Frondienst

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Die Hintertür der Küche führte in einen endlos scheinenden düsteren Gang. Sylviane hielt sich dicht hinter Peter. Wie ein Hündchen, schoss es ihr durch den Kopf. Ständig hänge ich an seinem Rockzipfel! Aber sie war froh, dass er sich um sie kümmerte.

Sie stiegen zwei Treppen hoch und gelangten in einen schmalen Flur. Peter hielt an, zeigte auf vier Türen und erklärte: „Dort befinden sich die Gesindekammern. Wo du schlafen sollst, weiß ich noch nicht, vielleicht ist dein Schlafplatz in der Küche. Dabei bist du übrigens in bester Gesellschaft, denn Frau Regina schläft manchmal gern am Küchentisch ein." Er kicherte dabei, was in der Düsternis des Flurs geradezu koboldhaft klang. Er öffnete die letzte Tür und winkte sie hinein. „Hier kannst du dich waschen und umziehen. Seife und Handtücher liegen in der Truhe, in der Kanne ist frisches Waschwasser. Bediene dich ruhig. Fürs Erste mag das hier genügen, ansonsten darfst du einmal in der Woche das Badehaus benutzen; du findest es unten im Nebengebäude in der Nähe der Torhalle. Dort ist es immer schön warm, und das Baden ein Genuss. - Ich hoffe, du hast saubere Sachen dabei!" Belustigt betrachtete er ihre Reisetasche, die sie so fest umklammert hielt, als befinde sich darin eine Ansammlung kostbarer Roben.

Sylviane verkniff sich eine anzügliche Bemerkung und nickte nur.

„Gut. Sobald du fertig bist, finde dich bei Frau Regina ein, verstanden? Wir sehen uns nachher!" Mit einem freundschaftlichen Augenzwinkern verließ er sie.

Sylviane horchte, wie sich seine Schritte entfernten. Erst dann entspannte sie sich. Du liebe Güte, war das schwer, sich die ganze Zeit über zu verstellen! Die verächtlichen Blicke der Köchin und das mitleidige Lächeln von Peter waren wie Nadelstiche gewesen. Aber sie musste durchhalten und weiterhin das naive Bauernmädchen spielen, um alle in Sicherheit zu wiegen.

Wenn der Plan danebengeht, steht auch der gute Ruf des Oheims auf dem Spiel. Wenn nicht gar unsere Existenz ...

Seufzend entledigte sie sich ihrer Kleider. Sie goss Wasser in die Schüssel und machte sich ans Werk. Es brauchte vier Kannen Wasser, bis endlich die angetrocknete Erde von der Haut geschrubbt war. Am Ende der Prozedur war die Seife bis auf Fingernagelgröße zusammengeschrumpft. Immerhin schimmerte ihre Haut nun in einem schönen Rosa! Zu guter Letzt fehlte noch die passende Verhüllung - sie entschied sich für ihr ältestes Arbeitskleid, das wie ein langes Hemd geschnitten und einem Sack nicht unähnlich war. Das graue Leinen war an manchen Stellen abgestoßen und fadenscheinig. Damit es nicht so schlimm aussah, band sie sich eine leuchtend weiße Schürze um. Sie musste es ja nicht gleich übertreiben, vielleicht hatte die gute Köchin doch noch irgendwo getrocknete Knollenblätterpilze für den Notfall aufbewahrt. Die Haare kämmte sie straff zurück und steckte sie zu einem Knoten. Fertig! Dies sollte Frau Reginas Ansprüchen genügen.

Liebevoll faltete sie den neuen, so schnöde verschmutzten Rock zusammen. Irgendwann ergab sich bestimmt eine Gelegenheit, ihn zu reinigen und zu plätten. Und auch die hübsche Bluse ... nur gut, dass die Muhme jetzt nicht hier war und den jammervollen Zustand sah, ihr würde das Herz bluten.

Jeder Tag, den ich hinter mich bringe, ist ein weiterer Schritt nach Hause, sagte sie sich kämpferisch. Unwillkürlich fasste sie nach ihrer Halskette, holte den Anhänger hervor und betrachtete ihn eingehend. Nach wie vor war ihr der Drache unheimlich, und die Tatsache, dass er ein Familienerbstück war, machte das dunkle Gefühl nicht angenehmer. Vielleicht waren die Seelen ihrer Vorfahren darin eingeschlossen ... was für Leben mochten sie geführt haben, gute oder schlechte? Das von Carol zumindest schien heldenhaft gewesen zu sein, etwas von seiner Tapferkeit konnte sie jetzt gut gebrauchen. Versonnen starrte sie in die rubinroten Augen.

In ihnen schien es zu flackern. „Du hast eine Aufgabe ... eine wichtige. Nur du kannst sie übernehmen. Wir beide gehören zusammen, du und ich ..." Klar und deutlich hörte sie die Worte in ihrem Geist, tiefer noch in ihrem Herzen, bis sie zuletzt überall in ihrem Körper vibrierten.

🔥Feuertanz🔥 #WattyLonglist #NobelAwards2018#Thebestwriteraward2018#HerbstAwardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt