3. Kapitel

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Als ich später nach Hause kam, bemerkte meine Mutter sofort, dass ich ziemlich blass war und ich war die ganze Woche nicht mehr in der Schule.

Jetzt sitze ich hier und schreibe dir diesen Brief, weil ich diese Geschichte sonst niemanden erzählen kann. Meine Eltern würden es nicht verstehen und welchen Freunden soll ich es denn schon erzählen?

Die Freunde, die mir am wichtigsten waren, habe ich verloren. Erinnerst du dich noch daran, wie wir uns kennen lernten? Wenn nicht, helf ich dir mal auf die Sprünge.

Es war der erste Schultag in der 5. Klasse und ich war gerade neu hierhergezogen. Im Bus setzte ich mich hin und kurze Zeit später betratst du den Bus.

Anders als der Junge, setztest du dich sofort neben mich und fingst an, mir deine halbe Lebensgeschichte zu erzählen. Damals dachte ich nur, dass du verrückt bist. Doch du hast einfach nicht locker gelassen. Irgendwann waren wir dann schließlich Freunde.>>

Schnell setze ich noch meinen Namen unter den Brief, ehe ich ihn zusammenfalte und in einen Briefumschlag stecke. „Kommst du jetzt?", ruft meine Mutter mich. Ich haste die Treppe runter, wobei ich fast hinfliege, und komme schließlich schlitternd vor meiner Mutter zum Stehen.

Sie schüttelt leicht den Kopf und fragt mich schließlich: „Bist du dir sicher, dass du dorthin willst. Es wäre das erste Mal, seit ...."

„Ja, ich bin sicher. Jetzt komm, bevor ich mich umentscheide", unterbreche ich sie, da ich das Wort nicht hören will und umklammere den Brief fester. Meine Mutter nickt einfach nur und gemeinsam steigen wir ins Auto.

Während der Fahrt schweigen wir und ich sehe aus dem Fenster. Schließlich erreichen wir unser Ziel und ich steige aus. „Ich gehe in der Zeit einkaufen. Sag mir Bescheid, wenn ich dich abholen soll", erklärt meine Mutter mir.

Ich nicke einfach nur und nach ein paar Sekunden fährt sie weiter. Ich bleibe noch ein paar weitere Sekunden stehen, ehe ich auf das Tor zu gehe. Vor dem Tor bleibe ich noch mal stehen.

Soll ich jetzt wirklich weitergehen? Plötzlich höre ich hinter mir Schritte und instinktiv weiche ich zur Seite. Doch als ich die Person erkenne, die an mir vorbei will, muss ich unwillkürlich lächeln.

Ozeanblaue Augen mustern mich erstaunt. „Du hier?", fragt der blondhaarige Junge mich überrascht. „Das Gleiche könnte ich dich fragen. Wobei viel mehr würde es mich interessieren, warum du nicht mehr da bist", bringe ich schließlich hervor.

„Gehen wir ein Stückchen, dann kann ich es dir erklären", schlägt er mir vor und deutet auf das Tor. Ich nicke und wir folgen den Wegen, die sich wie ein Netz über die Anlage legen.

„Also?", fragend sehe ich ihn an. „Wirklich viel zu erzählen, gibt es da nicht. Meine Mutter hat einen neuen Freund gefunden und letzten Sommer sind wir zum ihm gezogen. Weihnachten hatten die beiden schon wieder Streit und meine Mutter ist wieder mit mir zurück gezogen. Das war auch schon die ganze Geschichte", erklärt er mir.

„Das tut mir Leid", erwidere ich einfach nur, „Meine eigenen Eltern verstehen sich zwar richtig gut, aber von meiner besten Freundin die Eltern haben sich immer gestritten, bis sie sich schließlich getrennt haben. Meine Freundin hat es gehasst."

„Das tut mir Leid für deine Freundin. Es ist wahrlich kein schönes Leben", meint er einfach nur nachdenklich. Wir gehen ein paar Sekunden schweigend nebeneinander, bis ich ihn schließlich frage: „Wieso bist du hier?"

Schon im selben Augenblick könnte ich mir eine Ohrfeige geben, dafür, dass ich es einfach frage. „Tschuldigung, du musst mir die Frage nicht beantworten", füge ich schnell noch hinzu.

„Kein Problem. Ich bin hier, wegen meiner Stiefschwester. Oder ehemalige Stiefschwester. Kurz bevor wir zu ihrem Vater gezogen sind. Ich habe sie ein paar Mal getroffen und wir haben uns ziemlich gut verstanden", erzählt er mir, „Wegen wem bist du hier?"

„Beste Freundin", antworte ich ihm einfach nur und halte den Brief hoch, denn ich schon die ganze Zeit umklammere. Selbst, wenn ich jetzt hier bin, will ich nicht wirklich darüber sprechen. Dafür tut es noch viel zu sehr weh.

Schließlich bleiben wir stehen. „Okay, ich muss hierhin. Ich hoffe, wir sehen uns demnächst wieder", meint der Junge einfach nur. Ich sehe mich kurz um, ehe ich meine: „Amica wäre deine Schwester geworden?"

„Ja, woher ...?", erstaunt sieht er mir. „Rate mal nach dem Namen meiner Freundin", sage ich einfach nur, wobei ich ein Lächeln nicht mehr unterdrücken kann. So langsam scheint ihm auch ein Licht aufzugehen, denn auch er fängt an zu lächeln.

„Also bist du die geheime, beste Freundin, mit der ich mich wahrscheinlich super verstehen würde?", erkundigt er sich bei mir. „Wahrscheinlich", antworte ich ihm einfach nur.

„Ich heiße übrigens Joshua", stellt er sich vor, nachdem wir einige Sekunden geschwiegen haben. „Emily", erwidere ich mit einem Lächeln. „Was hälst du davon, wenn ich dich zu einem Eis einlade?", schlägt er mir vor.

Ich tue so, als ob ich einen Moment überlegen müsste, ehe ich lächel und nicke. Er will gerade schon losgehen, als ich einen Schritt nach vorne mache.

„Ich vermisse dich, Amica", sage ich einfach nur, während ich den Brief neben den Grabstein lege. Danach hake ich mich bei Joshua unter und wir verlassen gemeinsam den Friedhof.

Ich vermisse dich, Amica. In jedem einzelnen Augenblick in meinem Leben und ich werde es immer tun. Doch ich hoffe, dass der Schmerz irgendwann erträglicher sein wird.

Eine ungewöhnliche Freundschaft #IdeenzauberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt