Kapitel III.

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Entnervt stampfte ich aus dem Schulgebäude. Was sollte denn der Scheiß? Wollten mich alle gerade einfach nur vollkommen verarschen? Diese und noch weitere Fragen wanderten in meinem Kopf auf und ab. Der ein oder andere mag jetzt denken, es wäre etwas dramatisches passiert wie, wenn der Lehrer, oder in meinem Fall Professor, sagt, dass man in der nächsten Stunde eine Klausur schreibt oder so etwas. Doch, mein Problem war jetzt nicht ganz so gravierend, Nerven rauben konnte es trotzdem. Was passiert war? Ganz einfach. Der Mädchentrupp mit Emily und ihrem Gefolge hatten meinen besten Freund angemacht. Erst hatten sie mit ihm geflirtet, bis er ihnen gesagt hatte, dass er immernoch schwul ist. Daraufhin hatten ihn die Mädels angefangen zu beleidigen, was ich gar nicht gern sah. Nun hatte ich da aufgeräumt. Die Anstifterin war mehr als nur klein mit Hut gewesen, als ich die Tür des Klassenzimmers hatte, natürlich unabsichtlich, zufallen lassen. Was fiel ihr ein..? Ich musste mich beruhigen gehen, wenn ich sie gleich nicht einfach in Brand stecken wollte. Emily meine ich, nicht das Klassenzimmer. Seuftzend machte ich mich auf den Weg in die bewährte Raucherecke, lehnte mich an die blass grüne Wand und kramte, wie auch heute morgen schon, in meiner Jackentasche. Zumindest fand ich meine Glimmstängel in dem Moment etwas schneller. Glücklicherweise hatte ich das Feuerzeug auch in die Packung getan. Nur wenige Augenblicke später spürte ich den beißenden Rauch in meiner Lunge und sah zum blauen Himmel hinauf. Die Sonne zeichnete sich mittlerweile deutlich ab und tauchte alles in Orange, rotes Licht. Verräterin. Sie war zwar da, aber doch nicht richtig. Ich mochte den Frühling am liebsten. Normalerweise war es immer so, dass die Temperaturen dann ausgeglichen waren. Dank der eben gesehenen grotesken Schönheit, welche nur eines von aber tausenden Beispielen war, hatten wir nun einen arschkalten Winter, einen Sommer wo man dahinschmolz und einen Frühling, der sich nicht entscheiden konnte, was er nun sein sollte scheinbar. Kalt, kühl, frisch, wärmer oder kochend heiß. Es mochte jetzt möglicherweise so erscheinen, doch war mir der Klimawandel ansich egal. Aber in dem Fall war es offensichtlich. Die knischenden Kieselsteinchen vor der Raucherecke verrieten mir, dass jemand gerade auf den Weg hierhin war. Lustigerweise konnte man immer die Lehrer und die Schüler voneinander unterscheiden. Jetzt war es offensichtlich ein Schüler, welcher doch recht schüchtern unterwegs war. Meine Vermutungen bewahrheiteten sich. Es war mein bester Freund, welcher keinen sonderlich positiveren Gesichtsausdruck hatte, wie meine Wenigkeit.

"Ich wusste es doch, dass du hier bist"

murmelte er leise und warf mir einen kurzen Blick zu. Auch er nahm sich eine Zigarette aus seiner eigenen Packung, machte sie an und seuftzte zufrieden.

"Du kennst mich Joun. Natürlich bin ich hier, wenn ich genervt bin. Du willst nicht wissen, wie sehr mich die drei aufgeregt haben. Was fällt denen ein, dich so in die Mangel zu nehmen."

Ein leises Knurren kam bei dem Gedanken an Emily über meine Lippen. Sie nervte mich wirklich unbeschreiblich sehr. Wenn man sie privat kannte, war sie bestimmt ein schrecklich einsamer Mensch, aber hier in der Schule? Hier spielte sie eine Show nach der anderen, erzählte Lügen und übertrieb maßlos um aufzufallen. Allgemein mochte ich solche Art von Wesen nicht, aber ich war hier nunmal gezwungen, jeden hinzunehmen. Immerhin begegnete man sich immer mal wieder zufällig auf dem Flur. Wenn ich da jeden anzünden wöllte, welchen ich nicht so gut leiden konnte, wäre die ganze Institution ein reiner Aschehaufen.

"Hey..beruhig dich mal, Livi. Sie hat es doch gar nicht verdient, dass du dir Gedanken um sie machst oder? Es ist Emily mit ihrem Gefolge. Die sind so und basta. Sie werden sich nicht ändern, nur weil du sie in die Schranken gewiesen hast. Nein, im Gegenteil. Um ehrlich zu sein, habe ich eine ganz andere Vermutung, warum sie das alles tut.."

Ich unterbrach ihn schnell. Diese 'Vermutung' von der er sprach, wollte ich nicht hören. Auch mir waren schon derart Gedanken gekommen, welche aber so seltsam und unglaublich klangen, dass ich sie einfach hatte vergessen wollen. Fast schon panisch winkte ich ab.

"Na Na..neee...lass gut sein...ich will es gar nicht wissen. Fakt ist...sie ist nervig, respektlos und innerlich mehr als einsam."

Joun grinste mich triumphierend an. Warum jetzt plötzlich? Er zog an der Zigarette, drängte mich an die Wand und pustete mir ins Gesicht.

"Eyy! Du Pinsel! Lass es!"

Sofort stieß ich in von mir weg und hielt einen gewissen Sicherheitsabstand bei.

"Nicht nett Joun..Nein aus. Nicht nett"

fast schon traurig blickte er drein, ehe er eine leichte Schmolllippe zog und die Mundwinkel so theatralisch nach unten verschob, dass es mir ein leises Lachen entlockte. Nach wenigen Minuten traten wir unsere giftigen Stummel aus und machten uns wieder auf den Weg rein.

"Wir schaffen das. Noch zwei Stunden, dann kannst du nachhause flitzen und Ceratec anzocken...das ist doch ein Lichtblick oder?"

Bei den Göttern. Der gut gebaute, 18 Jahre junge Mann neben mir, kannte mich erschreckend gut. Lachend gingen wir in die Klasse zurück. Was wir dort vorfanden, ließ mich noch heller auflachen. Emily. Auf dem Tisch. Vor ihr eine Mitschülerin. Sehr sehr nah vor ihrem Gesicht. Meine Klasse hatte jetzt in einem anderen Raum ihren Unterricht, doch hatten weder Joun noch ich unsere Taschen beim rausflüchten mitgenommen. Aber das mit Emily amüsierte mich. Die Schülerin vor ihr schien in ihrem Alter zu sein und gerade nichts anderes als das Mädchen vor ihr im Kopf zu haben.

"Was macht ihr denn hier?"

lachte ich breit grinsend und schubste beide aufeinander, als ich an ihnen vorbei trat. Eben noch hatte sich die blonde über Schwule aufgeregt, wie ekelig das doch sei, trotzdem wurde sie aber gerade systematisch angemacht, wenn nicht sogar noch mehr passiert wäre.

"Was interessiert...es dich?"

fragte die Nervensäge mit gereiztem Ton, was mich die Faust ballen ließ. Sie sollte sich nicht mit mir anlegen.

"Ganz einfach, Em. Ich muss meine Sachen holen und bekomme einen halben Softporno zu sehen. Sucht euch Orte die geeigneter sind oder schließt wenigstens ab. Nicht jeder sieht das gern."

Was sie antwortete, interessierte mich nicht. Sollte sie sich beschweren, rummeckern, was auch immer. Es war nicht mein Problem. Warum ich ihr den Rat gegeben hatte, wusste ich auch nicht so genau, aber jetzt war es ohnehin zu spät. Joun und ich machten uns auf den Weg zum  Chemiesaal, um uns die nächsten und letzten zwei Stunden anzutun.

Es geschah wirklich nichts spannendes. Als es wieder klingelte, stürmte ich förmlich aus dem grässlichen Gebäude und hüpfte schon fast freudig zu dem Haus meiner Mutter und mir. Niemand hatte mich aufhalten können. Nein, ich musste einfach schnell verschwinden. Hoffentlich war es endlich da. Das Spiel, worauf ich so lange gewartet hatte. Ceratec. Eine völlig neue Welt, die es, wenn die Glücksgöttin mir freundlich gesinnt war, heute nachmittag zu erkunden galt.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 22, 2018 ⏰

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