- S.E.V.E.N -

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Ich atmete schneller durch meine Sauerstoffmaske.
"In ihrem linken Bein hat sich eine Trombose entwickelt und so die Lungenarterie verstopft. Das führte zu wenig Sauerstoff in ihrer Lunge und dem gesamten Körper. Bei ihnen handelte es sich um eine fulminante Lungenembolie. Ihr Körper kann das Blutgerinnsel nicht selber abtransportieren und es kam zu einer Rechtsherzinsuffizienz. Wir haben sofort mit der Lysetherapie angefangen!"
Philipp sog scharf die Luft ein.
Ich schaute ihn fragend an. Ich hatte von dem was der Arzt gesagt hatte nur die Hälfte verstanden, aber er wusste anscheinend mehr.
Philipp schaute den Arzt an.
"Darf ich...?", fragte er nur und deutete mit einer leichten Bewegung auf mich und der Arzt nickte.
"Also eine Trombose ist ein Blutgerinssel und das hat sich in deinem Bein gebildet, in einem Blutgefäß. Das hat dann den Blutfluss verlangsamt bis gestoppt, so dass das Blut mit hohem Sauerstoffanteil nicht zur Lunge gelangen konnte. Dann hast du keine Luft mehr bekommen. Und weil es bei dir leider zu einem großen Verschluss der Lungengefäße gekommen ist, ist der Widerstand im Lungenkreislauf angestiegen. Die rechte Herzkammer musste dann deutlich mehr arbeiten um diesen Widerstand zu überwinden und dann kam es zu deinem Herzversagen der rechten Hälfte."
Ich war leicht erschrocken. Für mich hörte sich das ganze ziemlich Lebensgefährlich an.
Ich guckte zu dem Arzt, aber der guckte Philipp ziemlich beeindruckt an. Woher wusste er das alles?
"Okay, danke. Das habe ich soweit...verstanden, aber was ist diese Lysetherapie?"
"Das-", fingen Philipp und der Arzt gleichzeitig an zu reden.
"Machen sie mal, wenn etwas falsch ist, kann ich sie ja korrigieren", schmunzelte der Arzt. Der war ja locker drauf. Sowas hatte ich noch nie erlebt.
Philipp schaute noch einmal kurz unsicher zum Arzt, dann wendete er sich aber zu mir.
"Ich glaube-", er unterbrach sich selber, um schnell noch einmal anzufangen.
"Eine Lysetherapie ist eine medikamentöse Therapie, um dein Blutgerinnsel zu entfernen. Du kannst es auch Thrombolyse nennen. Man behandelt dann mit Fibrinolytika. Die Risiken sind jedoch Blutungen, was lebensbedrohlich sein kann. Jetzt denke ich wird dein Besuch hier im Krankenhaus nochmal um so etwa vier Tage zur Überwachung verlängert." Bei dem letzten Satz grinste Philipp schief.
"Das war alles richtig", meinte der Arzt nun wirklich beeindruckt."KOmm doch mal her und mach dein Praktikum hier. "
Philipp grinste breit und nickte.
"Eine Frage hätte ich noch", warf Philipp noch schnell ein. "Warum wurde sie nicht auf die Intensivstation verlegt?"
"Weil die Stroke Unit sich zufällig hier auf der Etage aufhielt und so sofort nach hier kommen konnte."
Philipp nickte wissend während ich nur Bahnhof verstand, was mir aber egal war.
Der Arzt wünschte mir noch eine gute Genesung und meinte, dass ich noch Besuch erwartete und ging dann.

Welcher Besuch? Auch Philipp blickte neugierig zur Tür. So konnte ich ihn im Profil betrachten.
Locker könnte ich mich an seiner jawline schneiden. Und das Abendlicht fiel auf seine linke Gesichtshälfte und...seine Wimpern, seine Augen. Halleluja womit hatte ich diesen Anblick alleine schon verdient?
Dann ging die Tür auf und Kaja und Elli stürmten herein. Ich konnte an Kaja's Augen erkennen wie sehr sie sich zusammenreißen musste mich nicht zu umarmen. Sie hatte einen Umarmfetsich, glaubte ich.
Und Elli standen die Tränen in den Augen.
"Ich...ich hätte dich nicht alleine lassen sollen!", schluchzte sie.
Ach du...
"ELLI! Du kannst dir doch nicht die Schuld dafür geben! Ich habe dir doch gesagt du solltest gehen, alles  ist alles gut. Außerdem lebe ich ja noch."
"Noch...!", meinte Kaja leise und ich schaute sie daraufhin vorwurfsvoll an.

Ich hielt meine linke Hand hoch, weil Philipp immer noch meine Rechte hielt und keine Anstalten machte sie los zu lassen. Dafür mochte ich ihn noch mehr.
Ich winkte Elli mit meiner Hand zu um sie dazu zu bringen zu mir zu kommen. Sie kam um mein Bett herum und ich nahm ihre Hand  und drückte sie fest
"Es wird alles gut, okay?"
Ich glaube dieser Krankenhausaufenthalt veränderte mich wirklich.
Plötzlich schnappte ich Kajas Blick auf. Er war leicht ungläubig und deutete zwischen mir und Philipp hin und her. Meine Wangen verfärbten sich leicht rot und ich grinste. Zum Glück betrachte Philipp gerade die Fenster hinter Elli.
Da fiel mir etwas ein.
"Leute!", fing ich an.
"Das hier", ich deutete auf Philipp, "ist Philipp. Er war derjenige, der mich gefunden hat als ich halb am ersticken war und den Notknopf nicht gefunden habe. Außerdem kennt er mich...kennen wir uns von Partys und so und er ist halt der Bruder von Kilian."
Kaja guckte komisch als ich gerade kurz davor war zu sagen, dass nur er mich kannte.
Aber es stimmte ja. Das wurde mir da plötzlich auf einen Schlag bewusst. Er wusste so viel über mich im Gegensatz zu dem was ich wusste. Ich wusste nämlich rein gar nichts, außer dass er sich anscheinend in der Medizin gut auskannte. Ich nahm mir vor ihn später auszufragen.
Elli und Kaja schüttelten Philipp artig die Hand und Kaja begann eine Unterhaltung mit ihm.
Ich hoffte sie fing nicht an irgendwelche peinliche Sachen über mich zu sagen.
Ich schaute auf die Uhr 18:30Uhr. Meine Güte ich hatte den ganzen tag noch nichts gegessen.
Ich löste meine Hände von denen von Philipp und Elli und wollte und richtete mich auf.
Ach du scheiße. Das tat weh. Ich hatte das Gefühl meine Rippen würden ein zweites mal gebrochen.
Ich sog scharf Luft ein.
Alle guckten mich besorgt an, aber ich ignorierte sie. Ich hatte keine Lust mehr rum zu liegen, oder zu sitzen. Ich hatte das Gefühl mein Rücken und mein Arsch wären schon verschimmelt.
"Du kannst jetzt nicht aufstehen", meinte Philipp mit einem festen Unterton in der Stimme.
"Und ob ich das kann", keuchte ich und war gerade dabei meine Beine zu Ellis Seite heraus zu schwingen. Schwingen war wohl en bisschen zu enthusiastisch formuliert. Ein bisschen. Vor allem mit einem eingegipsten Bein.
Kaja und Elli schauten dem Geschehen belustigt zu.
Philipp stand schnell auf und ging zu der Seite des Bettes, wo ich es fast geschafft hatte mich ganz auf die Bettkante zu setzten und packte meine Beine wieder an, um sie auf's Bett zurück zu legen. 
Ein teuflisches Lächeln bildete sich auf meinem Gesicht.
"Also ich würde das an deiner Stelle lieber lassen...Ich werde widerstand leisten und du möchtest ja sicher nicht, dass ich an einem Herzinfarkt sterbe, oder?"
Ich hatte ins schwarze Loch getroffen.
Gequält schaute Philipp mich an und dann ie anderen beiden, die breit grinsend da standen.
"Ist sie immer so?"
Kaja musste jetzt laut lachen und nickte:
"Ja, zum Glück!", meinte sie und ich grinste sie an.
Dann schaute ich wieder zu Philipp. Er schien mein Vorhaben wirklich nicht gut zu finden.
"Schau mal: Ich kann hier nicht weiter nur liegen und sitzen. Ich vergammle! Wir können ja einen Rollstuhl für alle Fälle mitnehmen und jetzt gib mir mal bitte meine Krücken."
Als er sich immer noch nicht regte machte ich Anstalten so, ohne Krücken, aufzustehen.
"Okay,okay. Warte kurz", gab Philipp Augenverdrehend nach. Er gab mir die Krücken und verschwand nach draußen um einen Rollstuhl zu suchen.
Währenddessen versuchte ich mich mit Mühe auf eine Krücken zu stützen. Wahrscheinlich war es wirklich keine so gute Idee mit n paar gebrochenen Rippen auf Krücken zu laufen, aber egal. Jetzt zog ich das durch.
Zwei Minuten später stand ich dann endlich.
Das Vorwärts war dann noch ein Stück schwieriger. Da ich nur auf einem Bein laufen konnte und das andere hochhalten musst kam ich mir vor, als würde ich hier gerade Leitungssport seit drei Stunden betreiben.
"Philipp wartet mit dem Rollstuhl vor der Tür und er meinte er glaubte nicht, dass du es bis zur Kantine schaffst."
Woher wusste er, dass ich dahin wollte?
"Der wird schon noch sehen", sprach ich angestrengt.
Elli wirkte jetzt auch schon etwas mehr besorgt, aber ich ignorierte es weiterhin.
Als ich schon nach ein paar Schritten schwitzte merkte ich, dass das Gaze schwieriger werde würde, als gedacht.
Aber ich schaffte es bis zur Kantine.  Das Laufen tat wirklich sehr gut.
Philipp lief die ganze Zeit neben mir und hinter mir Elli und Kaja. Jedes Mal wenn ich bedrohlich schwankte ließ Philipp sofort den Rollstuhl los und nahm meinen Arm und Elli und Kaja machten sich bereit mich aufzufangen. Jedes Mal gab ich ein weiteres genervtes Stöhnen von mir und ein: "Man Leute! Ich schaff das schon, beruhigt euch!"
An der Cafeteria, Kantine wie auch immer holte ich mir mein Tablett mit Essen.
Auf dem Rückweg hatten dann alle, außer mir was n der Hand.
Elli meine Krücken, Kaja mein Essen(typisch) und Philipp schob mich im Rollstuhl.
Ich war zu erschöpft um auch noch zurück zu laufen.
Als ich aß fragte ich Kaja noch, warum sie denn doch noch gekommen wäre.
"Ich habe gehört, dass meine beste Freundin fast gestorben. Da kann ich doch nicht einfach meinen Hausarrest aussitzen!", meinte sie empört und da wusste ich mal wieder ganz genau, warum sie meine beste Freundin war.

Sober✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt