation schuld.
Nach Aussen wirkte ich nicht wie eine, die an Depressionen erkrankt war. Ich hatte mich zwar schon einmal geritzt, aber schnell merkte ich, dass ich das nicht wollte und es mir zu anstrengend war das immer zu vertuschen. Ich war ansonsten auch immer farbenfroh angezogen und in der Schule war ich zwar still, aber manchmal auch echt lebendig und lustig. Das kam halt immer auf die jeweilige Situation an in der ich mich befand.
Als es ungefähr halb acht war, hörte ich meine Mutter zum Frühstück rufen. Sonst war ich nie so schnell unten, sondern liess mir noch einiges an Zeit, hörte irgendwelche Musik oder schminkte mich wieder komplett ab, weil ich mich doch nicht so nach Make-Up fühlte. Aber heute war es anders. Es war wie früher. Ich hastete schnell die Treppe runter und stürmte förmlich in die Küche.
"Guten Morgen, ihr zwei", sagte ich und formte mit meinen Händen eine Sonne. Ich sprang Luftsprünge machend durch die Küche und liess mich begeistert auf meinen Stuhl fallen.
"Hast du irgendwas genommen?", fragte meine Schwester vorwurfsvoll und zeigte mir einen Vogel.
"Darf man den plötzlich keine gute Laune mehr haben?", stellte ich als Gegenfrage und seufzte.
Etwas beleidigt fügte ich hinzu: "Ein einfaches 'Guten Morgen' hätte mir gereicht."
Meine Mutter schaute uns einfach nur an. Anstatt einzuschreiten, musterte sie mein Outfit, aber gab mir kein Kompliment. Im Endeffekt war mir das auch egal, weil sie sowieso nie irgendwas Gescheites von sich gab.
Erst jetzt fiel mir auf, dass der Tisch für vier Personen gedeckt war.
Wer besucht uns so früh morgens?
Diese Frage wollte ich nicht laut aussprechen, lieber wartete ich ab was passierte oder liess Amé die Frage stellen. Ich nahm mir ein Brötchen und begann es mit Marmelade zu bestreichen und musterte meine Mutter. Sie war stark geschminkt und ihre Haare waren auch schon gemacht. Ziemlich untypisch für sie. Allerdings liess die kleine Überraschung nicht lange auf sich warten, als nämlich ein grosser Typ nur eine Boxershorts und ein Top tragend unsere Küche betrat, war mir klar was sich hier abspielte. Ich hörte umgehend auf mein Brötchen zu schmieren und starrte den brünetten attraktiven Mann an. Mitte 30 schätze ich. Erst jetzt fiel mir die rote Reizwäsche auf, die meine Mutter noch unter ihrem Bademantel trug und ich schluckte. Ich hatte einen Kloß im Hals. Meine Mutter hatte es auf ein neues Level gebracht. Das war einfach zu viel für mich, doch ich versuchte mich zusammenzureissen. Jetzt auszurasten würde nichts bringen. Auch wenn meine Laune schon wieder im Keller war. Ich beobachtete den Mann, wie er sich neben meine Mutter setzte und sie sich küssten und sich anzwinkerten. Als sie aufstand um etwas aus dem Vorratsschrank zu holen, starrte er ihr ganz schon hinterher. Ja, auf den Arsch. Und ja, das war schon wieder zu viel für mich.
Was hat sie sich dabei gedacht? Amé ist 13!
Er hatte sich nicht einmal vorgestellt. Was für ein Arsch...
Vielleicht reagierte ich auch über, denn Amélia interessierte das ganze überhaupt nicht. Sie hatte nur Augen für ihr neues Smartphone, was gerade nicht unbedingt schlecht war.
"Peinlicher geht's nicht! Ihr habt mir den Appetit verdorben.", sagte ich zu ihm und stand auf ohne auf eine Antwort zu warten. Ich ging wieder nach oben in mein Zimmer und holte meinen Rucksack. Ich verstaute alles Wichtige für den heutigen Tag darin und ging nach unten, setzte mich auf mein Fahrrad, und ohne mich zu verabschieden fuhr ich zur Schule. Jedenfalls wollte ich das., aber meine Mutter unterbrach mich:
"Warte mal.. Ich kann das erklären! Der Mann ist..."
Kleiner Cliffhanger :)
Morgen um 12 Uhr wird ein neues Kapitel gepostet!
31. März 2018 - 12.00 Uhr
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... und alles war okay
Short Story'Hey, ich bin's, Debbie. D wie Depressionen. Ich mache nur Scherze. Oder etwa nicht? Tauche ein in meine Welt und was mein Leben so wenig lebenswert machte.' Ich berichte in meinem Buch von einer mir ausgedachten Geschichte, die mir auf der Heimfah...