"We never learn"

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Sein Gesicht hängt viel zu tief über meinem: "Gefällt dir mein Bild, gefällt es dir?" Im Hintergrund höre ich unterschiedliche Stimmen, die alle etwas anderes sagen: Stalker, Kranker, Psychopath und vieles mehr. Die grünen Augen verziehen sich plötzlich, werden größer zu braunen Reh-Augen. Die Lippen sehen weniger pink aus, sind rot geschminkt und dicker. Die braunen Locken werden plötzlich rot und glatt, die Haare piksen in meine Augen. Ich kann nicht blinzeln. Ihr Parfum erstickt mich - Patricia: "Nie freust du dich, selbst Liam freut sich mehr, ich dachte, du bist mein bester Freund, Louis." Ich wollte ihr antworten, irgendetwas krächzen, ich atme nicht, ich ersticke. 

Es klingelt. 
Schrill.
Laut.
Mein Wecker.

Ich reiße meine Augen auf und starre an die weiße Decke über mir. Ich kann ein wenig Schweiß auf meiner Stirn und am Rücken spüren, also schlage ich die Decke zurück und versuche, mich etwas zu beruhigen und abzukühlen. Was zur Hölle war das für ein beschissener Traum? Ich drehe mich schnell zu meinem Handy, um den nervigen Wecker endlich auszustellen. Die Helligkeit des Displays brennt mir die Augen aus, also lege ich das Handy nochmal weg. Weder sind meine Augen noch an die Dunkelheit gewöhnt, noch kann ich das Licht anmachen, also taste ich mich vorsichtig durch den Raum, um zum Fenster zu kommen. Ich öffne die Jalousien und die Sonne kitzelt meine Haare und das Gesicht. Hört sich schöner an als es sich anfühlt. Ich rümpfe die Nase und öffne das Fenster - es beschlägt. 
Da ich ohne Oberteil und nur in Boxershorts schlafe, fröstle ich ein wenig und lege mich zurück ins Bett. Ich ziehe die Decke über den Kopf und nehme mein Handy in die Hand. 

Eine neue Nachricht.
Auf Instagram.
Fuck.

Harry hat also doch noch etwas von diesem blöden Like-Unfall mitbekommen. Ich traue mich gar nicht nachzusehen, was hat er wohl geschrieben, er wird mich hassen und mobben, wie peinlich. Ich öffne Instagram und gehe zu meinen Direct-Messages. Ich habe die Augen fest zugepresst, ich will nicht wissen, was er mir zu sagen hat.

"Ziehst du heute Streifen an?"
"Biiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiitte. Lass einen Partnerlook starten."

Das ist nicht Harry, das war Liam. Ich verdrehe die Augen und schmeiße mein Handy auf meinen Beistelltisch. Ich rapple mich hoch und gehe zu meinem Schrank. Ich habe keine Ahnung, wo ich meine tausend Streifen-Shirts habe, also krame ich eine Weile in meinem Schrank. Ich finde ein schwarz- weiß- gestreiftes Teil und ziehe es an. Dazu irgendeine rote Hose und Hosenträger (vielleicht sehe ich aus wie ein Hipster, aber das ist schon okay.) Ich schließe den Schrank wieder und sehe ich mich in dem Spiegel, der an der Außentür befestigt ist, an. Ich muss ins Bad.

Nachdem ich meine Morgentoilette erledigt habe und meine Zähne währenddessen geputzt habe, muss ich mich um meine Haare kümmern. Wenigstens am ersten Tag nach den Sommerferien sollte ich einigermaßen akzeptabel aussehen. 
Nach dem Bürsten sehe ich nur noch schlimmer aus, also mache ich meine Haare schnell nass und föhne sie dann mit einer Rundbürste (für Volumen, hat Mum gesagt.) Als mir die Frisur einigermaßen gefällt, werfe ich einen Blick auf die Uhr. Schon 6.30 Uhr, ich bin viel zu spät dran! Ich trage noch etwas Parfum und Deo auf, bevor ich in mein Zimmer stürze, meinen Ranzen schnappe und einen Apfel aus der Küche mitgehen lasse - muss reichen als Frühstück.

Nach meinem Sprint zur Haltestelle schaffte ich gerade so meinen Bus, die Fahrt ließ ich einfach über mich ergehen, indem ich nebenbei etwas Musik hörte und alleine saß. Als ich ankam, wartete Liam bereits auf mich und freute sich wie ein Kleinkind, als er die Streifen auf meinem Oberteil sah. Er zeigte auf sein neues Oberteil und zog es lang nach unten, damit ich die Streifen besser sehen kann. Ich schenkte ihm ein falsches Lächeln, nun saßen wir zusammen in der Aula.
"Wo bleibt denn Patty? Ich kann den Platz nicht mehr lange freihalten!", meckert Liam und sieht sich ungeduldig um. Liam ist ein verdammter Streber, er wollte unbedingt in der zweiten Reihe sitzen. Hier sitzen nur die Streber, die in der ersten Reihe keinen Platz mehr hatten und Schüler wie ich, denen die Schule zwar nicht ganz so wichtig, aber eben auch nicht unwichtig ist. Liam konnte aber tun und lassen, was er wollte, ich setze mich nicht in die erste Reihe mit ihm. 
"Patty sitzt dort.", sage ich ihm und zeige auf eine der letzten Reihen. Ich verstehe einfach nicht, wie Liam diese roten Haare übersehen kann. Im Licht der Aula scheinen sie noch röter auszusehen als sonst.

"Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte sie offiziell im neuen Schuljahr begrüßen!" Das Mikrofon, in das der Schulleiter spricht, kreischt und die Menge beginnt genervt zu stöhnen. Das Gemurmel wird leiser. Liam nimmt beschämt die Tasche und die Jacke, die er auf den Stuhl für Patricia gelegt hatte, beiseite. Innerhalb von Sekunden wird der Stuhl von irgendeinem Streber besetzt. Ich verdrehe die Augen und überlege, ob ich nicht doch meine Kopfhörer rausnehmen sollte. Ich entschied mich doch dagegen, vielleicht sagt der Typ ja doch noch etwas wichtiges. Ich lehne mich also an und schließe die Augen. 

Liam und ich sind laut dem Schulleiter nun die "Elite der Gesellschaft", den wir werden in zwei Jahren unser Abitur in der Tasche haben. Bei der Hälfte unseres Jahrgangs bin ich mir da aber nicht so sicher. Herr Parker, der Schulleiter, hat uns auch das Kurssystem erklärt. Patricia, Liam und ich haben alle unterschiedliche Leistungskurse: Liams ist Mathematik, Pattys Kunst und meiner ist Englisch. Ich denke, dass es eine ziemliche Umstellung wird, zumindest für mich und Liam. Wir haben fast immer zusammen gesessen, jede Pause zusammen verbracht, es gab uns nur im Doppelpack. Das soll aber nun vorbei sein, denke ich. Wir haben wahrscheinlich nicht viele Kurse gemeinsam und wer weiß, wie lange es dauert, bis Liam neue Freunde findet. Er ist so offen, sympathisch und einfach gut. Man kann ihn nur mögen. Ich bin das komplette Gegenteil. Ich setze mich im Unterricht freiwillig hinten hin und höre die meiste Zeit Musik. Am liebsten sitze ich allein.
"Geht jetzt bitte zu den Ausgängen und holt euch eure Stundenpläne an. In der zweiten Stunde geht es los, keine Zeit zu verlieren." Bevor ich aufstehe, strecke ich mich ausgiebig und kann sehen, dass es viele im Raum mir gleich tun. Liam ist schon auf und davon, um seinen Stundenplan abzuholen. Ich sammle schnell mein Zeug zusammen und sprinte ihm hinterher. Ich muss mich etwas mit Ellbogen und Gewalt durch die Menge schlagen, aber bekomme direkt nach Liam meinen Stundenplan.

"Was hast du jetzt?", fragt er, als wir auf dem Schulflur stehen. Um uns herum herrscht reges Murmeln und Tuscheln. Ich werfe den ersten Blick auf meinen Stundenplan.
"Musik.", antworte ich und sehe ihn fragend an. "Ich hab Mathe.", murmelt er und sieht mich komisch an. Ich nicke ihm zu, unsicher, was ich noch sagen soll. 
"Ich muss in die Richtung.", sagt er und deutet in genau die Richtung, in die ich nicht muss. Ich nicke und deute mit dem Kinn zur anderen Seite des Flurs: "Und ich muss da lang."
"Achso.", murmelt er, winkt mir komisch zu und dreht sich dann weg. Er verschwindet in der Menge und ich atme durch. Dann drehe ich mich nach links und starte meinen Weg zum Musik-Raum.

Hurt me. {Larry Stylinson Fanfic.}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt