Am letzten Tag hatte ich so viel gelacht, da musste es ja am nächsten anders kommen.
Ich hatte in der Nacht ziemlich gut geschlafen, aber war am Morgen trotzdem ziemlich gerädert.
Ich gähnte herzhaft und setzte mich auf. Die Schmerzen waren unverändert, also nicht besser und auch nicht schlechter.
Mein Magen grummelte und kündigte den Hunger an. Wir hatten genau 7:30Uhr, als ich nachschaute. Bald müsste die Visite kommen und danach meistens das Frühstück.
Während ich wartete guckte ich auf meinem Hany nach, ob da wirklich die Nummer von Philipp drin war.
Tatsächlich.
Ich musste grinsen und überlegte, ob ich ihm schreiben sollte, aber ich entschied mich vorerst dagegen.
Mittlerweile machte sich noch was anderes als mein Hunger bemerkbar. Ich lag jetzt schon seit fast zwei Woche im Krankenhaus und hatte keinen einzigen Tropfen Alkohol n meinem Blut gehabt. Der bewusste Gedanke daran verursachte nur noch mehr Kopfschmerzen.
Ich lenkte mich ab, indem ich weitere Hausaufgaben machte. Inzwischen hatte ich alles was wir in der Schule gemacht hatten nachgeholt, weil Kaja mir jeden Tag die Schulsachen vorbei brachte. Ohne die und ihre Besuche würde ich wahrscheinlich hier drin kaputt gehen, auch wenn man das mit dem arbeiten vielleicht gar nicht glauben kann, aber wirklich! Es beschäftigte mich.
Ich freute mich schon darauf, dass Kaja kam. Heute hatte ich vor mal probieren raus zu gehen. Hier drinnen wurde die Luft langsam, aber sicher ziemlich dünn.Ich hatte gerade den letzten Satz meiner Hausaufgabe in Päda geschrieben, da ging die Tür auf und das ganze Ärzte-Komitee kam herein. Ich hätte ja wirklich keine Lust bei jedem Patienten vorbei zu schauen und nach ihrem Befinden zu fragen.
Sie fragten mich also nach ihrem Befinden und blablabla.
Eine von ihnen erzählte dem Oberarzt ich hätte in der Nacht wohl viel gehustet, aber er befand dies als nicht so auffällig. Dann wurde wieder was an diesem Beutel gemacht und meine Nadel wurde ausgetauscht. Ich hasste das und trotzdem kam ich nicht aus dem Grinsen raus. Das sollte mir aber bald vergehen.
Zehn Minuten nachdem die Visite weg war kam dann mein Frühstück.
Und vier Stunden Später, kurz nach dem Mittagessen kam Elli. Man sah die schlechten Nachrichten schon an ihrem Gesicht an, als sie reinkam.
Sie setzte sich hin und bevor sie groß rumdrucksen konnte, sagte ich: "Spucks aus. Was ist los?"
Als Antwort hielt sie mir nur ihr Handy ins Gesicht.
Als ich alles von der Email gelesen hatte rann mir eine Träne übers Gesicht.Hallo Elisabeth.
Wir haben deine Email bekommen und danken für die Informationen über den Zustand unserer Tochter. Wir bitten dich ihr diese Email nicht zu zeigen, denn wir, Harald und ich sind der Meinung, dass eine Rippenfraktur, eine leichte Gehirnerschütterung und ein Beinbruch uns nicht dazu zwingen aus Hawaii zurück zu kommen. Schließlich ist sie ja noch am Leben und darüber sind wir auch dankbar. Außerdem haben wir wichtige, geschäftliche Dinge zu regeln. Anders gibt es schließlich auch kein Geld und einen Flug nach Deutschland wäre schlicht und einfach Verschwendung von diesem Gut.
Noch einmal bitte ich dich in dem Interesse von uns allen, Nancy diese Email nicht zu zeigen, sie würde es nicht verstehen.Grüße von
Harald und IsoldeOh doch. Ich verstand sehr wohl. Die ganzen Emotionen in mir brachten mich fast dazu das Handy gegen die Wand zu schleudern. Ich unterdrückte diesen Drang gerade noch und gab das Handy dann mit zitternder Hand an Elli zurück.
"Ich habe dir de Email geschickt, soll ich dich alleine lassen?""
Ich nickte sie dankbar an. Solche Situationen waren schon öfter vorgekommen und da wollte ich meistens alleine sein.
"Kaja kommt übrigens heute nicht...es tut mir leid!"; meinte Elli noch und ging dann hinaus. Man konnte kaum glauben, dass sie die Schwester von meiner Mutter war.Ich vergoss in der folgenden Stunde nicht mehr viele Tränen. Ich hatte in den ganzen Jahren noch nie viel Regung nach außen gezeigt. Dafür staute sich alles in mir drin auf.
Auch nicht besser. Ich weiß.
Wenn ich so darüber nachdachte, wie wenig meine Eltern sich um mich scherten musste ich fast lachen. Kein Wunder, dass ich angefangen habe zu trinken.
Schon wieder dieser Druck. Aber diesmal auf meinem gesamten Oberkörper. Und zu allem Überfluss musste ich auch noch anfangen zu husten...und hörte nicht mehr auf.
Das wurde alles zu viel. Ich atmete viel zu schnell.
Als ich Wasser trinken wollte kippte ich mehr als die Hälfte auf mein Bett.Ich bekam keine Luft mehr.
Notknopf..wo ist der verdammte Notknopf.
Ich fand den Notknopf nicht. Und der Sauerstoff nicht der Weg zu meiner Lunge.
Fuck.
Plötzlich öffnete sich die Tür und jemand kam rein. Ich konnte nur eine Silhouette erkennen, bis die Person näher kam.
"Scheiße", stieß diese Person aus.
Philipp, es war Philipp.
"Luft...ich..keine-", keuchte ich.
Philipp rannte nach draußen und rief nach Hilfe, kam wieder rein und drückte den Notknopf, der sich hinter mir links befunden hätte.
Irgendwann wurde alles weiß und schwarz und bunt. Dann war da ein pikser in meinem linken , oder war es mein rechter Arm? Dann wurde es heiß in meinem Körper und ich wurde überwältigt von den Farben.Ich wachte im selben Raum auf. Ich spürte etwas an...meiner rechten Hand und etwas warmes an dem selben Arm.
Ich öffnete die Augen.
Da lag Philipp. Mit dem Kopf und dem halben Oberkörper auf meinem Bett und hielt meine Hand. So könnte ich jeden tag aufwachen, aber mit dem ganzen Philipp im Bett.
Ach du kacke. Vor kurzem war ich fast erstickt und das erste was ich dachte war sowas. Außerdem kannte ich ihn ja fast nicht.
Trotzdem. Eines konnte ich nicht lassen.
Langsam hob ich meine freie Hand und fuhr ihm damit durch das Haar. Es hatte die perfekte Länge.
Ich spürte, wie er plötzlich einmal tief einatmete und ich wagte es nicht mich zu bewegen. Als ich glaubte er schlief weiter fuhr ich weiter mit meiner Hand durch sein Haar.Nach gefühlten zwanzig Minuten kam plötzlich eine Krankenschwester und ich zog ruckartig meine Hand zurück.
"Ah sie sind wach. Sehr gut! Ich sage kurz dem Arzt Bescheid!", sagte sie schnell und verschwandt auch schon wieder.
Philipp regte sich neben mir.
Verschlafen hob er den Kopf. Mit so verstrubbelten Haaren sah er fast noch besser aus als sonst. Ich widerstand dem Drang ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen.
Ich hatte echt einen Haarfetisch, mannoman.
Er lächelte erleichtert.
"Du bist wach..."
Ich nickte leicht und lächelte zurück.
Er ließ meine Hand los, aber auch nur um sich durch die Haare zu fahren, dann nahm er sie wieder in die Hand und verschränkte meine Finger mit seinem.
Hoffentlich hörte er nicht, wie schnell der Vitaldatenmonitor piepste.
"Was machst du denn für Sachen, ich hab mir so-"Er wurde von dem hereinkommenden Arzt unterbrochen.
"Guten Abend, Frau Kanz. Es freut mich sehr sie so wohlauf zu sehen. Sie fragen sich bestimmt was vorgefallen ist", begann er und ich nickte.
"Sie hatten eine Lungenembolie!"